Corona:Die Gefahr lauert draußen

Corona: Seniorenheime, wie hier in Höhenkirchen, versuchen, sich vor der nächsten Corona-Welle zu schützen.

Seniorenheime, wie hier in Höhenkirchen, versuchen, sich vor der nächsten Corona-Welle zu schützen.

(Foto: Claus Schunk)

Anders als im Frühjahr ist die zweite Welle der Pandemie bisher spurlos an den Altenheimen vorüber gegangen. Damit das so bleibt, setzt das Personal auf Hygiene, Besuchsregeln und Tests.

Von Christina Hertel, Grünwald/Kirchheim

Nach Zitronen und Nadelbäumen hat es im Frühling in den Gängen des Grünwalder Seniorenheims gerochen. Möglicherweise könnte es dort, wenn der Herbst beginnt, wieder so duften. Denn ätherische Öle und Aromasprays gehörten zu Elke Pilz' Strategie, um die Luft in Haus Römerschanz rein und die Ansteckungsgefahr mit Corona gering zu halten. Pilz leitet das Seniorenheim, das zum Roten Kreuz gehört. Jeden Tag, erzählt sie, verfolge sie die Zahlen der Infizierten in den Nachrichten. Dass dort seit einigen Wochen wieder Kurven gezeigt werden, die mehr nach oben zeigen als im Juni und Juli, beunruhigt sie. "Wir haben zwar noch keine Panik, aber in Sorge sind wir schon", sagt die Heimleiterin.

In ihrer Einrichtung starb bisher niemand an Corona, es infizierte sich auch keiner der Bewohner und keiner der Mitarbeiter. Pilz erklärt sich das damit, dass ihre Bewohner schon zu Beginn der Pandemie möglichst in ihren Zimmern bleiben sollten, dass sie einen Einkaufsdienst einführte, die Besuchszeiten einschränkte und vor allem auf die Hygiene achtete. Handläufe, Aufzugknöpfe - die Mitarbeiter müssen alles regelmäßig desinfizieren. Für den Herbst hat Pilz einen Vorrat an Desinfektionsmittel, Masken und Schutzkitteln angelegt, weil es im März und April so schwierig gewesen sei, an Material zu kommen.

Jetzt muss sie gut ein Drittel mehr für das Material ausgeben als in Vor-Corona-Zeiten, doch im Frühjahr seien die Preise noch höher gewesen. Daran, die Besuchszeiten wieder einzuschränken, denkt Pilz nicht. Diese Vorgabe müsse zuerst vom Ministerium oder von ihrem Träger kommen. "Unsere Bewohner haben ihre Angehörigen sehr vermisst", sagt die Hauschefin. Sie habe zwar Tabletcomputer angeschafft, um Videotelefonie zu ermöglichen, Angehörige hätten Blumen und Geschenke abgegeben. "Doch je länger die Beschränkungen dauerten, desto schlimmer wurde es." Ähnlich äußert sich Thomas Hönnl, der in Kirchheim das Seniorenzentrum Collegium 2000 leitet. Auch dort erkrankte niemand an Corona. Doch er beobachtete, dass Bewohner zum Teil in depressive Stimmungen verfielen und Menschen mit einer Demenz-Erkrankung abbauten.

"Am Anfangen sagten alle noch: Wir haben schon mehr in unserem Leben geschafft, später wurde die Sehnsucht immer größer", sagt der Heimleiter. Besucher komplett aussperren, möchte er deshalb nicht, so lange es dafür keine Anweisung gibt. Beide Heimleiter hoffen, dass ihre Strategie gegen Corona wirkt. In Kirchheim soll es von Mitte September an auch Reihentestungen unter den Bewohnern geben. Vorher seien keine Kapazitäten vorhanden, so Hönnl. In Grünwald messen die Mitarbeiter bei jedem Besucher und Bewohner Fieber - auf Corona werden die Bewohner aber nur bei Symptomen getestet.

Dass die bayerische Staatsregierung bislang in Altenheimen keine Reihentests vornimmt, kritisiert der Landesvorsitzende der Arbeiterwohlfahrt, Thomas Beyer: "Statt chaotischer Massentestungen braucht es einen zielgerichteten und wirksamen, vorbeugenden Schutz der durch Corona am meisten gefährdeten Personengruppen." Tatsächlich wird geschätzt, dass etwa die Hälfte der Corona-Toten in Deutschland aus Seniorenheimen stammt. Auch im Landkreis München starben Heimbewohner, allein im Altenheim St. Katharina Labouré in Unterhaching waren es 19 Menschen. Auch in einem Altenheim in Ismaning starben mehrere Bewohner. In Ismaning sind außer Familienangehörigen noch immer keine anderen Besucher erlaubt und ins Zimmer dürfen Besucher nur im Ausnahmefall. In Unterhaching muss sich Besuch so wie in allen anderen Heimen anmelden und wenn möglich sich nur draußen mit den Bewohnern treffen. Doch was passiert, wenn der Winter kommt? "Natürlich bin ich besorgt", sagt Wolfgang Dausch, der als Pressereferent der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul für das Unterhachinger Heim verantwortlich ist. Dass die Regeln - Abstand halten und Maske tragen - eingehalten werden, sei selbstverständlich. Aber auch er sagt: "Wir können die Leute ja nicht vereinsamen lassen."

Vor Probleme stellen manche Heime auch die Quarantäne-Regeln: So wie alle Urlauber, die aus einem Risikogebiet zurückkommen, müssen sich auch Mitarbeiter in Altenheimen testen lassen und bis das Ergebnis vorliegt, in Quarantäne bleiben. "Zum Teil mussten wir ewig warten", sagt Heimleiterin Pilz. Zwar sei gerade nur ein Mitarbeiter in Quarantäne, doch: "Unsere Dienstpläne sind knapp bemessen." Sie überlege nun, eine Zeitarbeitsfirma zu beauftragen.

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