Süddeutsche Zeitung

Aschheim:Gericht entscheidet über Sonntagsverkauf

Durfte Aschheim im Mai zwei Möbelhäusern die Öffnung erlauben? Die Gemeinde zog zwar später ihre Erlaubnis zurück, doch die Gewerkschaft Verdi klagte trotzdem. Am Mittwoch wird der Fall nun verhandelt.

Von Irmengard Gnau, Aschheim

Konsumentenfreundlichkeit und Flexibilität oder Arbeitnehmerschutz und vorgeschriebene Ruhepause? Um die Frage, ob Geschäfte auch sonntags öffnen dürfen, wird derzeit in Deutschland vielerorts gestritten. Insbesondere in Bayern entzündet sich der Ärger von Arbeitnehmervertretern und Kirchen daran, dass Kommunen den bei ihnen ansässigen Händlern regelmäßig zusätzliche Verkaufsmöglichkeiten am gesetzlich geschützten Sonntag gestatten. Zuletzt war die Gemeinde Aschheim in die Kritik geraten, als sie im vergangenen Mai den beiden Möbelhäusern XXXLutz und Mömax kurzfristig ermöglichte, an einem Sonntag fünf Stunden lang für Kunden zu öffnen. Ob das rechtens war, soll nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München entscheiden. An diesem Mittwoch verhandelt das Gericht den Fall.

Geklagt hat die Gewerkschaft Verdi. Sie zweifelt an, dass die Auto-Schau, die an dem besagten Sonntag im Gewerbegebiet in Aschheim stattgefunden hat, als Anlass für die Sonntagsöffnung taugt. Einen solchen äußeren Anlass aber braucht es, damit eine Ausnahme vom Ladenschlussgesetz rechtlich möglich ist. Die Aschheimer Verwaltung und der Gemeinderat hatten kein Problem darin gesehen, für den ortsansässigen österreichischen Möbelriesen eine solche Ausnahme zu verordnen, schließlich trage dieser "nicht unerheblich zum Wohlstand der Gemeinde" bei, wie ein Gemeinderat formuliert hat. Auch die zuständige Aufsichtsbehörde, das Landratsamt München, stimmte dem verkaufsoffenen Sonntag zu. Das Autotreffen und die zusätzliche Einkaufsmöglichkeit zogen mehrere tausend Menschen ins Aschheimer Gewerbegebiet.

Verwaltungsgerichtshof untersagte München die Sonntagsöffnung

Der Besucherandrang änderte freilich nichts an der Haltung von Verdi. Die Gewerkschaft reichte Klage gegen die Verordnung der Gemeinde ein und drückte ihre Sorge vor künftigen Wiederholungen aus. Die Kommune bekam daraufhin kalte Füße und verfiel schließlich auf eine ungewöhnliche Taktik: Sechs Wochen nachdem der verkaufsoffene Sonntag stattgefunden hatte, zog der Gemeinderat die Erlaubnis dafür nachträglich - und rückwirkend - zurück. Mit dieser Volte wollte die Gemeinde dem zu befürchtenden Prozess den Gegenstand entziehen. Nachdem der Verwaltungsgerichtshof erst vor wenigen Monaten der Stadt München die Sonntagsöffnung beim Stadtgründungsfest untersagt hatte, rechnete sich Aschheim selbst ebenfalls schlechte Chancen aus.

Ganz aufgegangen ist diese Taktik offenkundig nicht. Am Mittwoch wird der Verwaltungsgerichtshof die Klage verhandeln. Er sei etwas überrascht, dass sich das Gericht nun doch so intensiv mit dem Aschheimer Fall auseinandersetzen wolle, sagt Aschheims Geschäftsführer Christian Schürer. Nun muss sich die Kommune vor Gericht erklären. Sie pocht auf den Grundsatz der Gleichbehandlung. Hintergrund ist insbesondere der interkommunale Wettstreit mit dem unweit gelegenen Parsdorf, wo das Möbelhaus Segmüller in der Vergangenheit mehrfach sonntags verkaufen durfte. "Wir wollen einfach Klarheit haben", sagt Schürer. Auch für die Verwaltung sei eine deutliche Regelung, wie mit dem Ladenschluss zu verfahren sei, wünschenswert. Sollte das Gericht freilich zu dem Schluss kommen, dass die Sonntagsöffnung Ende Mai unerlaubt war, wären weitere solcher Ausnahmeregelungen für die Aschheimer Möbelhäuser künftig wohl erst einmal vom Tisch.

"Wir sind jetzt sehr gespannt, wie die Richter entscheiden", sagt Georg Wäsler von Verdi. Da das Gericht einen Verhandlungstermin angesetzt hat, gehe er davon aus, dass es noch einen Verhandlungsgegenstand gebe, sagt der Gewerkschaftsfunktionär. Die zentrale Frage bleibe, ob die damalige Beschlussfassung des Aschheimer Gemeinderats rechtmäßig war. Insgesamt beobachtet Wäsler, dass durch die zunehmend ablehnende Haltung vieler Gerichte bei Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit auch die Aufsichtsbehörden strenger hinschauten und den Sonntag nicht mehr einfach so freigäben.

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SZ vom 06.12.2016/hilb
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