Andreas Englberger reißt die beiden Flügel im Treppenaufgang im ersten Stock des alten Rathauses in Sauerlach schwungvoll auf. Sofort strömt nach dem kurzen, heftigen Gewitter, das nur wenige Minuten zuvor über der Gemeinde heruntergegangen ist, frische Luft in den Raum. „Aber es zieht auch ganz schön herein, wenn es geschlossen ist“, sagt der Leiter der Abteilung Technische Bauverwaltung. „Das ist einer der Kompromisse, den man eben machen muss.“ Denn überall sonst im generalsanierten Rathaus verhindern Doppelfenster, dass sich die Kälte oder auch Hitze den Weg in das aus dem Jahr 1876 stammende, ehemalige Schulgebäude bahnt. Aber genau hier an der Ostseite hin zur Münchener Straße befand sich schon immer ein einfaches Fenster – und das Denkmalamt bestand darauf, dass das auch so bleibt.
An diesem Samstag, 29. Juni, können sich Interessierte ein Bild davon machen, welche Kräfte das Zusammenspiel von Denkmalschutz, nachhaltigem Bauen, modernem Denken von Architekten – in diesem Fall des Münchner Architekturbüros SPP – und die Bedürfnisse einer Rathausverwaltung entfalten kann. Von 14 bis 16 Uhr kann das alte Rathaus im Rahmen der diesjährigen „Architektouren“ besichtigt werden; im Landkreis München sind zudem die Freianlage der integrativen Kindertagesstätte an der Dorfstraße in Ismaning, die neue Schulsporthalle in Aschheim und die Wohnanlage Raiffeisenlagerhausgelände in Feldkirchen Bestandteil der jährlich stattfindenden Präsentation von Architektur in ganz Bayern. Die Projekte werden von einem unabhängigen Beirat unter dem Dach der Bayerischen Architektenkammer ausgewählt.
Mit dem alten Rathaus in Sauerlach ist ein Gebäude dabei, das eine bewegte Geschichte hinter sich hat – und mit einem Schicksalsschlag verbunden ist. In der Nacht auf den 15. Januar 2021, ein Sonntag, bemerkte ein Mann auf dem Weg zur S-Bahn, dass aus dem Dachgeschoss Rauch aufstieg; er alarmierte sofort die Feuerwehr. Als die eintraf, kam es zu einer Durchzündung und der Dachstuhl stand sofort in Flammen. Bis in die Morgenstunden kämpften weit mehr als 100 Einsatzkräfte zahlreicher Feuerwehren aus der Umgebung gegen das Feuer, ehe es ihnen gelang, den Brand zu löschen. Am Vormittag dann der Schock: Im ersten Stock finden sie den 83-jährigen Maler Maximilian Seitz tot am Boden, zugedeckt von Schutt – der gebürtige Trostberger ist mit der Decke aus dem Dachgeschoss durchgebrochen, wo er wohnte.
Bis in die Gegenwart ist nicht geklärt, wodurch das Feuer ausgelöst worden ist. „Vier Sachverständige waren hier, aber keiner hat den Auslöser ermitteln können“, sagt Andreas Englberger. Er sitzt mit Jeanette Schaffert, der Bauamtsleiterin im Sauerlacher Rathaus, an dem riesigen Tisch im Aufenthaltsraum im ersten Stock, vor beiden steht eine Tasse Kaffee. Schaffert hat auf der anderen Seite des Flurs im ersten Stock seit vergangenem Jahr ihr neues Büro, sie war eine der ersten, die nach der Wiedereröffnung des alten Rathauses nach der Sanierung hier eingezogen ist. Es war kein beschwerlicher Umzug, nur ein paar Meter weit vom neuen Rathaus aus, mit dem das alte seit der Sanierung durch einen neu gebauten Übergang verbunden ist. Der weist eine leichte Schräge auf, da zwischen den beiden Gebäuden ein leichter Höhenunterschied überwunden werden musste. „Aber so ist jetzt auch das alte Rathaus barrierefrei, im neuen gibt es ja einen Aufzug“, sagt Schaffert. „Und es ist wahnsinnig hell, schön hell.“
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Außen erstrahlt das sanierte Gebäude in einem sanften Grün. „Auch das wollte das Denkmalamt, weil das alte Rathaus früher schon grün angestrichen war. Wir haben viele Töne ausprobiert, bis wir den richtigen hatten“, sagt Schaffert. Beim Betreten überrascht tatsächlich die Helligkeit in diesem alten Haus mit seinem dicken Gemäuer. Aus allen Zimmern dringt Licht durch die großen Fenster in den Treppenbereich mit seinem gleichermaßen imposanten und filigranen Aufgang, der von einem eleganten Geländer begleitet wird. Im Erdgeschoss liegt der Trausaal, der ebenfalls generalsaniert werden musste, weil er zu viel Löschwasser abbekam; bis auf eine tragende Mauer mussten alle erneuert werden. Angekommen im ersten Stock wird deutlich, das hier eine Arbeitsatmosphäre geschaffen worden ist, in der es sich aushalten lässt. Überall helles Holz, die etwa 2,20 Meter hohen strahlend weißen Wände werden oben von Glas begrenzt, sodass die Helligkeit förmlich durchströmen kann.
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Die beiden schönsten Räume aber befinden sich unter dem Dach, dort wo der Maler Maximilian Seitz bis zu seinem Tod mehr als vier Jahrzehnte lang lebte. Die Schrägen des Dachs verleihen den beiden exakt gleich großen Räumen links und rechts der Treppe etwas Erhabenes. Durch die Gauben erhascht man einen Blick nach draußen. Dass diese originalgetreu rekonstruiert werden konnten, ist einer glücklichen Fügung zu verdanken – beim Bauhof war noch eine eingelagert.
„Man versucht bei so einer Sanierung natürlich, so viel wie möglich zu erhalten“, sagt Englberger. „Aber Bauen im Bestand birgt große Herausforderungen. Du findest etwas, mit dem du nicht gerechnet hast und musst eine Lösung finden.“ So wie im Erdgeschoss. Dort waren zwei Öffnungen schon seit langer Zeit gleich von beiden Seiten zugemauert, beim Aufbrechen fand sich dazwischen tatsächlich ein alter Fensterrahmen, der an selber Stelle, freilich restauriert, wieder seinen Platz fand.
Die Mitarbeiter in der Sauerlacher Verwaltung haben nun im Alten und Neuen Rathaus mehr Platz als sie brauchen; denn bis zum Brand war im ersten Stock die Musikschule untergebracht. „Reserven für die Zukunft“, nennt das Englberger. Gekostet hat die Sanierung 4,2 Millionen Euro. Aber die Versicherung hat pünktlich bezahlt und 62 Prozent davon übernommen. Und auch der Denkmalschutz ist glücklich.
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Riegel an der Bahn
Es ist das größte Projekt, das man in Feldkirchen jemals angegangen ist – das betont Bürgermeister Andreas Janson (Unabhängige Wählervereinigung) immer wieder: In knapp drei Jahren entstand auf dem ehemaligen Raiffeisengelände direkt an der Bahnlinie für gut 31 Millionen Euro eine Anlage mit 79 Wohnungen, davon zwei Wohngemeinschaften für jeweils zehn Senioren. Im Juli 2023 sind die ersten Mieter eingezogen.
Entworfen wurde das Projekt vom Münchner Architekturbüro Felix und Jonas. Die Anlage besteht aus drei Gebäuden, gestrichen in Weiß und einem warmen Rotton. Sie sind so geplant, dass sie sich in die Umgebung einfügen: Im Norden des Grundstücks schützt ein sechsstöckiges Haus den Innenhof und die weiteren Gebäude vor dem Lärm der angrenzenden Bahn. Die beiden gegenüberliegenden Häuser sind ein bis zwei Stockwerke niedriger, damit sie sich an die benachbarte Wohnbebauung anpassen. Besichtigt werden kann die Wohnanlage am Samstag, 29. Juni, von 12 bis 13 Uhr.
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Sporthalle im Grünzug
Normalerweise bringen vor allem ausgefallene Entwürfe einem Architekten Aufmerksamkeit. Doch manchmal geht es auch darum, ein Gebäude so zu planen, dass es nicht zu sehr auffällt und sich gut in die Umgebung einfügt. Der Planungsgruppe Heilmaier ist das bei der neuen Sporthalle der Kelten-Grundschule in Aschheim gelungen: Schonend wurde der Bau in einen Grünzug integriert. Die Halle ist umgeben von Bäumen, auf die man beim Sporteln durch eine große Fensterfront blickt.
Eine weitere Herausforderung war laut Architekt Markus Heilmaier, das große Raumprogramm und Bauvolumen städtebaulich geschickt unterzubringen. Die Halle ist teilweise in der Erde versenkt: Die Sportflächen befinden sich im Souterrain und werden durch die ebenerdige Fensterfront mit Tageslicht versorgt. Daher wirkt der Bau, obwohl er innen geräumig ist, von außen nicht wuchtig. Die Besichtigung ist am Sonntag, 30. Juni, von 15 bis 16.30 Uhr möglich.
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Moderne Kita im Altbau
Seit 50 Jahren schon werden an der Dorfstraße in Ismaning Kinder betreut. Das Alter war dem Gebäude irgendwann anzusehen. Es komplett abzureißen, kam aber für die Gemeinde aus Klimaschutz-, Zeit- und Kostengründen nicht infrage. Man entschied sich für eine grundlegende energetische Sanierung und eine räumliche Erweiterung.
Im vergangenen Dezember konnten die Kinder einziehen. Ein neuer Anbau mit begrüntem Flachdach bietet zusätzlichen Platz: Insgesamt acht integrative Gruppen können betreut werden. Geplant wurden die mit Holzverschalung verkleideten Bauten vom Münchner Architekten Markus Zimmermann. Bei den Freianlagen, gestaltet vom Landschaftsarchitekturbüro Stautner und Schäf, wurde ein Augenmerk auf den Erhalt des alten Baumbestands gelegt. Die Kita-Gebäude können am Samstag, 29. Juni, von 10 bis 11 Uhr sowie von 13 bis 14 Uhr besichtigt werden, die Freianlagen von 11 bis 12 Uhr sowie von 14 bis 15 Uhr.