Amtsverzicht:Ein Grüner ärgert sich schwarz

Amtsverzicht: Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund sieht den Gemeinderat nach den Streitereien auf einem guten Weg.

Pullachs Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund sieht den Gemeinderat nach den Streitereien auf einem guten Weg.

(Foto: Claus Schunk)

Lutz Schonert erklärt seinen Rücktritt aus dem Pullacher Gemeinderat und kritisiert die Debattenkultur und die persönlichen Attacken im Gremium

Von Melanie Artinger, Pullach

Dass die fehlende Mehrheitsfraktion im Pullacher Gemeinderat eine besondere Herausforderung werden würde, war Pullachs neuer Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) bereits bei Amtsantritt klar. Damals sagte die ehemalige Landtagsabgeordnete außerdem noch, es sei positiv, dass keine der Parteien die Gemeindepolitik alleine dominieren könne. In einer Klausurtagung versuchte Tausendfreund in ihrem ersten Amtsjahr die Gemeinderäte dann auf eine harmonische Zusammenarbeit und übergeordnete, gemeinsame Zielsetzung einzuschwören. Als Bürgermeisterin hoffte Tausendfreund, mehr bewegen zu können als zu ihrer Zeit im Maximilianeum.

Von der Euphorie der Anfangszeit aber ist heute nicht mehr viel zu spüren. Und mit dem überraschenden Rücktritt des Fraktionsvorsitzendender Grünen im Gemeinderat, Lutz Schonert, hat die Bürgermeisterin nun auch einen Verlust in den eigenen Reihen hinnehmen müssen.

Amtsverzicht: Pullach: Gemeinderat Lutz Schonert Foto: Claus Schunk

Pullach: Gemeinderat Lutz Schonert Foto: Claus Schunk

(Foto: Claus Schunk)

Es ist schon länger bekannt, dass die Zusammenarbeit im Pullacher Gemeinderat schwierig ist. Häufig ist es ein zähes Ringen um Entscheidungen, die Sitzungen dauern bis tief in die Nacht. Nicht immer bleiben die Diskussionen dabei auf sachlicher Ebene, Kritik an der Sitzungskultur wurde und wird immer wieder laut. Schonert hat daraus nun persönliche Konsequenzen gezogen und seinen Rückzug zur nächsten Gemeinderatssitzung angekündigt. Der Grüne sagt, er sehe "keinen Handlungsspielraum mehr".

Schonert will sich nicht mehr über Verhaltensweisen von Kollegen ärgern

Einzelnen Kollegen aus dem Gremium wirft der Noch-Fraktionsvorsitzende vor, durch "Unterstellungen, möglicherweise bewusstes Auslassen oder Verdrehen von Fakten eine am Gemeinwohl orientierte Zusammenarbeit über die Fraktionen hinweg zu torpedieren". Er bedaure, sagt Schonert, dass er die gute Gemeinderatsarbeit seiner Fraktion nicht weiter unterstützen könne. Diese Entscheidung sei lange gereift.

Die Art und Weise, wie die Diskussionen geführt würden, sei für ihn persönlich jedoch untragbar. Da zählten auch keine sachlichen Argumente mehr. "Ich wollte im Gemeinderat mitgestalten und mich nicht über die Verhaltensweise der Gemeinderatskollegen ärgern. Dafür bin ich zu wenig Politiker", begründet der 71-Jährige seinen Rückzug. Er fürchte, dass sich der Umgangston im Gremium noch verschlimmern werde, je näher der Wahlkampf für die nächste Kommunalwahl rückt.

Dass die Wortmeldungen in letzter Zeit zu oft in den persönlichen Bereich gingen, kritisiert auch der CSU-Fraktionsvorsitzende Andreas Most: "Das lässt Wertschätzung vermissen, das gefällt mir auch nicht". Politik sei aber eben nicht auf Konsens gestrickt, sagt Most. Dass es in dieser Wahlperiode zu wesentlich mehr "Wortgefechten" komme als in der vorangegangen, sei "systemimmanent", sagt der Christsoziale: Bei fünf Fraktionen müssten sich schließlich stets drei zusammenfinden, um überhaupt zu einer Mehrheit im Gremium zu kommen.

Doch auch hier gibt die Vorgehensweise einiger Kollegen Schonert Anlass zu Kritik. In der Frage der Flüchtlingsunterbringung hatten die Vereinigung Wir in Pullach (WIP), CSU und FDP Anfang Februar kurzweg einen gemeinsamen Beschlussvorschlag erarbeitet und erst in der Sitzung darüber informiert. Eine Mehrheit bestand zu diesem Zeitpunkt bereits, die Diskussion im öffentlichen Gremium geriet zur Farce.

Manches ging unter die Gürtellinie, sagt der Grüne Müller-Klug

Schonerts Parteikollege Fabian Müller-Klug kann seine Entscheidung aus "emotionaler Betroffenheit" gut nachvollziehen. Im vergangenen Sommer ging es teilweise holprig zu im Gemeinderat. Gerade bei entscheidenden Themen wie der menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen, dem kommunalem Wohnungsbau oder auch der Aufstellung des Gemeindehaushalts kochte die Stimmung hoch. Trotz einer stringenteren Sitzungsführung Tausendfreunds standen immer wieder Aussagen im Raum, die nichts mit den Fakten zu tun hatten und zum Teil "unter die Gürtellinie" gingen. "Das erlebt man schon als Belastung", sagt Müller-Klug.

Der Umgang im Gremium sollte sich seiner Meinung nach durchaus daran messen lassen, ob der einzelne sich auch mit Familienmitgliedern so auseinandersetzen würde. Das präge die Stimmung. Schonerts Schritt will Müller-Klug aber nicht zu hoch hängen. Der Gemeinderat sei auf einem guten Weg, sagt der Grüne: "Bei vielen ist der Willen deutlich spürbar, sich bestmöglich für Pullach einzusetzen."

Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund jedenfalls hat den Eindruck, das "Gewitter habe sich über die Sommerpause entladen". Pullach befinde sich eben in einer "Zeit der vielen Weichenstellungen", die mit scheren Entscheidungen verbunden sei. Dennoch habe sie große Hoffnung, dass der Gemeinderat in Zukunft wieder kürzere und stärker sachorientierte Debatten führen werde. Dafür sollen Entscheidungen nun vermehrt in zwei Schritten, nämlich erst nach inhaltlicher Vorstellung und anschließender Diskussion in den Fraktionen, getroffen werden.

Bereits am 29. November wird Renate Grasse als Nachfolgerin Schonerts im Gemeinderat vereidigt. Als Pädagogin und Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Friedenspädagogik des Instituts für Gewaltprävention, sagt ihr Vorgänger, bringe sie "das notwendige Rüstzeug" für die Arbeit im Gemeinderat mit.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: