Aschheim hat eine neue Touristenattraktion: Laut Wenzel Cerveny legte kürzlich ein Pärchen auf dem Rückweg von Italien extra in dem Münchner Vorort einen Zwischenstopp ein. Sie hätten im Fernsehen von der Posse um den Spielplatz erfahren, den die Gemeinde binnen kürzester Zeit dem „Chillout-Club“ vor die Haustür gesetzt hat, um den dort geplanten Anbau von Cannabis zu verhindern, erzählten sie Cerveny. Deshalb wollten sich selbst ein Bild machen.
Cerveny ist der wohl bekannteste Vorsitzende eines Cannabis-Klubs in Deutschland und galt lange als Vorreiter. Im vergangenen November warb er damit, der erste seiner Art im Münchner Raum zu sein. Seit 1. Juli dürfen die Klubs nun offiziell eine Lizenz bei der zuständigen Genehmigungsbehörde beantragen, dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Cerveny hat das allerdings noch nicht getan. „Wenn man zu schnell agiert, macht man Fehler“, sagt er.
Mit seinem Abwarten ist Cerveny nicht allein. Beim LGL sind bisher kaum mehr als ein halbes Dutzend Anträge aus ganz Bayern eingegangen, aus dem Landkreis München war es nach Angaben der Behörde bis Dienstag kein einziger. Zu einem Wettrennen der Klubbetreiber kommt es also nicht, trotz der Deckelung auf nur einen Cannabis-Klub pro 6000 Einwohner in einem Landkreis oder einer Stadt, die in Bayern gilt. Für den Landkreis München mit seinen knapp 356 000 Einwohnern wären also 59 Anbauvereine möglich.
Cerveny will zunächst ausloten, ob sein Antrag überhaupt Erfolgschancen hätte. Denn die Posse um den Spielplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite könnte ihm tatsächlich einen Strich durch die Rechnung machen: Laut Gesetz muss ein Verein mindestens 200 Meter von Spielplätzen und ähnlichen Einrichtungen entfernt sein, um Cannabis anbauen zu dürfen. In Aschheim wäre dieser Abstand nicht mehr gegeben.
Cerveny selbst hält das Vorgehen der Gemeinde für eine Farce und für rechtswidrig: „Es ist verboten, etwas zu bauen, nur um etwas anderes zu verhindern.“ Wie das die Behörden sehen, will er vor der Antragstellung bei einem Termin mit Vertretern des LGL in Aschheim herausfinden. All das verzögert seine Zulassung – das ärgert ihn. „Diese Hinhaltetaktik ist eine Unterstützung des Schwarzmarktes“, sagt er.
Cervenys Chillout-Club hat zwar schon 120 Mitglieder und weitere 900 Interessenten, vom Verein können sie mangels Lizenzierung aber noch kein Cannabis bekommen. Auch selbst angebaute Pflanzen dürften aktuell noch keine Blüten tragen. Für die Konsumenten bleibt laut Cerveny im Moment nur medizinisches Cannabis oder Gras vom Schwarzmarkt.
„Wenn die Behörden mit sich reden lassen, könnte man im Oktober das erste Cannabis an die Mitglieder abgeben“
„Wenn die Behörden mit sich reden lassen, könnte man im Oktober das erste Cannabis an die Mitglieder abgeben“, sagt Cerveny. Er glaubt aber nicht, dass überhaupt ein Verein noch heuer seine Mitglieder versorgen kann. Das LGL verweist darauf, dass innerhalb von drei Monaten nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen über die Erlaubnis entscheiden werden müsse. Wie lange die Bearbeitung tatsächlich dauert, werde aber unter anderem von der Qualität sowie der Anzahl der eingehenden Anträge abhängen. Außerdem müssten auch weitere Stellen wie Polizei und Kommunen eingebunden werden. „Eine pauschale Aussage zur Dauer der Genehmigungsverfahren ist daher nicht möglich“, teilt ein LGL-Sprecher mit.
Früher oder später, da ist Cerveny sich sicher, wird sein Klub bestehen. „Irgendwann wird es lächerlich.“ Falls der Spielplatz in Aschheim den Anbau verhindert, setzt er auf eine andere Lösung. Cerveny hat bereits Container bestellt, die er bei zwei Bauern bei Mühldorf und Poing aufstellen möchte und in denen das Cannabis unter hygienischen Bedingungen angebaut werden könnte. Wo die Blüten dann abgegeben würden, ist noch unklar.