Meist führen die Betroffenen eine Art Doppelleben. Nach außen hin treten sie als gut geerdete und ordentliche Menschen auf, die kaum etwas aus der Ruhe bringen kann. Tief im Inneren aber läuft es nicht rund: Sie haben Sorgen und Nöte und verschanzen sich in ihren eigenen vier Wänden, wo sich Kartons und Altpapier stapeln, im schlimmsten Fall auch Mülltüten und Essensreste, die Ungeziefer anlocken können und unangenehme Gerüche erzeugen, die Nachbarn stören.
Wer seine Wohnung vermüllt und zustellt, sodass man fast nicht mehr eintreten kann, der hat ein Problem. Laut dem Deutschen Ärzteblatt leben nach Schätzungen von Selbsthilfegruppen mehr als 1,8 Millionen Menschen in Deutschland mit dem "Messie"-Syndrom. Das äußere Chaos sei zumeist Ausdruck einer psychischen Erkrankung, heißt es. Früher sei das Phänomen vor allem bei älteren Menschen beobachtet worden, inzwischen habe man jedoch festgestellt, dass die meisten Betroffenen zwischen 40 und 50 Jahre alt sind.
Im Landkreis München kümmert sich nun die Wohnungsnotfallhilfe (FOL) der Arbeiterwohlfahrt um Betroffene. Oft wird ein Messie-Dasein erst bei drohendem Wohnungsverlust in der präventiven Arbeit von den Bediensteten entdeckt, wie im Jahresbericht des Awo-Kreisverbandes zu lesen ist. So habe man eine gut gekleidete Person erlebt, die in einem Bankhaus angestellt war - und plötzlich die Kündigung der Wohnung befürchten musste. Der Grund: Der Betroffene habe den Heizungsableser nicht in die Wohnung gelassen. Erst nach einigen überwundenen Hürden hätten die Awo-Mitarbeiter die Wohnung betreten können und das eigentliche Problem erkannt: alles vermüllt und zugestellt.
Betroffene leiden dem Wohlfahrtsverband zufolge selbst sehr darunter, können die Selbstregulationsschwäche, die vom zwanghaften Sammeln über Hygienemängel bis zur totalen Vermüllung führen kann, aber nicht mehr ausgleichen. Und benötigen professionelle Unterstützung. Dafür sei eine pädagogische Begleitung unumgänglich, "damit der scheinbare Schutzraum aufgebrochen werden kann", so die Awo.
Ein reines Entmüllen der fraglichen Wohnung könne sogar lebensbedrohliche Folgen haben. Deshalb versuche die Wohnungsnotfallhilfe präventiv, den Verlust des Zuhauses mit fachlich fundierter Unterstützung zu verhindern. "Wir wollen dem Messie verdeutlichen, dass er es wert ist, die Herausforderung aufzunehmen, um langfristig nicht mehr ein Doppelleben leben zu müssen", findet Conny von Reinhardstoettner, die bei der Arbeiterwohlfahrt im Landkreis München das Projekt Messie-Syndrom in der Wohnungsnotfallhilfe verantwortet. Betroffene und Pädagogen stünden dabei vor organisatorischen Herausforderungen: So gelte es zu klären, wer die Kosten für die Räumung übernimmt, wo das Angesammelte entsorgt werden kann. Und: Es sei Fingerspitzengefühl gefragt, so die Awo.
Weitere Informationen zum Messie-Syndrom in der Wohnungsnotfallhilfe gibt es per E-Mail an uw@awo-kvmucl.de