An der Isar:Wilder Wald als CO₂-Speicher

Gauting Würmtal Naturwaldreservat

In Naturwaldreservaten werden keine Bäume entnommen, auch Totholz bleibt liegen.

(Foto: Georgine Treybal)

Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund will 72 Hektar nicht mehr bewirtschaften, sondern der Natur überlassen. Das soll nicht nur der Artenvielfalt zugute kommen, sondern auch dem Klimaschutz

Von Michael Morosow, Pullach

Es liegt 42 Jahre zurück, dass im Landkreis München auf der Geuderleite bei Baierbrunn ein Naturwaldreservat ausgewiesen wurde. Wenige Kilometer flussaufwärts soll nun ein weiteres entstehen. Die Gemeinde Pullach will ihren knapp 75 Hektar großen Hang- und Schluchtwald an der Isar, den sie erst vor einem Jahr vom Kraftwerksbetreiber Uniper erworben hat, künftig nicht mehr bewirtschaften, sondern der Natur überlassen. Ausschließlich ökologische Erwägungen spielen dabei eine Rolle. "Ein Stück unberührte Waldnatur in Pullach, das ist mein Ziel", hat Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) in ihrem wöchentlichen Bürgerbrief im Isaranzeiger den Lesern mitgeteilt.

An diesem Dienstag, 24. November, steht die Umwidmung des Waldstücks im Umweltausschuss zur Diskussion, wobei die Fraktionen schon im Vorfeld der Sitzung ihre grundsätzlich positive Haltung gegenüber einem Naturwaldreservat auf Pullacher Flur signalisiert haben. Vor allem die WIP wünscht sich aber detailliertere Informationen dazu, für die Umweltamtsleiter Bernhard Rückerl nach eigenen Worten gerne bereitsteht. Von der Ausweisung eines Naturwaldreservats erwartet er sich einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz gegen die Klimaerwärmung und eine Zunahme der Artendiversität.

Laut einer jüngst erfolgten Inventur durch einen externen Gutachtet hat die Gemeinde exakt 74,5861 Hektar Wald erworben, unterteilt in etwa 68 Hektar Forstbetriebsflächen und circa fünf Hektar Wiesen und andere Freiflächen. Auch den Holzvorrat kennt die Gemeinde jetzt genau: 15 769 Festmeter kommen zusammen, woraus sich in etwa errechnen lässt, dass damit 4300 Tonnen Kohlenstoff im Holz gespeichert und dadurch etwa 14 200 Tonnen CO₂ aus der Luft entnommen werden. Vorgabe des Forstbetriebsgutachtens ist bislang aber eine jährliche Entnahme von knapp 500 Festmetern Holz. Durch den Verkauf dieses Holzes konnte die Gemeinde einen Gewinn von lediglich 5000 Euro erwirtschaften. In Zukunft soll kein Zweig mehr aus dem Waldstück getragen werden, denn in Naturwaldreservaten finden grundsätzlich weder Bewirtschaftung noch Holzentnahme statt. Die Anreicherung von Totholz und starken Altbäumen ist im Gegenteil gewollt, nimmt dadurch doch das Gesamtvolumen der Holzmengen und damit der Umfang der Schadstoffspeicherung Jahr für Jahr um mindestens 500 Tonnen zu. "Ein Kubikmeter bindet eine Tonne", weiß Rückerl. Die Rathauschefin schreibt in ihrem Bürgerbrief von einem wichtigen "Beitrag zur Erreichung der gemeindlichen Klimaziele bis 2030", zudem biete Totholz Lebensräume für eine Reihe von Tierarten.

Gegen die Einrichtung eines Naturwaldreservats als integralen Bestandteil des gemeindlichen Klimaschutzkonzepts gibt es laut Holger Ptacek (SPD) nichts einzuwenden. "Die Verwaltung wird sich schon was dabei gedacht haben", sagt Ptacek. Renate Grasse von den Grünen schwärmt von einem "großen Beitrag für den Artenschutz" in einem sensiblen Gebiet. Andreas Most (CSU) spricht von einem "wunderbaren CO₂-Speicher", seine Fraktion wollte sich aber Montagabend noch einmal dazu beraten.

Grundsätzlich könne sich seine Fraktion ein Naturwaldreservat vorstellen, sagte Reinhard Vennekold (WIP), aber einige Fragen seien noch offen; etwa zur Wegesicherung, zum Eschensterben oder zum Borkenkäfer. "Die Idee hört sich gut an, aber wir brauchen mehr Detailwissen", sagte Vennekold. "Wir sind über die Pläne noch nicht informiert worden." Vom Borkenkäfer befallene Bäume werden laut Umweltamtsleiter Rückerl dort, wo Epidemien zu erwarten seien, entfernt - anders als im Nationalpark im Bayerischen Wald, wie er sagt. "Sehr gut, tolle Sache", schwärmt Elke Essmann, Vorsitzende der Bund-Naturschutz-Ortsgruppe Pullach. "Wir haben sicher nichts dagegen", sagt Agenda-Sprecher Bert Eisl, verweist aber auch auf das "intensive" Thema "Radfahrer", das zu behandeln sei.

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