Süddeutsche Zeitung

Alter Wirt in Hohenbrunn:Die Küche bleibt kalt

Der Alte Wirt in Hohenbrunn hat seit einigen Tagen ganz geschlossen und bietet auch keinen Abholservice mehr. Nach Angaben der Eigentümer soll es aber einen Neuanfang mit anderer Pächterin geben.

Von Stefan Galler und Angela Boschert, Hohenbrunn

Dass in der Traditionsgaststätte im Dorfzentrum von Hohenbrunn Veränderungen anstehen würden, hatte sich in den letzten Wochen bereits angekündigt. Die Gerüchteküche brodelte, im Ort wurde eifrig darüber spekuliert, dass das Lokal womöglich schon bald zumachen würde. Mittlerweile hat der Alte Wirt in der Taufkirchner Straße 4 tatsächlich geschlossen, die bei der Bevölkerung beliebte Wirtschaft mit Biergarten und Gastzimmern bietet seit einigen Tagen auch den während der Corona-Zeiten oft und gerne genutzten Liefer- und Abholservice nicht mehr an.

Aber das Gerede, der Alte Wirt werde so schnell nicht wieder öffnen, kann Bürgermeister Stefan Straßmair (CSU) nicht bestätigen. "Soweit ich weiß, wird es einen Pächterwechsel geben, die Eigentümer wollen das Haus in neue Hände geben", sagt der Rathauschef. Er habe sich persönlich erkundigt, welche Pläne die "alteingesessene Hohenbrunner Familie", der das Haus gehört, für die Zukunft hege: "Es soll auf jeden Fall ein gutbürgerliches bayerisches Wirtshaus bleiben. Das ist auch wichtig für die Gemeinde."

Neue Pächterin ist gefunden

Die Eigentümer bestätigen diese Entwicklung auf Nachfrage. Eine neue Pächterin sei gefunden, es sei alles geregelt, die Verträge unterschrieben. Je nach Corona-Lage könne vielleicht schon im Mai mit einer Neueröffnung gerechnet werden, teilt die Familie mit. Eine Entwicklung, die der Bürgermeister sehr begrüßt. Er hätte sogar ein gemeindliches Engagement nicht ausgeschlossen für den Fall, dass der Alte Wirt womöglich vor einem endgültigen Aus gestanden hätte: "Dann hätten wir selbstverständlich unterstützend eingegriffen, wobei fraglich ist, ob wir das überhaupt im Kreuz gehabt hätten angesichts der Größe des Hauses und des Grundstücks", sagt Straßmair.

Zu den Umständen der Trennung von den bisherigen Pächtern wollen sich die Eigentümer nicht äußern, auch eine Anfrage an die alten Wirtsleute blieb unbeantwortet. Inwieweit die Nachfolger angesichts der für die Gastronomie so unerfreulichen Zeiten in eine Renovierung des Hauses investieren werden, ist ebenfalls unklar. Fest steht nur, dass das betagte Wirtshaus, in dem in den vergangenen Jahren neben privaten häufig auch politische Veranstaltungen und Vorträge stattfanden, seinen nostalgisch-ländlichen Charme behalten wird.

In Hohenbrunn ist die Hoffnung groß, dass der Alte Wirt seine Rolle als Anlaufpunkt für die ganze Bevölkerung schnell wieder einnehmen wird. "Ein Gasthaus wie der Alte Wirt ist wie ein zweites Wohnzimmer. Ein Mittelpunkt in unserem Dorf, ein Ort der Begegnung", sagt Pauline Miller, Gemeinderätin des Bürgerforums. Sie wünsche sich, dass "dieses Gasthaus in der bewährten Tradition weitergeführt wird".

Auch Grünen-Gemeinderat Wolfgang Schmidhuber unterstreicht die Bedeutung des Hauses: "Für die Gemeinde wäre es gut, ein ordentliches Wirtshaus zu haben", sagt er und betont, er würde sich eine Renovierung wünschen. Allerdings sei eine solche kostspielig und derzeit aus bekannten Gründen nicht leicht zu realisieren, so Schmidhuber weiter.

Seit 1817 eine eigene Wirtschaft

Erst seit 1817 hat Hohenbrunn eine eigene offizielle Gastwirtschaft. Der späte Zeitpunkt war der Schankvormacht Höhenkirchens geschuldet, dessen Altem Wirt, auch Kurvenwirt genannt, Herzog Wilhelm von Bayern 1530 das Schankrecht verliehen hatte. Damit war der Bierausschank in den anderen Ortschaften, die der Pfarrei angehörten, verboten. Das betraf Siegertsbrunn, Grasbrunn, Brunnthal, Hofolding und Hohenbrunn, deren Bürger nach Auswegen suchten. In Hohenbrunn gelang dies mit Hilfe der Kirche. Denn die Pfarrer richteten eine kleine Schenke im Hohenbrunner Pfarrhof ein, weil sie einen dreiviertelstündigen Fußmarsch nach Höhenkirchen etwa für Hochzeitspaare als unzumutbar empfanden.

Erst 1817 konnte Pfarrer Franz Baron von Hardung die Bierschenke an den großen Wagnerbauern abtreten, schreibt Heinrich Gröber im "Hohenbrunner Heimatbuch". Damit entstand der Alte Wirt in Hohenbrunn. Durch Heirat kam das Gasthaus in den Besitz von Ignaz Lidl, dem Sohn des Sauerlacher Postwirts. Auch wenn 1891 eine Kegelbahn gebaut wurde, bestand das Wirtshaus bis weit in das 20. Jahrhundert hinein primär als landwirtschaftliches Anwesen. 1906 vernichtete ein durch Brandstiftung gelegtes Großfeuer Hof und Gut und damit auch die Traditionsgaststätte. Ob der Täter gefasst wurde, ist historisch nicht belegt.

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SZ vom 17.02.2021/belo
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