Bürgerentscheid in Aschheim:Auf Messers Schneide

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Umzug nach Aschheim?

(Foto: Daniel Acker/Bloomberg)

Am Sonntag entscheidet sich, ob in Aschheim ein Schlachthof entsteht

Von Irmengard Gnau, Aschheim

An diesem Sonntag treffen die Aschheimer eine Entscheidung, die weitreichende Folgen für ihre Gemeinde und die umliegende Region haben wird. Beim Bürgerentscheid stimmen sie darüber ab, ob sich im Gewerbegebiet an der A 99 ein Schlachthof ansiedeln darf oder nicht. Die wichtigsten Fragen und Einschätzungen zum Bürgerentscheid:

Wo wird abgestimmt?

Es gibt zwei Abstimmungsräume: im Kulturellen Gebäude in Aschheim sowie im Feuerwehrgerätehaus im Ortsteil Dornach. Sie sind jeweils von 8 bis 18 Uhr zur persönlichen Stimmabgabe geöffnet. Außerdem haben alle Stimmberechtigten zusammen mit der Abstimmungsbenachrichtigung die Unterlagen zur Briefabstimmung zugesandt bekommen. Die automatische Zusendung ist neu in Bayern. Die vom Kommunalrecht eröffnete Möglichkeit kommt in Aschheim als einer der ersten Kommunen zum Tragen. Die Gemeinde erhofft sich dadurch nach Aussage von Bürgermeister Thomas Glashauser (CSU) eine besonders hohe Abstimmungsbeteiligung. Die Rechnung scheint aufzugehen: Bis Freitagmittag hatten 45 Prozent der Wahlberechtigten per Briefwahl abgestimmt.

Worüber wird abgestimmt?

Genau genommen sind es zwei Bürgerentscheide, zu denen die Aschheimer um ihre Meinung gefragt werden. Der Bürgerentscheid 1 richtet sich gegen die Ansiedlung des Schlachthofs und ist aus einem Bürgerbegehren heraus entstanden. Auf die Mitteilung der Gemeinde hin, der nordrhein-westfälische Fleischhändler Albert Oppenheim plane mit Hilfe des britischen Projektentwicklers John Pickstock ein Schlachtzentrum in Aschheim, hatte sich großer Protest in der Bevölkerung erhoben. Eine Gruppe erzürnter Bürger sammelte binnen weniger Tage mehr als 1600 Unterschriften gegen den Schlachthof und zwang den Gemeinderat somit, das Projekt zur Entscheidung zu stellen. Der Gemeinderat setzte dem Bürgerbegehren daraufhin ein Ratsbegehren entgegen und formulierte selbst eine Frage, die aktiv nach der Zustimmung für den Schlachthof fragt.

Da Bürgerentscheid 1 und 2 entgegengesetzt formuliert sind, wäre es folgerichtig, dass die Wähler einen Entscheid mit "Ja" und den anderen mit "Nein" beantwortet. Sollten dennoch die Ergebnisse der beiden Bürgerentscheide miteinander unvereinbar sein - also beispielsweise beide Entscheide mehrheitlich "Ja"-Stimmen bekommen - kommt es auf die Stichfrage an. Diese bietet die beiden Antwortmöglichkeiten "keine Ansiedlung" und "Ansiedlung". Alle drei Fragen stehen auf einem Stimmzettel. Jeder Stimmberechtigte hat also drei Kreuze zu vergeben. Die Antworten zu jeder Frage werden separat ausgezählt.

Wer darf abstimmen?

Abstimmungsberechtigt ist jeder, der zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids mindestens zwei Monate lang mit Hauptwohnsitz in Aschheim gemeldet war. Das sind aktuell 6754 Bürger.

Wann steht das Ergebnis fest?

Um 18 Uhr beginnen die Vorstände der beiden Stimmbezirke in ihrem jeweiligen Abstimmungsraum sowie die Vorstände der drei Briefabstimmungsbezirke im Bürgersaal im Kulturellen Gebäude mit dem Auszählen der Stimmen. Die Auszählung ist öffentlich. Wie lange sie dauert, ist schwer absehbar. Da die Briefabstimmungsunterlagen automatisch an alle Abstimmungsberechtigten versandt wurden, ist aber davon auszugehen, dass die Auszählung der Briefstimmen viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Sobald ein Gesamtergebnis feststeht, wird es Abstimmungsleiter Christian Schürer, Geschäftsführer der Gemeinde Aschheim, bekannt geben. Anschließend wird es auf der Gemeinde-Homepage veröffentlicht.

Wann ist das Ergebnis gültig?

Laut Gemeindeordnung müssen sich in Kommunen mit weniger als 50 000 Einwohnern mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten für eine Antwortmöglichkeit aussprechen, damit diese eine gültige Mehrheit hat. In diesem Fall wären das 1351 gültige abgegebene Stimmen. Die Marke dürfte angesichts der hohen Zahl der Briefwähler geknackt werden.

Hat Aschheim bereits Erfahrung mit Bürgerentscheiden?

Ja, und zwar schlechte: Beim Bürgerentscheid zur Ansiedlung des Möbelhauses XXXLutz im Juli 2007 beteiligten sich nur 905 von 5206 Stimmberechtigten; weniger als 20 Prozent. Das Ergebnis war somit ungültig.

Welche Folgen hätte eine Ablehnung beziehungsweise Zustimmung?

Ein Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Gemeinderatsbeschlusses, so legt es die Bayerische Gemeindeordnung fest. Er ist für ein Jahr bindend und kann innerhalb dieses Zeitraums nur durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden. Es sei denn, die dem Bürgerentscheid zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage ändert sich wesentlich.

Stimmen die Aschheimer am Sonntag gegen einen Schlachthof, hieße das also, dass die Gemeinde zumindest ein Jahr lang daran gebunden ist, die Ansiedlung nicht voranzutreiben und vielmehr "alle rechtlich zulässigen Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Errichtung zu verhindern", wie es der Bürgerentscheid 1 fordert. Nach einem Jahr endet die rechtliche Verpflichtung. Es ist aber fraglich, ob sich der Gemeinderat offensichtlich gegen ein Bürgervotum stellen würde, um das Projekt doch noch zu verwirklichen. Außerdem bliebe abzuwarten, wie geduldig die Interessenten um Oppenheim und Pickstock sind, wenn sich der Bau verzögert.

Spricht sich eine Mehrheit der Aschheimer für den Schlachthof aus, könnte die Gemeinde das durch den Bürgerentscheid gestoppte Verfahren wieder aufnehmen. Dieses beinhaltet unter anderem das Aufstellen eines Bebauungsplans. Das Landratsamt muss das Bauvorhaben unter rechtlichen und technischen Aspekten prüfen. Im Laufe des Verfahrens würden auch die betroffenen Nachbargemeinden beteiligt und können im Zweifelsfall ihre Bedenken vorbringen. Ob diese die Ansiedlung des Schlachthofs verhindern würden, ist aber fraglich.

Wer wünscht sich welches Ergebnis?

Oppenheim, Pickstock und ihre Mitstreiter möchten ihr Projekt verwirklicht sehen. Dafür haben sie in den Wochen vor dem Entscheid noch einmal kräftig die Werbetrommel gerührt und eine PR-Agentur engagiert. Unterstützt werden sie von CSU und SPD im Aschheimer Gemeinderat sowie Bürgermeister Thomas Glashauser, obgleich dieser sich zuletzt lieber im Hintergrund hielt und die Informationspflicht den Initiatoren zuschob.

Die Freien Wähler haben sich nach anfänglicher Offenheit für das Projekt an die Spitze der Schlachthofgegner gestellt. Zu denen zählt neben zahlreichen Bürgern auch Altbürgermeister Helmut Englmann (CSU). Überregionale Tierschützer und Naturschutzverbände sowie der Kreisverband der Grünen sprechen sich klar gegen den Schlachthof aus. Auch der Gemeinderat von Kirchheim sowie einzelne Kommunalpolitiker aus Feldkirchen fordern zum Votum gegen den Bau auf. Einig sind sich alle Kommunalpolitiker in Aschheim in einem Punkt: Sie wünschen sich eine klare Entscheidung der Bürger. Nur dann dürften sich die Gräben, die in den vergangenen Monaten aufgerissen wurden, wieder zuschütten lassen.

Von der Stadt München gibt es bisher keine offizielle Stellungnahme. Es ist aber kein Geheimnis, dass das Schlachthofviertel ein hoch interessanter Baugrund ist, der zumal der Stadt gehört. Einen Umzug der Münchner Metzger aus der Innenstadt hinaus dürfte ein Großteil der Stadtspitze also grundsätzlich begrüßen.

Die SZ berichtet am Sonntagabend live über den Ausgang des Bürgerentscheids unter www.sz.de/muenchen, facebook.com/szmuenchen und twitter.com/SZ_Muenchen

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