Süddeutsche Zeitung

Arbeit:Integration beginnt mit Ausbildung

Durch eine Initiative von Staatsregierung und Wirtschaft finden junge Flüchtlinge Arbeit - so bei der Firma Linde in Pullach

Von Anna Majid

Es brummt und zischt in der Produktionshalle für Plattenwärmetauscher der Firma Linde in Pullach. Groß und hell beleuchtet ist die Produktionsstätte, in der Aluminiumstreifen zu Wärmetauschermodulen verarbeitet werden. In einem der vielen Arbeitsschritte durchlaufen die Streifen eine Reinigungsanlage. Für das Bedienen und die Wartung dieser Anlage ist der 34-jährige Ahmad Alyasin verantwortlich. 2017 ist der Syrer aus Damaskus nach Deutschland geflohen. Als einer von bisher etwa 90 Arbeitskräften wurde er im Rahmen der Initiative "Integration durch Ausbildung und Arbeit" (IdA) an den Konzern Linde vermittelt, zunächst als Praktikant. Anfang März vorigen Jahres wurde Alyasin als Produktionshelfer übernommen. "Mein Leben hat sich durch die Arbeit bei Linde verändert", sagt er heute.

2015, zu Beginn der Flüchtlingskrise, wurde IdA von der bayerischen Staatsregierung gemeinsam mit der Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit und den Organisationen der bayerischen Wirtschaft ins Leben gerufen. Man habe schnell gemerkt: Um die Krise zu bewältigen und möglichst viele Geflüchtete zu integrieren, müsse man "gemeinsam agieren", erzählt Christof Prechtl, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Bisher seien insgesamt 89 000 Arbeitskräfte vermittelt worden. "Damit hat am Anfang niemand gerechnet", sagt Prechtl.

Für den Erfolg sind laut Prechtl drei Dinge maßgeblich gewesen: Dass die Flüchtlinge Deutsch und auch die deutsche Kultur kennenlernen, die Vorbereitung auf die jeweilige Arbeitsstelle und die aktive Begleitung der Teilnehmer durch sogenannte Navigatoren. Diese sind bereits in der Vermittlung aktiv: Die Unternehmen wenden sich mit ihren Anforderungen an die Navigatoren, die dann in einem breiten Netzwerk aus Helferkreisen, Jobcentern und Bildungseinrichtungen ähnlich wie ein Headhunter nach passenden Arbeitskräften suchen. Vorzug hätten diejenigen mit einer hohen Bleibewahrscheinlichkeit, "um den Firmen Verlässlichkeit zu geben", erklärt Prechtl. Danach betreuen die Navigatoren die Geflüchteten nach Bedarf weiterhin, beispielsweise bei Behördengängen.

Der Technologiekonzern Linde stellt seit 2016 Flüchtlinge, die durch IdA vermittelt werden, als Praktikanten ein. Das Unternehmen hat dadurch in Zeiten des Fachkräftemangels die Chance, potenzielle Mitarbeiter kennenzulernen. Außerdem habe man als großes Unternehmen auch eine gesellschaftliche Verantwortung, sagt Jürgen Nowicki, Geschäftsführer von Linde Engineering: "Integration ist nur durch Integration in Arbeit möglich." Neben den Praktika habe man zudem 14 Ausbildungsplätze für Flüchtlinge geschaffen.

Einer, der seine Ausbildung als Fachkraft für Metalltechnik bei Linde bereits abgeschlossen hat, ist der 23-jährige Morteza Hossini aus Kabul, Afghanistan. Obwohl er erst 2015 nach Deutschland gekommen ist, spricht der junge Mann beinahe fließend deutsch. Besonders an die Sprache - sein Deutschlehrer habe Bayrisch gesprochen - und die deutsche Pünktlichkeit habe er sich gewöhnen müssen, erzählt er schmunzelnd. Auch die Wohnungssuche sei nicht einfach gewesen, aber "Linde hat mir geholfen. Ich bin sehr dankbar", sagt Hossini.

Bisher haben lediglich drei der 14 Flüchtlinge die Ausbildung abgeschlossen. Die Gründe dafür sind laut Ausbildungsleiterin Gabriele Engl vielfältig: Für manche sind die Anforderungen zu hoch, andere brechen ab. Insgesamt ist die Vermittlungsquote der von IdA initiierten Projekte aber hoch: Bei "IdA 2.0", dem jüngsten Projekt, an dem auch Linde teilgenommen hat, lag sie bei etwa 45 Prozent. Sowohl Teilnehmer als auch Initiatoren ziehen eine positive Bilanz.

Die neuen Mitarbeiter seien eine große Bereicherung, sagt Günther Mathe, Leiter der Plattenwärmetauscherproduktion. Auch Engl ist zufrieden mit ihren Schützlingen: "Die ganze Belegschaft hat von ihnen gelernt", sagt sie. Seitdem die Geflüchteten Teil des Teams sind, gebe es eine bessere Verständigung und Offenheit.

Hossini konnte unter den Kollegen sogar neue Freunde finden. Man gehe in der Freizeit zusammen Fußball spielen, berichtet er. Alyasin habe derzeit wenig Zeit für Hobbys - nicht etwa wegen der Arbeit, sondern weil zu Hause sein zehn Monate altes Kind auf ihn wartet, erzählt er stolz. Frau und Kind seien 2017 nach Deutschland nachgezogen. Durch seinen Job bei Linde ist er finanziell unabhängig und kann für seine Familie sorgen.

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Quelle:
SZ vom 12.04.2019
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