Mitten in Straßlach-Dingharting:Da bist du platt

Der Frühling treibt Mensch und Tier raus ins Leben. Von Hormonen gesteuert riskieren die einen viel und die anderen alles.

Von Claudia Wessel, Straßlach-Dingharting

Man macht sich immer so viele Gedanken über seine Gefühle: Wer oder was hat sie ausgelöst? Wer hat einen schon in der Schule gemobbt, sodass man oft traurig oder wütend ist? Welches frühkindliche Trauma ist schuld daran, dass man mitunter depressiv und müde ist? Welche unerfreulichen Lebensumstände haben bewirkt, dass man sich endlich mal wieder verlieben musste? So ist die Kreatur Mensch, die mit ihrem denkenden Gehirn allzu oft nach einem Kausalzusammenhang forscht. Und durch langes und ausführliches Grübeln auch möglicherweise für Vieles einen psycho-logischen Grund findet. Der zumindest in seinem kleinen Kosmos zutreffend sein könnte.

Dabei ist alles oft viel einfacher. Frühlingsgefühle zum Beispiel. Die hat man nicht, weil einen die Mutter schon im Kindergartenalter zum Schneeglöckchenpflücken schickte, sondern einfach nur wegen des Melatonins. Dieses Hormon, das den Tag-Nacht-Rhythmus steuert und bei Dunkelheit ausgeschüttet wird, wird von Frühling und Licht unterdrückt. Und plötzlich zieht es einen nicht mehr auf die Couch zum Krimi-Lesen, sondern hinaus in die Sonne. Und man ist auch nicht mehr in sich gekehrt und menschenunfreundlich, sondern sieht mit einem Mal all die netten und gutaussehenden Mitbewohner auf Erden. Und ist sogar bereit, so einiges zu riskieren, um ihnen nahezukommen.

Genauso geht es dieser Tage und Nächte auch den Gras- und Springfröschen, Molchen und Erdkröten. Glücklicherweise ist ihnen die Gabe zum Nachdenken nicht gegeben, sodass sie, sobald der Nachtfrost nachlässt, bei einsetzender Dämmerung in Straßlach einfach der Stimme ihrer Körperchemie folgen und über die Römerstraße losmarschieren in Richtung Laichgewässer. Sie wissen nicht, dass sie dabei ihr Leben riskieren. Denn wie das Landratsamt mitteilt, genügen schon 60 Fahrzeuge pro Stunde, um 90 Prozent der wandernden Erdkröten zu überfahren.

Nahezu alle Amphibienarten in Deutschland seien aufgrund dieser Arglosigkeit gefährdet, so die Warnung der Behörde. Schilder weisen auf die Nachtwanderer hin, die schon von einem mit 30 Kilometer die Stunde vorbeifahrenden Auto durch den Luftdruck getötet werden können. Eine Gefahr sind auch Kellerschächte, das Amt bittet, diese auf hineingefallene Lurche zu untersuchen und diese dann zu befreien. Menschen mit unverhofften Frühlingsgefühlen sollten nicht lange darüber nachdenken, sondern ihren Tatendrang als ehrenamtliche Helfer ausleben, damit Frösche, Lurche und Co. gut über die Straße kommen. Zumindest noch bis Mai.

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