Süddeutsche Zeitung

Artenschutz:Manche Vöglein sind schon da - andere gar nicht weggeflogen

Ornithologen und Naturschützer beobachten einen Wandel im Verhalten der Tiere. In vielen Fällen ist der Mensch daran schuld.

Von Marie Ludwig

Sie sind wieder da! Die Singvögel kehren aus ihren Winterquartieren zurück. So gesellen sich zu den hier überwinternden Meisen und Amseln auch wieder andere Piepmätze. Zum Beispiel der Zilpzalp. "Ich hab ihn endlich wieder seinen Namen singen gehört!", sagt Heinz Sedlmeier und freut sich über den Frühlingsboten. Sedlmeier ist Geschäftsführer des Landesbunds für Vogelschutz in München Stadt und Land und weiß, wie es um die Vogelbestände bestellt ist: "Früher waren Kleiber, Buntspecht und Gartenbaumläufer noch seltene Gäste - heute sind sie zahlreich bei uns vertreten." Insgesamt sind etwa 120 Vogelarten in München und nach Schätzungen auch im Landkreis beheimatet.

"Vor allem Naturschutzgebiete wie der Ismaninger Speichersee sind ideal zum Brüten geeignet", erklärt Manfred Siering von der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern. Hier können die Tiere geschützt leben - ohne jeglichen Einfluss von außen. Siering begeistert sich, seit er sechs Jahre alt ist, für die Vogelwelt. "Ich hab schon in der Schule lieber aus dem Fenster den Vögeln zugehört", sagt er. Heute ist Siering 69, lebt in Grünwald und setzt sich insbesondere für den Schutz der Vogelwelt ein.

Mountainbiker und Dobermänner vertreiben Wiesenbrüter

Denn eine Idylle wie am Ismaninger Speichersee herrscht nicht in allen Gegenden im Landkreis. "Neubauten und die Verkleinerung von Grünflächen sind ein ausgewachsenes Problem", erklärt er. Insbesondere die Arten der Fröttmaninger Heide sind vom Aussterben bedroht: "Bei schönem Wetter jagen die Mountainbiker und Dobermänner über den Kies - nicht ahnend, dass so Lebensräume zerstört werden." Siering spricht vom Schwarzkopfkehlchen und auch vom Steinschmäzer, der gewöhnlich in kargen Heidelandschaften zwischen Gesteinsbrocken brütet. Ihn gibt es in der Fröttmaninger Heide schon nicht mehr. Auch der Kiebitz ist aus dem Hachinger Tal verschwunden.

Laut Landesbund für Vogelschutz sind rund zehn Arten in den letzten 35 Jahren im Landkreis ausgestorben. 40 stehen bereits auf der Roten Liste. Deshalb mahnen Vogelschützer und auch das Landratsamt zu mehr Rücksichtnahme auf die Tiere. "Spaziergänger, Jogger und Gassi-Geher sollten mindestens bis Ende Juli auf befestigten Spazierwegen bleiben", so ein Sprecher des Landratsamts.

Beispielsweise bauen die vom Aussterben bedrohten Feldlerchen ihre Nester unmittelbar auf dem Boden von Wiesen - so auch in Taufkirchen. Nur allzu leicht können Nester übersehen und zertreten werden, und die Elterntiere werden bei zu viel Trubel um ihre Nester unruhig und verlassen im schlimmsten Fall sogar ihren Nachwuchs. Das Landratsamt rät deshalb vor allem, Hunde an die Leine zu nehmen.

Als Verbraucher könne man ebenso etwas für den Erhalt dieser Arten tun. "Am besten kauft man ökologisch hergestellte Lebensmittel - die Bauern spritzen keine Pestizide und machen weniger Arbeitsgänge auf ihren Feldern, wodurch die Tiere in Ruhe brüten können", erklärt Heinz Sedlmeier.

Gartenbesitzer können viel für Vögel tun

Im eigenen Garten lasse sich ebenfalls viel für die Vögel tun. "Die Blau- und die Kohlmeise sind Höhlenbrüter und freuen sich über Nistkästen", sagt Siering. Doch man brauche Geduld: "Manchmal dauert es ein oder zwei Jahre, bis ein Nistkasten belegt wird." Ein Brutkasten sei eben kein technisches Gerät, in das Batterien gesteckt werden und das direkt funktioniere. "Es muss ein bisschen verwittert sein und darf nicht neu und schon gar nicht nach Lack riechen." Vor allem chemische Stoffe seien für die Tiere ein Gräuel: "Keine Chemie!", sagt Siering, "die bringt nur den Tod in den eigenen Garten, zerstört die Insektenvielfalt und damit die wichtigste Nahrungsquelle der Vögel."

An überengagierte Gärtner appelliert er deshalb, etwas mehr Ruhe im Garten einkehren zu lassen. "Wenn ich jeden Tag mit dem Dampfstrahler und Laubsauger durch den Garten hantieren würde, dann wär' hier kein einziger Vogel zu sehen." Und die Unantastbarkeit der Gartenpflanzen ist sogar rechtlich geregelt. Paragraf 39 des Bundnaturschutzgesetzes zufolge darf von Anfang März bis Ende September nicht mehr an Bäumen und Hecken im Garten geschnippelt werden.

Exkursionen

Am Samstag, 30. April, können Interessierte zusammen mit der Bund-Naturschutz-Ortsgruppe Oberhaching eine Vogel-Radl-Wanderung unternehmen. Treffpunkt ist um 8 Uhr in Oberhaching an der Ecke zwischen Tisinstraße und Kybergstraße. Am Donnerstag, 5. Mai, bietet die Ortsgruppe in Garching eine Führung in die Lebensräume von Vögeln und Schmetterlingen an. Treffpunkt ist um 8 Uhr bei Giggenhausen. Am Samstag, 16. Mai, bricht die Ortsgruppe Grünwald um 6 Uhr zu einer Exkursion in die Vogelwelt in den Grünwalder Forst auf. Treffpunkt ist am Parkplatz des Walderlebniszentrums Sauschütt. In diesem Fall sollten sich Interessierte bei Manfred Siering per Mail an MSiering@t-online.de oder unter der Telefonnummer 089/625 33 59 anmelden. malu

Künstliche Nisthilfen sind kein Ersatz für die Natur

Doch es gibt immer wieder Ausnahmen - das beklagt auch der Bund Naturschutz in Grasbrunn. Dort wurden Ende März für einen Neubau in Neukeferloh zahlreiche Sträucher abgeholzt. Auf ihrer Webseite empört sich die Ortsgruppe: "Ohne Lebensraum - zum Beispiel für die Garten-Vögel - geht unsere Artenvielfalt immer weiter verloren." Künstliche Nisthilfen oder eine Fütterung der Tiere über sporadische Futterstellen seien kein Ersatz für diese Zerstörung. Für die Amsel sind Hecken beispielsweise die wichtigsten Nistplätze. Und die Sträucher dienen auch anderen Vögeln als Verstecke und wichtige Nahrungslieferanten.

Insbesondere durch die milden Winter ziehen immer weniger Vögel in den Süden und sind auf die Begrünung angewiesen. Beispielsweise haben viele Stare und der Hausrotschwanz den Weg in die Sonne dieses Jahr gar nicht mehr angetreten. "Die weite Reise lohnt sich für viele Vogelarten nicht mehr", erklärt Sedlmeier. Auch sein Frühlingsbote, der Zilpzalp, überwintert immer seltener in Afrika und bleibt inzwischen meist im Mittelmeerraum oder sogar in Südtirol.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2016/wkr
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