Arcade Fire in München:Feuer im Vorort

Die akustisch raffinierten "Arcade Fire" haben im Zenith gespielt - Münchens Bühne, auf der die Musik jedes noch so großen Genies hoffnungslos absäuft. Doch genau da sind die Kanadier richtig.

Lisa Sonnabend

Sie saugt einen ein. Sie übernimmt die Kontrolle. Sie verschlägt die Sprache. Das Herz kribbelt, der Kopf hört auf zu grübeln, ein wohliges Gefühl erfasst den Körper. Die Musik von Arcade Fire aus dem kanadischen Montréal ist einzigartig, bombastisch, orchestral - manche finden gar sakral. Als folkigen Indie-Rock kann man sie ganz nüchtern beschreiben, hören muss man sie selbst.

Arcade Fire Perform in Concert in Madrid

Arcade Fire sind auf Tour: Vergangene Woche spielten sie in Madrid, wo dieses Foto aufgenommen wurde. Am Sonntagabend spielten sie in München.

(Foto: Getty Images)

Am Sonntagabend hat sich in München die Gelegenheit dazu geboten. Allerdings nur für diejenigen, die sich rechtzeitig um Tickets gekümmert haben. Das Konzert im Zenith ist seit langem ausverkauft.

Der Song, der einen zuerst einsaugt, heißt "Ready to start". Eine persönliche Begrüßung von Sänger Win Butler, seiner Ehefrau Régine Chassagne oder einem der anderen Musiker auf der Bühne ist nicht nötig. Doch auch die Songs, die folgen, ziehen in den Bann: das punkige "Month of May", das folkige "Wake Up" oder das discohafte "We Used To Wait".

Die acht Musiker auf der Bühne spielen Gitarre, Piano, Akkordeon, trommeln, rasseln oder geigen. Mit überschwänglichem Körpereinsatz. Ein wuchtiger, imposanter Song jagt den anderen. Und darin ist der vielleicht einzige Kritikpunkt an diesem Abend zu finden: Arcade Fire gewähren ihrem Publikum in den 90 Minuten keine Pause.

Die meisten Lieder stammen von der neuen Platte "The Suburbs" - dem dritten Album, das Arcade Fire in ihrer achtjährigen Bandgeschichte veröffentlicht haben. Es ist das vielseitigste. Nur das Thema ist bei den meisten Songs dasselbe: Es geht um die Jugend in der Vorstadt, die geprägt ist durch verschwendete Stunden, vertane Chancen und manchmal durch das pure, jedoch damals noch nicht wahrgenommene Glück.

Die Platte hat autobiographische Züge. Den Song "The Suburbs" kündigt Win Butler an: "Das Lied ist über Houston, Texas." Seine Heimat. Darin heißt es: "In the suburbs I learned to drive. And you told me we'd never survive. Grab your mother's keys we're leavin'." Schnapp' dir den Autoschlüssel von deiner Mutter - wir verschwinden!

Und plötzlich wird auch klar, warum die akustisch raffinierten Arcade Fire im Zenith spielen müssen, Münchens Bühne, auf der die Musik jedes noch so großen Genies hoffnungslos absäuft. Das Zenith liegt am Rande von Freimann, einer Vorort-Szenerie in München.

Auf dem Weg von der U-Bahn in die Konzerthalle findet man genau den Rahmen für das Album vor: Wohnungen in hohen Betonbauten, klapprige Autos auf den Parkplätzen, leerstehende Hallen. Es ist kalt - und dann fängt es auch noch an, ohne Unterlass zu schneien. Trostlos aber ist das keineswegs. Es ist einzigartig.

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