Seit fast eineinhalb Jahren ist Aschheim untrennbar mit Cannabis verbunden: In der Gemeinde im Münchner Osten sollte einer der ersten Anbauvereine Bayerns eröffnen, was dem Ort den Spitznamen Haschheim einbrachte. Durch die Posse um einen Spielplatz, der den geplanten Cannabis-Klub des Hanf-Unternehmers Wenzel Cerveny verhindern sollte, ist die Gemeinde sogar deutschlandweit zum Symbol für die bayerische Abwehrhaltung gegen die Teillegalisierung der Droge geworden. Doch nun könnte in der Tragikomödie der Vorhang fallen: Wie Cerveny mitteilt, muss er bis Ende März 120 000 Euro an Mietschulden für die Räumlichkeiten an der Saturnstraße begleichen. Schafft er das nicht, droht sein Vermieter ihm mit Kündigung.
So weit gekommen ist es dem selbst ernannten Hanf-König zufolge durch die „Verzögerungstaktik“ der bayerischen Staatsregierung, wie er deren noch immer andauernden Prozess der Lizenzierung von Anbauklubs nennt. Auch fast ein Jahr nach Inkrafttreten der Teillegalisierung von Cannabis ist in Bayern noch kein einziger Verein genehmigt. Für Cerveny ein Problem: Seinen „Chillout-Club“ wollte er in einem ehemaligen Supermarkt nahe dem Aschheimer Rathaus eröffnen. Seine Frau betreibt im gleichen Gebäude ein Geschäft namens Natur-Erlebniswelt, in dem Produkte aus Nutzhanf verkauft werden und seit der Legalisierung auch sogenanntes Vermehrungsmaterial. Dazu gehören Samen und Stecklinge, aus denen man die Droge selbst ziehen kann.
Ursprünglich sollten die monatlichen Mietkosten in Höhe von 20 000 Euro zu einem Teil durch den Laden und zum anderen Teil durch die Mitgliedsbeiträge aus dem Klub beglichen werden, der bereits im November 2023 offiziell gegründet wurde. Doch immer wieder musste Cerveny die Mitglieder vertrösten. Cannabis konnte er ihnen mangels Lizenz noch nicht ausgeben.
Das liegt laut dem 64-Jährigen nicht zuletzt an der Taktik der Gemeinde: Um zu verhindern, dass er seinen Verein betreiben kann, ließ man kurzerhand einen Spielplatz errichten, der einen Cannabis-Klub im Umkreis von 200 Metern ausschließt. Das Vorgehen brachte dem Unternehmer und der Kommune bundesweit Aufmerksamkeit. Doch auch die bayerische Politik kritisiert er: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) bekämpfe die Vereine „mit allen Mitteln“. In Nordrhein-Westfalen, so Cerveny, gebe es bereits zahlreiche genehmigte Cannabis-Klubs.

Als Mitgliedsbeitrag für seinen „Chillout-Club“ verlangt der Unternehmer 150 Euro pro Monat. Bei 500 erlaubten Mitgliedern wären das 75 000 Euro, die Miete wäre also locker gedeckt. Doch eingefordert hat man die Beiträge bisher nicht, wie Cerveny sagt. „Wir können ja nichts bieten.“ Ein paar Mitglieder hätten freiwillig 50 Euro monatlich bezahlt, aber in den letzten beiden Monaten waren es nur noch acht Personen. Der Hanfverkauf allein habe das nicht ausgleichen können.
Bisher habe der Vermieter Geduld gehabt, sagt Cerveny. Doch durch die Bundestagswahl haben sich die politischen Verhältnisse verändert. Die Union hatte bereits vor ihrem Wahlsieg immer wieder angekündigt, die Legalisierung im Fall einer Regierungsübernahme wieder rückgängig machen zu wollen. Der Vermieter habe dadurch nun das Vertrauen verloren, dass der Klub jemals existieren wird. Auch Cerveny selbst glaubt eigenen Worten zufolge mittlerweile nicht mehr daran.
Was, wenn die neue Regierung die Legalisierung zurücknimmt?
Um zumindest das Hanf-Geschäft zu retten, sammelt der 64-Jährige Spenden und verkauft Unternehmensanteile. Bis Juli, so glaubt er, könne er den Rückstand ausgleichen. Danach will er sich vollständig auf den Laden konzentrieren. Dieser habe sich gut entwickelt, man habe immer mehr Stammkunden. Der Handel mit dem Vermehrungsmaterial ist laut Cerveny zum Hauptgeschäft geworden. Die Pflanzsaison steht zudem kurz bevor, in den kommenden Monaten erwartet der Unternehmer daher hohe Einnahmen. „Die Umsätze stehen vor der Tür“, sagt Cerveny. Er glaubt, die Miete in Zukunft auch ohne den Klub stemmen zu können.
Das Geschäft wachse weiter. Hanf sei kein Auslaufprodukt, sondern etwas, das die Menschen erst allmählich entdeckten. Cerveny kann sich nicht vorstellen, dass die neue Regierung ihm einen Strich durch die Rechnung macht und die Legalisierung tatsächlich zurücknimmt. Auch ein Jahr danach würden keine „Zombies“ herumlaufen, wie mancher befürchtet habe. Zudem warne die Richtervereinigung davor, das Gesetz rückgängig zu machen.
„Es war zwar anders geplant, aber dann ist es halt kein Klub“, sagt Cerveny. Er habe zu viel investiert, um aufzugeben. Eine halbe Million Euro hat er nach eigenen Angaben in den Laden gesteckt. „Wir haben hier viel aufgebaut.“ Der selbst ernannte Hanf-König will sich der Gemeinde und der bayerischen Politik nicht geschlagen geben: „Es kann nicht sein, dass die durch Lug und Trug doch noch gewinnen.“