Archäologische Entdeckung:Altes Trumm aus dem Hofoldinger Forst

Brunnthal Lappenbeil

Ein besonderer Fund: ein Beil aus der Bronzezeit - aus dieser Epoche gibt es in der Region wenige Zeugnisse.

(Foto: privat)

Zwei Sondengänger haben im Hofoldinger Forst bei Brunnthal ein Beil aus der Bronzezeit gefunden - eine Seltenheit in dieser Gegend.

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Es war ein sonniger Oktobertag. Einer wie geschaffen dafür, mal wieder was mit dem alten Freund aus Kindertagen zu unternehmen. Norbert Loy und Hans Riesenthal kennen sich seit der Schulzeit und stellten fest, als sie sich nach Jahren wieder trafen, wie viel sie verbindet. Beide hält es nicht lange an ihren Schreibtischen. Sie sind neugierig, historisch interessiert und ziehen nur zu gerne durch die Wälder.

Also telefonierten sie und trafen sich am Nachmittag mit ihren Metalldetektoren am Rand des Hofoldinger Forsts. Keine halbe Stunde später machten sie den Fund, der sie nicht mehr loslässt, der Archäologen begeistert und spannende Fragen aufwirft. "Da öffnet sich ein weites Feld der Spekulation", sagt Kreisheimatpfleger Alfred Tausendpfund.

Auf die Jahre 1050 bis 1200 vor Christus wird das Beil datiert

Es ist ein Glücksfall, ein reiner Zufallsfund, wie die Archäologen sagen. Die beiden Männer stießen beim Gang durch den Hofoldinger Forst auf ein Lappenbeil aus der Bronzezeit. Auf die Jahre 1050 bis 1200 vor Christus wird das Werkzeug nach der Machart datiert, das den Metalldetektor von Hans Riesenthal an diesem Oktobertag anschlagen ließ.

Die beiden Männer gingen auf die Knie und begannen zu graben. 30 Zentimeter unter der Erdoberfläche stießen sie auf das zehn Zentimeter große, gut erhaltene Metallteil, das ein unbekannter Vorfahre vor 3000 Jahren dort verloren haben könnte. "Wer hat das in der Hand gehabt?", fragt sich Norbert Loy. Ihn fasziniert die Vorstellung, über das Fundstück mit den Menschen aus der Bronzezeit in Kontakt zu treten.

Dabei hatte er es nicht darauf abgesehen. Überhaupt nicht. Und Hans Riesenthal grenzt sich im Gespräch auch ganz schnell und deutlich von berüchtigten Sondengängern ab, die gezielt in der Hoffnung auf Beute archäologische Fundstellen absuchen und damit viel zerstören. "Ganz, ganz wichtig", sagt Riesenthal, "man hat sich an Spielregeln zu halten". Und die haben er und Norbert Loy beachtet, der als Archivar der Gemeinde Brunnthal auch um die Bedeutung historisch, archäologischer Beweissicherung weiß.

Die ehrlichen Finder bringen das Beil zur Archäologischen Staatssammlung

Sie hatten ihre Tour bei den Behörden angemeldet und brachten das sogenannte Lappenbeil, das wegen der für die frühe Bronzezeit typischen, den Schaft bildenden Metalllappen so genannt wird, in die Archäologische Staatssammlung. Heiner Schwarzberg ist dort der Fachmann in der Abteilung Vorgeschichte.

Mit den Findern, die mittlerweile vertraglich geregelt zu 50 Prozent Eigentümer des bronzezeitlichen Werkzeugs sind, steht er in engem Kontakt. Man tauscht sich aus. "Es ist ein interessanter Fund", sagt er, "weil es in der näheren Umgebung im Hofoldinger Forst nicht allzu viel gibt".

Brunnthal, Rathaus, Archiv,

Gemeindearchivar Norbert Loy (links) und sein Schulfreund Hans Riesenthal haben schon viel gefunden im Hofoldinger Forst.

(Foto: Angelika Bardehle)

Spannend ist die Entdeckung vor allem auch, weil sie ein Fenster in eine Zeit öffnet, die weitgehend im Dunkeln liegt. Wenn über frühe Zeugnisse der Besiedlung im Münchner Raum gesprochen wird, dann geht es meist um das frühe Mittelalter, konkret auch um die für Lokalhistoriker so wichtige erste Erwähnung eines Orts, die in Schenkungsurkunden von Weilern aus dem achten bis zwölften Jahrhundert gefunden werden. Der Name "Brunnthal" steht zum ersten Mal in einer Schenkungsliste von Kaiser Heinrich IV. aus dem Jahr 1073.

Auf ältere Besiedlung in der Bajuwarenzeit im sechsten Jahrhundert weist das dafür typische auf "-ing" endende Hofolding hin. Weiter zurück weist die Römerstraße, die schnurstracks durch den Hofoldinger Forst führt. Doch derjenige, der das Lappenbeil vor Norbert Loy und Hans Riesenthal zuletzt in der Hand hielt, lebte noch einmal 1200 Jahre früher.

Ein Fund, der weit zurückführt in die Geschichte des Landkreises München

Spuren aus dieser Zeit sind im Hofoldinger Forst rar. Es gibt bei Otterfing nahe der Autobahn Brandgräber aus der auch als Urnenfelderzeit bezeichneten Epoche und einen vorgeschichtlichen Grabhügel. Dinge, die vor Jahrzehnten beim Autobahnbau zutage traten. Aber sonst, sagt Archäologe Schwarzberg, der das Lappenbeil derzeit bei sich im Institut liegen hat, sei dieser Raum archäologisch "Terra incognita".

Und in dieser waren Norbert Loy und Hans Riesenthal mit ihren Metalldetektoren auch nicht unterwegs, um Relikte aus vorgeschichtlicher Zeit zu suchen. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs machten die Nationalsozialisten nahe der Autobahn bei Brunnthal einen Feldflugplatz auf. Auch mehrere Exemplare der Messerschmitt Me 262, des ersten in Serie gebauten Militär-Düsenjets, standen dort in der Wiese. Reste dieser Flugzeuge, eine Menge an Aluminiumteilen, füllen eine ganze Kiste im Archiv, das Loy im Brunnthaler Rathaus aufbaut. Loy und Riesenthal fanden 100 Jahre alte Münzen, Kronkorken und anderes achtlos weggeworfenes Zeug. Wo sie entlang gingen, sei der Wald jetzt von Müll befreit, sagen sie scherzhaft.

Die Region um München war schon um 1200 vor Christus dicht besiedelt

Und dann so etwas. Zunächst wussten sie gar nicht, was sie in der Hand hielten. "Für mich war es überhaupt nicht klar", sagt Loy, "ich habe gedacht, das ist ein altes Trumm". Was beide aber "stutzig gemacht hat", sagt Riesenthal, war, dass es sich um Messing handelte. Tatsächlich ist das Beil nicht mehr vollständig erhalten, der so genannte Lappen, also die Schäftung, an der der Stiel des Werkzeugs befestigt war, fehlt. Sie wurde womöglich abgeschlagen, um das Werkzeug gezielt unbrauchbar zu machen. Es könnte vorgesehen gewesen sein, es einzuschmelzen, sagt Archäologe Schwarzberg. Rohstoffe wurden schon damals wiederverwertet.

Es gibt einiges, was damals mit heute verbindet. Die Menschen der Urnenfelderzeit, die danach benannt ist, dass in dieser Epoche die Toten verbrannt und in großen Friedhöfen in Urnen beigesetzt wurden, lebten in der voralpinen Schotterebene als Ackerbauern und Viehzüchter und betrieben in begrenztem Maß schon Handel.

Solche Lappenbeile waren um 1200 vor Christus Universalwerkzeuge. Ähnlich wie die Äxte heute. Sie wurden eher nicht als Waffen verwendet. Da gab es Schwerter und Lanzen. Vielmehr dienten sie zum Fällen von Bäumen, was trotz des weichen Metalls relativ gut funktionierte. Bewiesen haben das Experimental-Archäologen. Bei einem Treffen in einem Wald bei Ergersheim in Mittelfranken zeigten sie, wie mit solchen Lappenbeilen eine 30 Zentimeter dicke Eiche innerhalb von zweieinhalb Stunden gefällt werden konnte.

Spuren aus der Urnenfelderzeit gibt es etwa in Aschheim und Oberhaching

Klima und Vegetation glichen Schwarzberg zufolge den Verhältnissen heute. Der heutige Ballungsraum um München war damals schon recht dicht besiedelt, was infolge der durch den Siedlungsdruck gestiegenen Bautätigkeit seit den Achtzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts mehr und mehr deutlich wurde. Viele Bodendenkmäler kamen zum Vorschein.

Das Landesamt für Denkmalpflege dokumentiert dies alles. "Gerade bei den großen Flächengrabungen wie in Aschheim gab es sehr, sehr viele Befunde", sagt Denkmalpfleger Christian Later. Glücklich ist er darüber nicht unbedingt. Die Erkenntnisse über die Siedlungsstruktur dieser Zeit seien zwar gewachsen, doch jedes ausgegrabene Fundstück sei auch eine Zerstörung, sagt Later. Am liebsten sei ihm, wenn die Dinge im Boden blieben. Er sei in erster Linie Denkmalschützer, sagt er.

Hofolding, Hofoldinger Römerstraße/Serie

Bisher war keiner der Funde der Sondengänger im Hofoldinger Forst so alt wie das Beil.

(Foto: Angelika Bardehle)

Jedenfalls fanden sich bis heute aus der Urnenfelderzeit um 1200 Siedlungsspuren in Aschheim, Ober- und Unterhaching sowie in Germering. Je weiter man Richtung Starnberger See kommt, desto dichter werden die Fundstätten. Bestattungen im größeren Stil gab es in Grünwald. Richtung Süden findet sich eine Siedlung im Mangfallbogen, weitere Siedlungsspuren gibt es westlich von Feldkirchen-Westerham.

Der Freisinger Domberg und der Bogenberg in Straubing waren zu der Zeit größere, befestigte Orte. Über kleinere Dörfer aber, sagt Schwarzberg, wisse man wenig, die seien verschwunden, unter Ackerflächen und Siedlungen. "Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, dass es viel, viel mehr gegeben hat." Kreisheimatpfleger Tausendpfund verfolgt mit Spannung, wie sich die wachsende Zahl an Einzelfunden langsam "zu einem Gesamtbild fügt".

Die Vermutung sei da und dort zur Gewissheit geworden, dass frühmittelalterliche Siedlungen auf älteren Strukturen aufbauten. Doch es bleiben viele Fragen: Gab es dort damals schon Wald? Existierten dort Siedlungen? War die Römerstraße durch den Hofoldinger Forst vielleicht schon ein Handelsweg der Bronzezeit?

Was waren die Besitzer des Beils für Menschen?

Norbert Loy und Hans Riesenthal machten den Zufallsfund in einem Gebiet, in dem nichts darauf hindeutete. Es gibt keinen Kontext, der erklären könnte, was es mit dem Beil auf sich hat. Keine Viereckschanze, kein Gräberfeld liegt in der Nähe. Jemand könnte das Beil vor 3000 Jahren dort vergraben oder verloren haben. Möglich wäre auch, sagt Archäologe Schwarzberg, dass es in späterer Zeit mit Abraum von anderswo dort hingelangt ist. Von weit her sei es aber wohl nicht gekommen. Riesenthal sagt, "es vergeht fast kein Tag, an dem man sich nicht denkt: Was waren das für Typen, was waren das für Menschen?"

Archäologe Heiner Schwarzberg will das relativ gut erhaltene, noch mit Legierung versehene Lappenbeil demnächst unters Mikroskop legen und schauen, was für Spuren er noch findet; ob der Lappen etwa tatsächlich abgebrochen wurde. Irgendwann soll es dann wieder nach Brunnthal kommen, um im Rathaus womöglich ausgestellt zu werden. Dort gehöre es hin, sagt Schwarzberg. "Es ist Teil der Identität der Menschen dort."

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