Süddeutsche Zeitung

Haarer Kommunalpolitik:Ein Jobwechsel wirft Fragen auf

Die Gemeinde Haar genehmigt einem Arzt nachträglich eine Radiologie-Praxis, kurz darauf wird ein CSU-Gemeinderat dort Verwaltungsleiter. Während die SPD dahinter eine unzulässige Interessenverquickung vermutet, warnt die CSU vor unbewiesenen Anschuldigungen.

Von Bernhard Lohr, Haar

Ein Magnetresonanztomograph (MRT) ist ein wahres Wundergerät. Es macht Dinge tief im Körper sichtbar, die man allenfalls erahnen kann. In Haar hat sich um die Eröffnung einer Radiologie-Praxis, in der unter anderem so ein Apparat steht, ein nur schwer durchschaubarer lokalpolitischer Streit entwickelt, der am Dienstagabend im Bauausschuss des Gemeinderats seinen vorläufigen Höhepunkt erlebte: Peter Paul Gantzer von der SPD wollte in einer öffentlichen Anfrage zum einen geklärt wissen, warum trotz gegenteiliger Zusicherung bis heute nur Privatpatienten in der Praxis aufgenommen würden. Zum anderen warf Gantzer dem CSU-Gemeinderat Alois Rath vor, im Dezember bei der für die Genehmigung der Praxis entscheidenden Abstimmung befangen gewesen zu sein. Rath ist mittlerweile Verwaltungsleiter der Praxis.

Die neue Praxis in ehemaligen Geschäftsräumen an der Münchner Straße ist schon länger ein großes Thema in Haar. Sie schließt eine Lücke in der medizinischen Versorgung am Ort, ist hochmodern und so konzipiert, dass sich auch Patienten mit Platzangst Untersuchungen unterziehen können. All das und noch manch andere Vorteile für Haar führte der Inhaber Samer Ismail, der bereits im Hochhaus gegenüber eine Praxis betreibt, am 13. Dezember 2022 im Gemeinderat auf. Er kämpfte darum, für die angemietete Ladenfläche nachträglich eine Nutzungsänderung genehmigt zu bekommen, denn eine Praxis war in dem Gebäude gar nicht zulässig. Die Genehmigung ging durch, nicht zuletzt weil der Arzt breiten Bevölkerungskreisen wie etwa den Bewohnern im Maria-Stadler-Seniorenheim die Inanspruchnahme der Untersuchungsgeräte zugesagt hatte.

Gemeinderäte und Bürger gingen daher davon aus, dass die Untersuchungen auch Kassenpatienten offen stünden. Doch dann lief die Website der Praxis unter der Adresse privatkernspin-muenchenost.de und richtete sich ausdrücklich an Selbstzahler und Privatpatienten. Gesetzlich Versicherte könnten eine Kostenübernahme bei der Kasse beantragen, hieß es auf der Homepage. Zudem kamen auch Fragen auf zur Rolle von Gemeinderatsmitglied Alois Rath, der erst kürzlich aus seinem Job als Leiter des CSU-Bundestagswahlkreisbüros ausgeschieden ist und neuerdings als Verwaltungsleiter der Praxis firmiert. Hatte dieser Mitte Dezember bereits seinen neuen Arbeitsplatz in der MRT-Praxis in Aussicht? War er bei der Entscheidung im Dezember also befangen? SPD-Gemeinderat Peter Paul Gantzer zeigte sich am Dienstag im Gemeinderat davon überzeugt.

Er rügte das Verhalten Raths als Verstoß gegen die Gemeindeordnung. Danach könne ein Gemeinderat an Beratung und Abstimmung nicht teilnehmen, "wenn der Beschluss ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann". "Wäre die Nutzungsänderung nicht beschlossen worden, wäre Rath auch nicht Verwaltungsleiter geworden", so Gantzer. Die Nutzungsänderung habe Rath also einen Vorteil gebracht, "bei Ablehnung wäre es ein Nachteil für ihn gewesen." Es sei daher "unerfindlich, dass Rath trotz seiner langjährigen Erfahrung als Gemeinderat nicht auf seine Befangenheit hingewiesen hat, was er nach der Geschäftsordnung des Gemeinderats hätte tun müssen".

Gantzer spart auch nicht mit Kritik an Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU), der als Sitzungsleiter Rath gestattet habe, an der Beratung und Abstimmung teilzunehmen. "Es kann mir niemand erzählen, dass Bürgermeister und CSU-Fraktion die vorstehenden Tatsachen nicht gekannt haben." Bukowski sagte am Dienstag zu Gantzers Vorhaltungen, er wisse dazu nichts. CSU-Fraktionschef Dietrich Keymer warnte davor, "Betrachtungen in den Raum zu stellen, die nicht erwiesen sind". Dies drohe das "Erscheinungsbild des Gremiums" in der Öffentlichkeit zu beschädigen.

Verwirrung stiftete SPD-Gemeinderat Horst Wiedemann, der Patient bei Samer Ismail ist und sagte, er habe Alois Rath am Tag nach der entscheidenden Dezembersitzung in dessen Praxis angetroffen, wo dieser ihm von seinem neuen Job erzählt habe. Am Mittwoch korrigierte sich Wiedemann: "Da hab ich einen Fehler gemacht." Er sei am 18. Januar in der Praxis gewesen. Aber er sagte auch, er habe Ismael schon vor der Dezembersitzung empfohlen, sich an CSU-Gemeinderat Alois Rath zu wenden. Dieser sei vom Fach und in seinen Augen Befürworter einer MRT-Praxis in Haar. Samer Ismail erklärt dazu, er habe erst Ende Dezember, also nach der fraglichen Sitzung, Kontakt mit Rath aufgenommen, weil dieser wegen "seiner beruflichen Vita sehr viel Erfahrung in der Radiologie" mitbringe. Er, Ismail, habe sich schon seit Sommer 2022 damit beschäftige, einen Mitarbeiter für das Management mit Erfahrung im Bereich der Radiologie zu bekommen. Wegen der "hervorragenden fachlichen Expertise" habe er sich schließlich für Rath entschieden. Rath schildert es ebenso. Gemeinsam erklären beide, am 11. Januar den Arbeitsvertrag unterzeichnet zu haben. Am 15. Januar habe das Angestelltenverhältnis begonnen.

Peter Paul Gantzer ist bereit, vor Gericht einen Eid zu schwören

SPD-Mann Peter Paul Gantzer versichert dagegen, er habe bereits unmittelbar nach der Dezembersitzung von Raths Job-Wechsel erfahren. Direkt nach der Sitzung sei er auf diesen zugegangen. "Ich habe mit Herrn Rath gesprochen, persönlich", sagt Gantzer. Er habe diesen gefragt, ob es richtig sei, dass er als CSU-Kreisgeschäftsführer aufhöre und bei der MRT-Praxis anfange. Rath habe dies bestätigt. Darauf könne er "vor Gericht einen Eid schwören". Rath bestreitet das vehement. "Überhaupt nicht" habe er mit Gantzer geredet, sagt er: "Ich bin sofort heimgegangen."

Während in diesen Punkt also Aussage gegen Aussage steht und damit weiter Unklarheit herrscht, liegt Ismail zufolge seit 7. März die beantragte Kassenzulassung vor. Dass diese so zeitnah erfolgte, habe man unter anderem "Herrn Rath" zu verdanken. "Was uns allerdings noch fehlt, ist die Abrechnungsgenehmigung." Diese werde täglich erwartet. Erst dann könne man Kassenpatienten untersuchen.

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