Am Samstagnachmittag war es im Sportpark so wie meistens: Auf dem Parkplatz unmittelbar vor dem Stadion stellten Leute ihre Autos ab, auf dem Rasen standen zwei Tore und das Spielfeld war so markiert, wie es bei jedem Fußballspiel markiert ist – Auslinien, Mittelkreis, Strafraum. Und mittendrin besiegten die Drittligakicker der Spielvereinigung Unterhaching den FC Ingolstadt mit 2:1. Nur 23 Stunden später sah alles ganz anders aus: Der Parkplatz draußen umfunktioniert zu einem kleinen amerikanischen Jahrmarkt mit Foodtrucks, Merchandising-Ständen und Mitmach-Aktionen. Und drinnen die typischen Markierungen alle zehn Yards, an beiden Spielfeld-Enden flankiert von den überdimensionalen American-Football-Toren – Munich Ravens gegen Barcelona Dragons in der European League of Football, EFL.
„Logistisch ist das schon eine ordentliche Challenge, wenn die Heimspiele so kurz aufeinanderfolgen“, sagt Sebastian Stolz. Der General Manager der Ravens erzählt, dass am Samstag nach dem Fußballspiel ein „langer Abend“ folgte und die Arbeit dann am Sonntagfrüh um 7 Uhr bereits wieder aufgenommen wurde. „Das eine Tor bringen wir immer mit, das andere ist im Bereich der Nordtribüne gelagert“, sagt Stolz und: „Viele Prozesse sind mittlerweile eingespielt.“
So langsam neigt sich die zweite Saison, die die Ravens in der Gemeinde als ihre Heimspielstätte absolvieren, dem Ende zu. Und diese könnte erstmals für die Münchner mit dem Einzug in die Playoffs der besten sechs Mannschaften enden: Sieben der ersten zehn Saisonspiele wurden gewonnen, am Sonntag demütigten sie die Dragons mit 90:0 und erzielten dabei 13:0 Touchdowns – das höchste Ergebnis in der gesamten EFL-Saison. Alles läuft auf ein entscheidendes Duell am 25. August im Sportpark gegen die Raiders Tirol um den womöglich letzten freien Platz in der Finalrunde hinaus. „Im Großen und Ganzen nehmen wir eine positive Entwicklung“, sagt Sebastian Stolz. „So ein bisschen sind wir als Franchise wie ein Start-up, das sich immer wieder neuen Herausforderungen stellen muss.“ Man bekomme viel positives Feedback, aber es sei „noch Luft nach oben“, sagt er. Das gelte auch für die EFL, die noch mit Kinderkrankheiten zu kämpfen hat. Das Leistungsgefälle zwischen den besten und den schwächsten Teams ist – wie sich am Sonntag im Sportpark wieder zeigte – sehr groß, noch gibt es keine Lösung, wie man analog zum Draft-System in der amerikanischen Profi-Liga NFL für Chancengleichheit sorgen könnte.

Vonseiten der Ravens wird jedenfalls alles getan, um den Unterhaltungswert zu steigern. So stellt man jedes Heimspiel unter ein Motto, die Partie gegen Barcelona wurde mit dem Slogan „Charity Day“ versehen. Soziale und karitative Einrichtungen stellten sich und ihr Wirken vor – mit dabei waren etwa die DKMS oder die Bayerische Krebsgesellschaft. Fans konnten sich informieren oder sich für eine Stammzellenspende registrieren lassen, für die Kids-to-Life-Stiftung wurden Spenden gesammelt. Der letzte Spieltag der Regular Season am 25. August steht dann unter der Überschrift „Hoam-Coming“, dabei sollen laut Stolz „die bayerische Folklore und die American-Football-Tradition“ gefeiert werden. Ein Paar in Tracht wird den Coin Toss, die Seitenwahl vor dem Kickoff, ausführen, es gibt kulinarische und musikalische Schmankerl, ganz im Sinne eines „Bavarican Game Day“, wie es Stolz nennt.
Die Zuschauerzahlen reichen nicht ganz an die des Vorjahres heran
Dass der Zuschauerschnitt aus der ersten Saison, als mehr als 5000 Besucher pro Spiel in den Sportpark strömten, nicht ganz gehalten werden kann, rechnen die Ravens auch dem außergewöhnlich breiten Freizeitangebot in München und dem besonderen Sportsommer 2024 zu: „Zuerst die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland, zuletzt Olympia, das viele Leute im Fernsehen verfolgen – und dann noch Konzertereignisse wie AC/DC, Taylor Swift und Adele, da haben wir es nicht leicht“, sagt Football-Funktionär Stolz.

Dass sein Sport in Deutschland weiterhin boomt, zeige die Tatsache, wie viele Kartenanfragen es für das zweite ausverkaufte NFL-Spiel in München am 10. November dieses Jahres zwischen den New York Giants und den Carolina Panthers gegeben habe – nahezu eine Million Fans bewarben sich um Tickets. Und auch wenn die Ravens die meisten ihrer Anhänger in München und Umgebung haben – auch ihren treuen Fanklub „Ravens Crowd“, der sogar bei Auswärtsspielen in Barcelona, Mailand oder Paris mit jeweils mindestens 50 Leuten dabei ist – geht die Strahlkraft deutlich weiter: Ein Gastspiel im Nürnberger Max-Morlock-Stadion im Juni lockte 11 000 Zuschauer an.
Trotz dieses Experiments und auch wenn die Cheerleader des Teams weiterhin vom TSV Haar kommen, bleibt die Homebase der Footballer Unterhaching. Die Mannschaft trainiert auf den Sportplätzen an der Sternstraße, die Spiele finden im Stadion statt. Und das langfristig, denn es gebe entsprechende Verträge, wie Stolz sagt. Noch im vergangenen Jahr hatte es Verwirrung gegeben, weil die SpVgg-Verantwortlichen die Arena an die Ravens untervermietet hatten, ohne den Sportpark-Eigentümer, die Gemeinde Unterhaching, einbezogen zu haben. Das sei mittlerweile geklärt, man habe mit den Fußballern und der Kommune „ein super Verhältnis“, sagt Stolz. „Wir fühlen uns in Unterhaching einfach pudelwohl.“ Auch wenn es logistisch manchmal ein bisschen steil ist.