Süddeutsche Zeitung

Amtsgeschäfte im Rathaus:Als Zweiter einmal Erster sein

In den Sommerferien sind viele Bürgermeister im Urlaub. Dann ist die Zeit ihrer Stellvertreter. Die SZ hat fünf von ihnen gefragt, wie sie sich auf die vorübergehende Chefrolle im Rathaus vorbereiten und was sie erwarten.

Von S. Galler, B. Lohr, G. Passarge und S. Wejsada

Ferienzeit - das ist auch die Zeit der Leute in der zweiten Reihe. Wenn die Chefs weg sind, dürfen ihren Stellvertreter mal ran. Was in Firmen gilt, trifft auch auf Rathäuser zu. Die SZ hat sich von fünf Zweiten Bürgermeistern erzählen lassen, was sie sich erwarten, wenn sie in den kommenden Wochen die Ersten Bürgermeister vertreten. Für vier von ihnen ist es Neuland, weil sie selbst erst im Mai in diese Ämter gewählt wurden, eine kennt den Vertretungsjob bereits aus der Vergangenheit als ehemals Dritte Rathauschefin.

Jürgen Ascherl, Garching

Jürgen Ascherl (CSU) erlebt in diesem Sommer seine Premiere. Ascherl, der bei der Kommunalwahl gegen Dietmar Gruchmann (SPD) verloren hatte, anschließend aber vom Stadtrat zum Zweiten Bürgermeister gewählt wurde, muss den Amtsinhaber Ende August für zwei Wochen im Garchinger Rathaus vertreten. Für Gruchmann war es bei der Wahl seiner Stellvertreter eine Grundvoraussetzung, dass sie seinen Posten in der Ferienzeit übernehmen können, da seine Frau Lehrerin ist.

Ascherl sieht der Vertretung gelassen entgegen. Als Verwaltungswirt weiß er, was auf ihn zukommt. Außerdem habe er "durchaus schon vergleichbare Tätigkeiten" in seinem Berufsleben gemeistert, etwa als Leiter der Notruf-Einsatzzentrale oder auch aktuell als erster stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Über das aktuelle Geschehen im Ort fühlt er sich zudem gut informiert. "Wir haben einmal die Woche ein Abstimmungsgespräch", berichtet er. Dort säßen alle drei Bürgermeister zusammen. "Wir harmonieren, denke ich, sehr gut", sagt CSU-Mann Ascherl über sein Verhältnis zum SPD-Bürgermeister.

Gruchmann habe zudem versprochen, vorher noch eine Übergabe zu machen. Und bei der Verwaltung, so Ascherl, gehe er davon aus, "dass sie mich mit offenen Armen aufnimmt". Nur die zweite Welle des Corona-Angriffs, die, so hofft er, möge ihm in dieser Zeit erspart bleiben.

Manuel Prieler, Unterföhring

Für Manuel Prieler von der Parteifreien Wählerschaft Unterföhring (PWU) ist die Vertretung ebenfalls Neuland: Als frisch gewählter Zweiter Bürgermeister wird der langjährige Gemeinderat in den Sommerferien Rathauschef Andreas Kemmelmeyer (ebenfalls PWU) vertreten. Am 17. August geht es los. Dann wird Prieler für zweieinhalb Wochen die Geschäfte in der Medienkommune leiten. Zu diesem Zweck bezieht der 61-Jährige das Büro von Kemmelmeyer mit Blick auf das Bürgerhaus und die Pfarrkirche St. Valentin. Prieler freut sich darauf, wie er sagt, empfindet aber "eine gewisse Anspannung". Schließlich handele es sich bei der Vertretung des Ersten Bürgermeisters "um eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe".

Bang ist ihm nicht davor. "Ich kann ja auf viele fähige Leute im Rathaus zurückgreifen", sagt Prieler, der hofft, dass in Sachen Corona keine Verschlechterung der Lage eintritt. Ein besonders schöner Termin steht bereits fest: Manuel Prieler wird einer Unterföhringerin zu ihrem 100. Geburtstag gratulieren. "Da freue ich mich schon", sagt er. Bevor er seinen Dienst als Kemmelmeyers Statthalter antritt, geht der Zweite Bürgermeister selbst erst noch einmal auf Reisen: Am Samstag startete er zusammen mit seiner ganzen Familie samt Enkelinnen in den Urlaub an den Millstätter See in Kärnten.

Max Kraus, Ismaning

Max Kraus (Freie Wähler) sieht es ganz entspannt: "Wenn Alexander Greulich mich braucht, bin ich da", sagt der Zweite Bürgermeister von Ismaning. Sollte sich der Rathauschef entscheiden, in den Sommerferien doch ein paar Tage verschnaufen zu wollen, dann stehe er als Vertretung des SPD-Politikers bereit. "Ich bin quasi in Bereitschaft", erzählt Kraus. Als Landwirt sei er im August ohnehin daheim, nicht zuletzt wegen der Ernte, die nun ihrem Höhepunkt entgegenläuft. Aber noch hat sich Greulich nicht festgelegt.

Wie schon in den vergangenen Monaten der neuen Amtsperiode finden im Ismaninger Rathaus wöchentliche Besprechungen der drei Bürgermeister statt, da würden dann die Aufgaben verteilt. Er habe bereits einige Termine als Greulichs Stellvertreter wahrgenommen, sagt Kraus, ein Job, der ihm viel Freude bereite. Und sollte Greulich wirklich Urlaub brauchen, dann werde er "fliegend übernehmen", lacht der Landwirt, ganz nach der Devise "vom Feld ins Rathaus".

Anke Lunemann, Hohenbrunn

Für Anke Lunemann (Grüne) hat sich seit ihrer Wahl zur Zweiten Bürgermeisterin von Hohenbrunn vieles verändert: "Es ist sehr aufregend, ich fühle mich seit der konstituierenden Sitzung tatsächlich als Teil des Rathauses", sagt die neu ins Gremium gewählte Gemeinderätin. Und sie ist durchaus überrascht über den Umgang mit ihr als Newcomerin: "Die Verwaltung behandelt mich wie eine Chefin und Stefan Straßmair wie eine Co-Bürgermeisterin."

Das passt so gar nicht zu den Themen, die beispielsweise im Wahlkampf gespielt worden waren: Da hatten Lunemann und die andere Herausforderin des Rathauschefs, Pauline Miller (Freie Wähler-ÜWG/Bürgerforum), dem CSU-Rathauschef intransparente Amtsführung vorgeworfen. Der konnte sich dennoch knapp in der Stichwahl gegen Miller durchsetzen. "Ich habe ihm gesagt, er müsse sich vor Augen führen, dass sich fast die Hälfte der Bürger etwas anderes gewünscht hat. Seither haben wir eine gute Vertrauensebene und können alles ausblenden, was gewesen ist", so Lunemann, die am vergangenen Donnerstag schon mal die Bauausschusssitzung leitete und Straßmair im August für mindestens zwei Wochen vertreten wird.

"Zuerst dachte ich: Um Gottes Willen! Aber mittlerweile sehe ich, dass das gar nicht so schwer ist. Unsere Verwaltung schnurrt." Sie werde aber nicht einfach alles unterschreiben, was man ihr vorsetzt. "Ich will mich rein arbeiten und alles wissen", sagt Anke Lunemann. Und sie hat einen Plan, wie sie ihr Mitwirken auch öffentlich machen will: Künftig wird regelmäßig im Gemeindeblatt ein Interview erscheinen, das die Zweite Bürgermeisterin mit einzelnen Hohenbrunner Bürgerinnen und Bürgern führt.

Luitgart Dittmann-Chylla, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Luitgart Dittmann-Chylla (Grüne) kennt zwar den Bürgermeister-Job im Rathaus aus eigener Erfahrung. Sie hat als Dritte Bürgermeisterin in Höhenkirchen-Siegertsbrunn in den vergangenen sechs Jahren einige Male die damalige Chefin Ursula Mayer (CSU) vertreten. Und doch musste dieses Mal eigens eine Einweisung sein, bevor sie in der ersten Augustwoche für Mindy Konwitschny (SPD) den Bürgermeistersessel einnimmt. Denn die Rathausverwaltung hat auf weitgehend papierfreien Betrieb umgestellt und dafür eine neue Software eingeführt, die erst einmal beherrscht werden will.

Dittmann-Chylla, 62, muss sich autorisieren können, um etwa papierfrei eine Zahlung anweisen zu können. Schreiben werden neuerdings gescannt und dann am PC weiterverarbeitet. "Dem kann man nur zustimmen", sagt die neue Zweite Bürgermeisterin, die als Grüne natürlich begrüßt, wenn Papier gespart wird. Sie werde sehen, wie viel Zeit sie jeden Tag im Rathaus zubringen werde, sagt sie. Bis eben alles erledigt sei. Das Personal und das Bürgermeisterbüro kenne sie ja gut. So viel habe sich da nicht verändert. Bei der Volkshochschule wird Dittmann-Chylla die Bürgermeisterin auch bei einem Außentermin vertreten, eine Ferienausschusssitzung steht dafür nicht an. Solch eine Sitzung einzuberufen, soll erst ermöglicht werden. Man werde sich nach den Ferien noch einmal mit der Geschäftsordnung des Gemeinderats befassen, sagt Dittmann-Chylla, die bis zum 24. August die Nummer eins im Rathaus ist und entscheidet. Man werde sehen, sagt sie, "was noch alles kommt".

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SZ vom 03.08.2020/belo
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