Altersarmut:Die eigenen schwarzen Löcher kennenlernen

Altersarmut: Die Diplom-Ökotrophologin und Finanzplanerin Tatjana Rosendorfer aus Ottobrunn warnt Senioren auch vor Trickbetrügern. In der jüngeren Generation, sagt sie, sei die Altersarmut indes noch kein wirkliches Thema.

Die Diplom-Ökotrophologin und Finanzplanerin Tatjana Rosendorfer aus Ottobrunn warnt Senioren auch vor Trickbetrügern. In der jüngeren Generation, sagt sie, sei die Altersarmut indes noch kein wirkliches Thema.

(Foto: Privat)

Finanzexpertin Tatjana Rosendorfer erklärt im Seniorenzentrum Höhenkirchen, wie man mit schmaler Rente auskommt

Interview von Pauline Deichelmann, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Bei vielen Senioren ist das Geld knapp, ihre Rente reicht nicht aus, um alle Kosten zu decken. Wie man trotz schmaler Rente mit seinem Geld auskommt und welche Möglichkeiten der Unterstützung es gibt, erklärt Tatjana Rosendorfer an diesem Dienstag, 1. Oktober, von 19 Uhr an im Seniorenzentrum Wohnen am Schlossanger in Höhenkirchen-Siegertsbrunn. Im Gespräch mit der SZ erklärt die Diplom-Ökotrophologin und Finanzplanerin aus Ottobrunn, ab wann man als arm gilt, und gibt Tipps, wie man sparsam über die Runden kommt.

SZ: Die Durchschnittsrente in Deutschland liegt - Stand 2017 - bei 875,68 Euro. Nehmen wir mal an, davon gehen 450 Euro für die Miete drauf, dann bleiben noch knapp 425 Euro zum Leben. Wie kommt man als Rentner damit aus?

Tatjana Rosendorfer: Wenn das Einkommen so knapp ist, ist auf jeden Fall zu prüfen, ob man Anspruch auf Sozialleistungen hat. Denn wenn man unter ein gewisses Existenzminimum fällt, gibt es staatliche Sicherungsleistungen wie eben die Grundsicherung im Alter, Wohngeld oder gewisse Vergünstigungen für Personen mit relativ schmaler Rente.

Wenn - umgerechnet - 14 Euro am Tag bleiben, muss man jeden einzelnen zweimal umdrehen. Welche Tipps haben Sie in so einem Fall?

Bei den Tipps zum Sparen ist es immer wichtig, einen Blick auf seine Ausgaben zu haben. Dadurch lernt man ziemlich schnell seine eigenen schwarzen Löcher kennen. Senioren kennen eigentlich ihre Ausgaben immer sehr gut. Hier ist ein wichtiger Tipp auf Kosten- und Verbraucherfallen zu schauen. Es reißt ein großes Loch in den Geldbeutel, wenn man ungünstige Verträge oder gutmütig ein Abo abschließt. Auch Trickbetrüger ziehen Senioren gerne mal das Geld aus der Tasche, da Senioren gute Opfer sind. Sie sind Menschen mit oft wenig sozialen Kontakten. Viele trauen sich nicht, Hilfe zu holen, weil sie die Schuld bei sich suchen. Da möchte ich gerne die Leute ermutigen, in solchen Fällen erst mal rechtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich nicht gleich dafür zu schämen.

Ab welchem Einkommen gilt man nach ihrer Erfahrung als arm?

Dafür gibt es eine klare Definition. Wenn man weniger als 60 Prozent des mittleren Durchschnittseinkommens besitzt. Das liegt in München bei ungefähr 1200 Euro. Das ist die Einkommensgrenze, ab der man als armutsgefährdet gilt. Ab diesem Einkommen lohnt es sich, beim Amt nachzufragen, ob ein Recht auf Grundsicherung besteht.

Und wie viele Menschen sind auf Grundlage dieser Zahlen in München und Umgebung von Altersarmut betroffen?

In München gilt rund ein Viertel der Personen ab 65 Jahren als armutsgefährdet. Das bedeutet, dass das Einkommen für einen Einpersonenhaushalt in München geringer ist als 1200 bis 1300 Euro pro Monat. Diese Daten stammen aus dem Münchener Armutsbericht von 2017.

Sind Senioren in Großstädten wie München besonders von Altersarmut gefährdet?

Klares Ja. Die Ausgaben fürs Wohnen sollten im Schnitt nicht mehr als ein Drittel des Einkommens ausmachen. Gerade Senioren werden oft aufgrund von Eigenbedarf gekündigt, und etwas Neues zu finden, ist für diese Gruppe extrem schwierig, da sie nicht besonders beliebte Mieter sind. Wenn sich Senioren nach etwas Neuem umsehen, wird das mit dem Drittel extrem schwierig, da muss oft mehr Geld in die Hand genommen werden. Das ist ein starker Armutsindikator. Da dann das restliche Einkommen sehr gering ist, um das Existenzminimum zu sichern.

Wie kommt es denn, dass Menschen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben, im Alter Probleme haben, weil ihre Rente so niedrig ist?

Ein wichtiger Punkt ist die Lohnstruktur. Wenn man sein gesamtes Leben gut verdient hat, wird man auch im Alter ein Auskommen haben. Aber auch hier reicht die gesetzliche Rente nicht mehr. Das liegt unter andern an unserer demografischen Entwicklung. Deshalb mussten die Rentenleistungen begrenzt werden, weil sonst unser Rentensystem nicht finanzierbar ist. Wenn man aber sowieso nicht wahnsinnig viel verdient oder lange aufgrund von Kindererziehung nicht gearbeitet hat, dann ist nicht viel Geld da, was man zur Seite legen kann und dass macht die Probleme. Denn viele brauchen das Geld akut, um sich heute zu finanzieren. In so einem Fall sind politische Programme sicherlich sinnvoll, die das Sparen im Alter fördern.

Was kann man denn schon vorher tun, um später gar nicht erst in so eine missliche Lage zu geraten?

Die Zeiten, dass man sich auf die gesetzliche Rente verlassen kann, sind lange vorbei. Man kann nur raten, Geld schon früh beiseite zu legen. Wenn das nicht geht, weil man im Niedriglohnsektor oder als Hausfrau tätig war, muss man staatliche Hilfe in Anspruch nehmen. Günstig ist es auch, sofern das geht, schon früh seine zukünftige Wohnsituation zu planen.

Ist das ganze Thema rund um die Altersarmut in der jüngeren Generation schon ein Thema?

Nein, davon merke ich nichts. Aber es herrscht eine große Unsicherheit, wie man fürs Alter vorsorgen soll. Der Appell, dass man sich um die Versorgung im Alter kümmern muss, ist schon angekommen, aber die Unsicherheit ist da. Das ist sehr fatal, weil das Risiko groß ist, sich für ungünstige Lebensversicherungsverträge zu entscheiden. Wenn die junge Generation in diesem Thema gut ausgebildet wäre, würden sie nicht so eine große Unsicherheit verspüren. Diese Unsicherheit lähmt: Dann wird gar nicht gespart und das Geld wird ausgegeben.

Welchen Ratschlag können Sie Frauen mitgeben, deren Renten oft besonders niedrig sind?

Die Frauen übernehmen in der Regel immer noch die meiste Familienarbeit. Wenn eine Familie in der Partnerschaft gegründet wird, müssen frühzeitig gute Lösungen gefunden werden, damit etwas für beide Partner angespart wird. Ein allgemeiner Ratschlag ist, dass auch kleine Beträge, die regelmäßig zurückgelegt werden, enorm weiterhelfen. Außerdem kann man nie sagen, dass es zu spät ist oder dass es sich nicht mehr lohnt. Das stimmt nicht.

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