Medizinische Versorgung:Zu Gast bei Schwerstkranken und Sterbenden

Lesezeit: 3 Min.

Berend Feddersen und Petra Dietz-Laukemann (im Hintergrund) erläutern in Ottobrunn Chancen und Grenzen der ambulanten Palliativversorgung. (Foto: Claus Schunk)

In den Landkreisen München und Ebersberg bietet von Oktober an auch ein Team der LMU eine "Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung". Verantwortliche stellten das Angebot jetzt in Ottobrunn vor. Der Sitz des Teams ist in Haar.

Von Angela Boschert, Ottobrunn/Haar

Der Tod ist unausweichlich und ein Thema, das viele Menschen verdrängen. Der Gedanke, seine letzten Tage möglicherweise mit Schmerzen und Leid erleben zu müssen, weckt Fragen und macht Angst. Auch Palliativkräfte sind nicht frei davon, aber sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, Schwerstkranken und Sterbenden würdevolle letzte Tage zu ermöglichen. Ab 1. Oktober bietet die Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin der LMU jetzt auch in den Landkreisen München und Ebersberg eine sogenannte "Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung" (SAPV) an. 25 Spezialisten werden in den zwei Landkreisen zu ihren Patienten nach Hause kommen. Der Sitz des SAPV-Teams ist in Haar.

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Am Mittwoch wurde das Angebot im Gebäude der Feuerwehr Ottobrunn vorgestellt. Es ist kostenlos für jeden Bürger. Seit 2007 besteht ein Rechtsanspruch auf die SAPV, die das Ziel hat, die Lebensqualität und Selbstbestimmung von Menschen möglichst gut zu erhalten, bei denen zu einer fortgeschrittenen lebensbegrenzenden onkologischen, internistischen oder neurologischen Erkrankung Symptome wie Schmerzen, Atemnot, Übelkeit und Angst hinzukommen. Sie sollen ein würdiges Leben zu Hause, in stationären Pflegeeinrichtungen oder Hospizen führen können. Um zu vermeiden, dass ein Patient im Notfall ins Krankenhaus eingewiesen wird, obwohl das gegen seinen Willen ist, sind die SAPV-Teams 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche erreichbar. Die Kosten übernehmen die Krankenkassen.

Diese haben auch die Erweiterung des Einsatzraumes auf die Landkreise München und Ebersberg genehmigt, in denen ein multifunktionales Team installiert wird. Zu ihm gehören Palliativärzte, Pflegefachkräfte, Sozialpädagogen, eine Wundspezialistin, eine Atemtherapeutin und auch ein Seelsorger. Sie helfen, die Lebensqualität der Patienten zu erhalten, wenn möglich, zu verbessern und unterstützen bei sozialen und spirituell-existenziellen Fragen die Betroffenen und deren Zugehörige daheim. Die Leitung des Landkreisteams übernimmt die Allgemein- und Palliativmedizinerin Petra Dietz-Laukemann.

Viele werden sie kennen, denn Dietz-Laukemann arbeitete wie der Großteil der insgesamt 25 Mitarbeiter bereits im SAPV-Team des Caritas-Zentrums für Ambulante Hospiz- und Palliativversorgung Oberhaching, das weiterhin mit insgesamt 23 Mitarbeitern die beiden Landkreise versorgt. "Uns ist es wichtig, mit den anderen Teams in der Stadt wie auch in den Landkreisen in gutem Kontakt und Austausch zu sein, was bisher auch immer so war", betonte der Ideengeber des Erweiterungsprojekts, LMU-Professor und Palliativmediziner Berend Feddersen, der das seit September 2009 bestehende Münchner SAPV-Team der Universität leitet.

Wichtig ist eine gute Abstimmung zwischen den relevanten Organisationen

"Wir freuen uns auf die neue Zusammenarbeit", sagte Martina Neldel vom Hospizkreis Ottobrunn unter Zustimmung der anderen 60 Anwesenden, darunter viele Hausärzte, Mitarbeiter von Hospizvereinen und Pflegeeinrichtungen. Im fachlichen Austausch kamen schnell kritische Punkte der Absprache und des Übergangs zwischen den einzelnen Versorgungsmöglichkeiten zur Sprache. Feddersen äußerte das Gefühl, sie als SAPV würden immer früher angerufen. Felicitas Fried vom Hospizverein Ramersdorf hingegen meinte, die SAPV würde Aufgaben übernehmen, welche eigentlich sie vornehmen sollten. Deutlich wurde: Es braucht eine feinfühlige Abstimmung zwischen den verschiedenen Organisationen, denn ein Betroffener hat Not und kann nicht ahnen, welche Einrichtung jetzt für ihn die passendste ist. Der Hausarzt Martin Zeuner erklärte, er habe alle seine Patienten der Demenzwohngemeinschaft Ottobrunn bei der SAPV angemeldet in der Hoffnung, dass sie dann auch kommen könne, wenn sie gerufen wird. Denn Wartezeiten sind zwar nachvollziehbar, aber hochproblematisch.

Das gilt jedoch nicht für den Einstieg in eine SAPV-Versorgung, die Dietz-Laukemann erläuterte. Die erste einmalige Beratung über palliativmedizinische Versorgungsoptionen kann frühzeitig erfolgen. An sie schließt sich sofort oder später die "Koordination" an, bei der ganzheitliche Maßnahmen die laufende Krankheitstherapie unterstützen. Erst in der abschließenden Stufe "Teilversorgung" ist das Therapieziel rein palliativ lindernd, nicht mehr lebensverlängernd. Der Betroffene soll mit möglichst wenig Schmerzen oder Leid in seinem Zuhause sterben können. "Wir sind bei den Patienten zu Gast", sagte Feddersen der SZ, "daher ist es für mich ein Ritual, immer die Schuhe auszuziehen, wenn ich eintrete".

Das neue SAPV-Landkreisteam hat sein Büro in Haar, an der Münchener Straße 18, und ist vorerst unter der Nummer 089 4400-55570 zu erreichen.

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