Artenschutz:Die Saat geht auf

Artenschutz: Blühwiesen wie hier am Straßenrand bei Kirchheim sollen Insekten als Rückzugsorte dienen - der Landkreis will auch die Landwirte animieren, solche Schutzbereiche an den Feldern anzulegen.

Blühwiesen wie hier am Straßenrand bei Kirchheim sollen Insekten als Rückzugsorte dienen - der Landkreis will auch die Landwirte animieren, solche Schutzbereiche an den Feldern anzulegen.

(Foto: Privat)

Landrat Christoph Göbel fordert von den Bürgern mehr Einsatz beim Artenschutz und will die Landwirte beim Aufbau von Blühstreifen besser unterstützen. In den Kommunen setzt sich das Thema Biodiversität immer mehr durch.

Von Iris Hilberth, Michael Morosow und Sabine Wejsada

Das Gremium, das genau an dem Tag im Landratsamt zu einer Sitzung zusammentrat, als das Ergebnis des Volksbegehrens zum Artenschutz bekannt gegeben wurde, trägt in seinem Namen schon all das, was damit zu tun hat: In kaum einem anderen Ausschuss als in dem für Energiewende, Landwirtschaft- und Umweltfragen treffen die verschiedenen Ansichten so deutlich aufeinander. Die Mitglieder nennen ihn zwar liebevoll "Elu", aber wenn - wie am vergangene Donnerstag - links vom Landrat die Grünen ein Kataster für Flächen fordern, die für Photovoltaik genutzt werden können, und rechts von Christoph Göbel die Landwirte in der CSU-Fraktion und bei den Freien Wählern sich mit solchen Vorschlägen in den Ruin getrieben sehen, werden die Fronten klar.

Was viele Landwirte von dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" halten, haben sie deutlich gemacht. Sie wollen nicht die Schuldigen am Artensterben sein und auch nicht alleine diejenigen, die etwas tun müssen. Und wenn Oliver Seth von den Grünen dann im "Elu" kritisiert, dass in seiner Gemeinde Straßlach-Dingharting ein Landwirt mit den Blühstreifen nicht so umgegangen sei wie das ökologisch vertretbar ist und sogar von Glyphosat spricht, dann kochen auf der Gegenseite bei Anton Stürzer (CSU), dem Kreisobmann des Bauernverbands, und bei Max Kraus (Freie Wähler) die Emotionen hoch.

Der Landkreis stellt wieder Saatgut zur Verfügung

Beide sind sich einig: Das kann nicht sein. Im Gegenteil, die Bauern würden bereits viel für die Artenvielfalt im Landkreis tun. Stürzer bedankte sich ausdrücklich für das Saatgut, das ihnen der Kreis im vergangenen Jahr zur Verfügung gestellt hat, um entlang der Felder Blühstreifen einzurichten. Das sei gut angenommen worden. Auch heuer hat der Kreistag wieder 20 000 Euro für das Projekt "Naturvielfalt Leben" in den Haushalt eingestellt, um die Biodiversität zu fördern. Landwirte, die Interesse haben, der Insektenwelt etwas Gutes zu tun, können sich also wieder vom Landratsamt die richtige Mischung zusammenstellen und vor allem auch bezahlen lassen.

Was aber, wenn durch den Erfolg des Volksbegehrens nun viel mehr Bauern das Angebot nutzen wollten, gab Stürzer zu bedenken. Und rechnete vor, dass das die Landwirte teuer kommen könnte, wenn der Kreis nicht zusätzlich Geld locker macht. 60 bis 70 Prozent der Kosten bekämen die Bauern aus den Topf des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm (KULAP). Auf den restlichen 30 Prozent blieben die Landwirte aber sitzen, pro Hektar mache das 150 Euro, so der Bauernobmann, der "einen Anreiz" vom Landkreis fordert. Landrat Göbel sieht kein Problem darin, allen interessierten Landwirten die Förderung zukommen zu lassen. Über den verabschiedeten Haushalt gehe das zwar nicht, "aber ich würde damit auf den Kreistag zukommen", versprach er.

Göbel sieht aber nicht nur die Landwirte in der Pflicht, einen Beitrag zur Biodiversität zu leisten. Explizit nannte er in der Sitzung auch die privaten Gartenbesitzer, die ihre Gärten zu Blühflächen machen müssten. Sie müssten nun auch die Frage beantworten, was sie auf ihren Flächen machten. "Ja, wir geben Saatgut an die Landwirte aus, und entlang der Maisfelder und Radwege konnte die Bevölkerung das auch sehr schön sehen, aber wir müssen auch die Bürger aufklären." Damit sprach Göbel so manchem Landwirt aus der Seele. Georg Lang aus Schäftlarn etwa sagte auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung: "Zuerst fahren sie mit dem SUV zum Rathaus zum Eintragen, dann fahren sie mit dem SUV zum Aldi und kaufen billig ein, dann fahren sie mit dem SUV zum Reisebüro und buchen einen Flug in die Karibik und auf dem Rückweg lassen sie den Hund aufs Feld scheißen."

Auch Unterföhring fördert Blühwiesen im Ortsgebiet

Manche Gemeinden wie Ismaning und Kirchheim stellen Landwirten und Gartenbesitzern seit einigen Jahren Saatgut zur Verfügung. Taufkirchen und Oberhaching säen auf ihren eigenen Kreisverkehren und Seitenstreifen. Auch die Gemeinde Unterföhring wird fortan Saatgut für Blühwiesen im Ortsgebiet fördern. Einen Antrag können Grundstückseingentürmer stellen, die ihren Garten oder ihre Freiflächen in einem Wohngebiet insektenfreundlich bepflanzen wollen. Mindestens 20 Quadratmeter groß muss das Areal sein, damit es Geld aus dem Rathaus gibt; für Grundstücke, deren Fläche einen Hektar überschreitet, wird kein Zuschuss bezahlt. Das hat der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen und damit eine Empfehlung aus dem Umwelt- und Energieausschuss bestätigt. Auf Anregung von SPD-Gemeinderätin Jutta Schödl soll die Verwaltung darüber hinaus prüfen, ob auch Grünflächen im Besitz der Kommune auf diese Weise gestaltet werden könnten. Pro Jahr kostet die Förderung Unterföhring zwischen 5000 und 800 Euro; das Vorhaben ist zunächst bis Ende 2021 befristet.

Auf Antrag der Agenda 21-Gruppe und auf Anregungen aus der Bevölkerung hatte der Umweltausschuss erst Ende November 2018 beschlossen, im Ort Wildblumenwiesen anzulegen. Eine Fläche von 5000 Quadratmetern soll von der Agenda gepflegt und für Feldforschung mit Kindern und anderen interessierten Gruppen vorgesehen werden, wie es aus dem Rathaus heißt. Die Kosten für das Saatgut, die Flächenvorbereitung und für eine Informationstafel trägt die Gemeinde.

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