Aschheim:Späte Abrechnung

In den Siebzigern und Achtzigern wurden in Aschheim viele Straßen nicht ausgebaut, um Bauherren nicht zu stark zu belasten. Wegen einer Gesetzesänderung wird das jetzt nachgeholt - und die Anlieger müssen zahlen

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Elisabeth Zink ist gar nicht begeistert, wenn sie derzeit aus dem Küchenfenster auf die Straße vor ihrem Haus schaut. Dieses Gefühl teilen viele Aschheimer mit ihr. Denn die Gemeinde lässt, wie andere auch, die alten Asphaltstraßen im Ort ausbauen, versieht sie, wo möglich, mit Gehwegen und stellt Frostbeständigkeit, Untergrund und Entwässerung sicher. Was gute Nachrichten für Autofahrer und Passanten sein mögen, bedeutet für die Anlieger derzeit allerdings vor allem eines: Ihnen droht eine hohe Rechnung. Denn sie tragen 90 Prozent der Gesamtkosten beim Erstausbau von Erschließungsstraßen, so sieht es die gemeindliche Satzung vor.

Dass viele Städte und Gemeinden gerade jetzt verstärkt ausbauen, hat einen Grund. Die Gesetzeslage ändert sich. Nur noch bis zum 1. April 2021 haben die Kommunen die Möglichkeit, für die erstmalige Herstellung ihrer alten, bislang nur notdürftig angelegten Straßen und Wege 90 Prozent der Kosten als Erschließungsbeiträge von den Anliegern zu erheben. Bis zu dieser Frist müssen alle in den vergangenen 25 Jahren begonnenen Ersterschließungen abgeschlossen und abgerechnet sein. Nach 2021 würden solche Arbeiten unter die Kategorie Straßenausbauten fallen - die in Kommunen mit einer entsprechenden Satzung mit bis zu 80 Prozent auf die Anlieger umgelegt werden können. Aschheim allerdings hat, wie viele andere Kommunen im Landkreis, bislang keine solche Straßenausbaubeitragssatzung; die Kosten müsste also entweder die Gemeinde aus den allgemeinen Steuereinnahmen tragen oder sie müsste eine Satzung dafür erlassen. In beiden Fällen fürchtet Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) Ungerechtigkeiten. "Wir wollen unseren Grundsatz einhalten, alle Bürger gleichzubehandeln", sagt er.

Aschheim: Georg Zink und den Anliegern in der Friedenstraße steht der Ausbau noch bevor.

Georg Zink und den Anliegern in der Friedenstraße steht der Ausbau noch bevor.

(Foto: Claus Schunk)

Für viele betroffene Anlieger ist das ein eher schwacher Trost. Im kommenden Frühjahr stehen weitere Straßen im Ort zum Ausbau an, der Mooswiesen- und der Pointweg, der Anwanderweg und die Salmdorfer Straße in Dornach, außerdem in Aschheim der Lerchenweg, die Arbeo- und die Friedenstraße, wo Elisabeth und Georg Zink wohnen. Das Ehepaar rechnet damit, eine niedrige fünfstellige Summe bezahlen zu müssen. Andere Nachbarn trifft es noch härter: Die Kosten berechnen sich je nach Größe des Grundstücks und der Geschosshöhe der darauf stehenden Gebäude. Teuer wird es besonders für jene, die ein Eckgrundstück besitzen - werden beide angrenzenden Straßen ausgebaut, müssen sie im Zweifelsfall für beide Seiten mitzahlen. "Für Rentner zum Beispiel ist das eine Riesenbelastung", gibt Georg Zink zu bedenken. Gleichwohl zeigt er Verständnis für das Argument der Gleichbehandlung.

Allein in den Jahren 2001 bis 2015 hat die Gemeinde nach demselben Prinzip insgesamt 11 805 404 Euro an Erschließungsbeiträgen für Privatgrundstücke, Gewerbegebiete und gemeindeeigene Liegenschaften abgerechnet, sagt Kämmerer Marco Zschoch. Bei Neubauten in den Siebziger- und Achtzigerjahren habe man teilweise bewusst neue Erschließungsstraßen zunächst nur provisorisch hergestellt, erklärt Zschoch. Man habe die Anlieger, die neben den Neubaukosten für ihr Häuschen mit hohen Kreditzinsen belastet waren, nicht noch gleichzeitig mit Erschließungskosten konfrontieren wollen. Der qualifizierte Erstausbau der Straße und die Abrechnung über Erschließungskosten sollten später erfolgen - und fallen eben jetzt an. Somit treffen die Arbeiten heute vor allem alteingesessene Aschheimer. "Für die meisten kam das aus heiterem Himmel", sagt Mathias Bauer, Ortsvorsitzender der SPD und selbst Anlieger in der Lerchenstraße. "Wer neu baut, weiß, dass er die Straße mitbezahlen muss, aber viele Nachbarn wohnen hier seit 40 Jahren und es wurde nie was gemacht." Bauer spricht sich dafür aus, dass die Gemeinde, wie von einigen Bürgern gefordert, nachträglich einen höheren Teil der Erschießungskosten übernimmt. Die Gemeinde will die Option prüfen und dem Gemeinderat vorlegen. In diesem Fall aber, argumentiert Bürgermeister Glashauser, würden all jene benachteiligt, die in der Vergangenheit 90 Prozent getragen hätten.

Aschheim: Die Tassilostraße (vorne) wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut. Den Anliegern im Lerchenweg (im Hintergrund) steht der Ausbau noch bevor.

Die Tassilostraße (vorne) wurde in den vergangenen Jahren ausgebaut. Den Anliegern im Lerchenweg (im Hintergrund) steht der Ausbau noch bevor.

(Foto: Claus Schunk)

"Es ist eine zwiespältige Situation", fasst Zink es zusammen. Positiv bewerten viele Betroffene, dass die Gemeindeverantwortlichen vor Beginn der Ausbauarbeiten in den jeweiligen Straßen eine Anliegerversammlung einberufen, wo auch Anregungen der Nachbarn Berücksichtigung finden können. Begeistert ist freilich dennoch keiner in Aschheim über die Rechnung in seinem Briefkasten. Zu Notsituationen, gar einem erzwungenen Verkauf des Eigenheims, werde es aber bei niemandem kommen müssen, versichert Kämmerer Zschoch: "Es gibt immer Sonderregelungen." So biete die Gemeinde etwa Anliegern von Altbestandsstraßen, die für die Erschließung mehr als 10 000 Euro zu zahlen haben, die Möglichkeit einer zinslosen Stundung über drei Jahre hin an.

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