Anton Hofreiter, seit Jahren einer der bekanntesten und profiliertesten Politiker der Grünen, bekommt es vor der Bundestagswahl überraschend mit einem parteiinternen Konkurrenten zu tun. Der weitgehend unbekannte Kommunalpolitiker Karsten Voges aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn macht dem Bundestagsabgeordneten aus Unterhaching die neuerliche Nominierung als Direktkandidat im Wahlkreis München-Land streitig. Der 45-jährige IT-Unternehmer hat am Freitag angekündigt, sich bei der Nominierungsversammlung am 23. November bewerben zu wollen. Mit seiner Kandidatur stehe er für „Zuversicht“ und einen „Neustart“.

Der Kontrast zu Hofreiter, der in seinen Rollen als Verkehrspolitiker, Fraktionsvorsitzender und zuletzt vehementer Verfechter von Waffenlieferungen an die Ukraine seit Jahren eine feste Größe im Berliner Politikbetrieb ist, könnte kaum größer sein. Voges ist politisch selbst im Landkreis München ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Er war 2020 Bürgermeisterkandidat der Grünen in Höhenkirchen-Siegertsbrunn und ist dort seither Mitglied im Gemeinderat.
Sein politischer Horizont reicht aber weit über das Kommunale hinaus. Voges berät als Digitalisierungs- und KI-Experte die Europäische Kommission und war mehrmals in dieser Funktion Gast im Wirtschaftsministerium und im Bundestag. Dort begegnete er unter anderem der Staatssekretärin Franziska Brantner, einer engen Vertrauten von Wirtschaftsminister Robert Habeck und mittlerweile designierten Bundesvorsitzenden. Diese, schildert Voges das Treffen, habe damals gesagt, es bräuchte mehr Leute wie ihn in der Politik. Das habe ihn grundsätzlich motiviert, sich mehr in die Bundespolitik einzuarbeiten. Jetzt habe er sich entschlossen, den nächsten Schritt zu machen. „Ich will es, ich trete an, für das, wofür ich brenne“, teilt Voges mit, „nicht pro forma“.
Karsten Voges stammt aus Karlsruhe und lebt mit Familie und drei Kindern seit Jahren im Münchner Süden. 1997 trat er den Grünen bei, gehörte dem Landesvorstand der Grünen Jugend an und dem Kreisvorstand der Grünen in Karlsruhe-Land. Als Diplom-Informatiker beriet er sechs Jahre lang Unternehmen in den USA. Heute hat er seine eigene Beratungsfirma.
Künstliche Intelligenz ist nach seiner Ansicht ein „existenzielles Thema“, das die Politik nicht ausreichend auf dem Schirm habe. Das gelte für alle Fraktionen. KI bedrohe Demokratie und Bürgerrechte und nach Überzeugung mancher sogar die Menschheit. Bei den Themen Klima, Umweltschutz und Ukrainekrieg ist Voges nach eigenen Worten auf Linie der Grünen.
Mit seiner Kandidatur überrascht der 45-Jährige die eigene Partei. So etwas sei bei den Grünen „aber nicht unüblich“, sagt Marion Seitz, die Sprecherin des Kreisverbands. Anton Hofreiter selbst sagt, „wir Grünen legen viel Wert auf Basisdemokratie, da ist es üblich, dass die Mitglieder zwischen mehreren Kandidat*innen wählen können.“ KI und Digitalisierung, auf die Voges hinweise, spielten eine immer größere Rolle in unserer Gesellschaft. „Wir Grüne hätten uns da viel mehr Fortschritt in der Ampelregierung gewünscht. Leider war das mit der FDP nicht möglich.“