Aschheim und die Münchner Wohnbaupläne:Mit der Stadt wachsen die Sorgen

Aschheim und die Münchner Wohnbaupläne: Eine Skizze des Viertels im Nordosten Münchens für 30 000 Menschen: Im Osten markiert der Hüllgraben an der Rennbahn die Grenze. Visualisierung: Rheinflügel Severin

Eine Skizze des Viertels im Nordosten Münchens für 30 000 Menschen: Im Osten markiert der Hüllgraben an der Rennbahn die Grenze. Visualisierung: Rheinflügel Severin

Münchner Pläne für ein neues Viertel im Nordosten wecken in Aschheim Befürchtungen vor Verdichtung, Enteignung und Verkehr. Bei einem SPD-Informationsabend fordern Bürger Transparenz und Mitsprache ein.

Von Christina Hertel, Aschheim

Im Nordenosten Münchens entsteht ein neues Viertel, in dem einmal bis zu 30 000 Menschen wohnen und 10 000 arbeiten könnten. Doch wenn die Stadt wächst, bedeutet das auch: Sie rückt näher an den Landkreis und seine Kommunen heran. Welche Folgen das für Aschheim haben könnte, diskutierte die SPD am Mittwochabend mit gut 70 Interessierten im Bürgerhaus. Ihre größte Angst: noch mehr Verkehr. Und ihre größte Forderung: mehr Mitsprache.

Bereits seit mehr als zehn Jahren denkt die Stadt darüber nach, wie sie ein neues Quartier zwischen Johanneskirchen, Daglfing und Riem, eine Fläche von 600 Hektar, entwickeln könnte. Eine grobe Idee, wie dieses Viertel aussehen könnte, gibt es seit Ende Januar. Da prämierte eine Jury den Entwurf eines Düsseldorfer Büros als Sieger eines städtebaulichen Wettbewerbs. Aufgabe war, sich Pläne für 10 000, 20 000 und 30 000 Einwohner zu überlegen. Besonders gefielen der Jury an dem Siegerentwurf die großzügigen Grünflächen. Das betonte auch SPD-Stadträtin Heide Rieke, die bei der Diskussion in Aschheim die Pläne vorstellte und die als Sprecherin im Ausschuss für Stadtplanung in den Wettbewerb involviert war. Vorgesehen sind zum Beispiel ein Badesee und ein breiter Grünzug von Ost nach West.

Doch der Entwurf, das betonte die Stadträtin immer wieder, werde nicht eins zu eins so verwirklicht. Es handle sich um eine grobe Idee. Deshalb sind noch viele Fragen, etwa zur genauen Straßenführung, offen. Für den Landkreis-Bewohner jedoch möglicherweise beruhigend: Der Siegerentwurf, so wie alle anderen 32 eingereichten Entwürfe, sehen den Hüllgraben als Grenze des Viertels. Früher hatte es Pläne gegeben, die noch weiter in den Osten hinein, also näher an Dornach herangerückt wären. Das ist kein Thema mehr.

Ängste äußerten die Anwesendem dennoch - zum Beispiel vor Enteignungen. Denn tatsächlich könnte die Stadt auf ein Instrument aus dem Baugesetzbuch zurückgreifen, das diese möglich macht. Bei einer Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme (SEM) kann ein Grundstückseigentümer, der den Bau eines neuen Wohnviertels blockiert, als letzte Konsequenz enteignet werden. Ist das tatsächlich notwendig? Warum kann die Stadt das Viertel nicht Stück für Stück entwickeln? Und wo liegen die Grenzen des Wachstums? Das wollten viele der Anwesenden wissen. Darunter auch Barbara Oberfranz, eine Bäuerin aus Daglfing, deren Grundstück in dem Planungsgebiet liegt. "Wir ersticken im Verkehr und an den Leuten. Das Maß ist irgendwann voll", sagte sie.

Warum nicht eine Nummer kleiner?

Und warnte: Wenn Enteignungen in München möglich würden, könne das auch anderswo passieren. Enteignung ist jedoch ein Wort, das Stadträtin Heide Rieke nicht gefällt. Vielmehr handle es sich um einen erzwungenen Kauf. Denn der Eigentümer erhalte eine Entschädigung - "zu dem Preis, was das Grundstück wert ist". Und warum geht es nicht eine Nummer kleiner? Auch dafür nannte Rieke Gründe: Weil bezahlbarer Wohnraum in München so knapp ist, weil mit anderen Instrumenten etwa der Sozialgerechten Bodennutzung die Wohnungen nach 25 Jahren aus der Mietbindung fallen. "Danach steigen die Preise." In München sei eine vierköpfige Familie mit einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro theoretisch für eine von der Stadt geförderte Wohnung berechtigt. Wenn nicht einmal die auf dem normalen Markt eine Wohnung findet, schwang bei dieser Aussage mit, wo sollen dann Krankenpfleger und Postenboten in Zukunft leben?

Zudem soll nach Vorstellungen der Stadt in dem Viertel eine Art Zentrum entstehen, wo es Läden gibt und wo die Menschen in kein Auto steigen müssen, um zum Arbeitsplatz zu kommen. Voraussetzung dafür: guter öffentlicher Nahverkehr. "Straßen und U-Bahnen müssen da sein, bevor die Bevölkerung kommt", forderte die Aschheimer SPD-Bürgermeisterkandidatin Ingrid Lenz-Aktaş. Und griff damit eine weitere Sorge auf: den Verkehr, zu viele wildparkende Autos, zu lange Staus vor Bahnübergängen und Ampeln. Auch hier versuchte die Stadträtin Ängste zu nehmen: Baue die Bahn die Trasse der Bahnlinie S 8 tatsächlich aus, sei es "völlig unvorstellbar", dass diese durch ein Wohngebiet führe. Sie müsse in einem Tunnel liegen.

"Dafür braucht es aber Unterstützung von allen Seiten." Von Stadt- und Landkreisbewohnern. Mehr Kooperation, aber auch mehr Mitsprache forderten mehrere Anwesende ein. Lenz-Aktaş möchte dafür "neue Instrumente der Zusammenarbeit" entwickeln, wie sie es nannte. Aus ihrer Sicht sollte München nicht nur die Rathäuser der angrenzenden Kommunen regelmäßig informieren, sondern auch alle Gemeinderäte.

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