Als junge Frau in der FDP:"Ich werde angeschaut wie ein Ufo"

Als junge Frau in der FDP: "Wir haben im geschäftsführenden Landesvorstand nur eine weibliche Kandidatin - und das bin ich", sagt Kerry Hoppe. Zu den Schwerpunktthemen der 20-Jährigen gehören unter anderem Kita-Plätze, frühkindliche Bildung, häusliche Gewalt und psychische Gesundheit.

"Wir haben im geschäftsführenden Landesvorstand nur eine weibliche Kandidatin - und das bin ich", sagt Kerry Hoppe. Zu den Schwerpunktthemen der 20-Jährigen gehören unter anderem Kita-Plätze, frühkindliche Bildung, häusliche Gewalt und psychische Gesundheit.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Kerry Hoppe aus Ebenhausen bewirbt sich als stellvertretende Landesvorsitzende bei den Jungen Liberalen. Die 20-Jährige findet, das Image der FDP als Partei für alte, reiche Herren sei überholt.

Interview von Marie Heßlinger

Sie hat sich schon einmal einen Cappuccino bestellt und ihren Laptop aufgeklappt. Kerry Hoppe, 20 Jahre alt, sitzt in einem Café in Icking - und beginnt schnell zu reden: Die vergangenen vier Jahre sei wenig losgewesen, aber auf einmal kämen viele Interviewanfragen, sagt sie. Der Grund dafür: Die junge Frau aus dem Schäftlarner Ortsteil Ebenhausen, die Jura studiert und Reserveoffizieranwärterin ist, also nebenher gerade eine Ausbildung als Bundeswehroffizierin macht, kandidiert nächstes Wochenende beim Landeskongress der Jungen Liberalen in Würzburg als stellvertretende Landesvorsitzende. Hoppe hat sich politisch dabei ganz bewusst für die Freien Demokraten entschieden. Und das, obwohl die FDP doch lange Zeit als Partei alter, reicher Herren galt.

SZ: Frau Hoppe, bei der Bundestagswahlhaben sich die meisten Erstwähler für FDP oder Grüne entschieden. Und auch bei der U 18-Wahl, die in manchen Landkreisen durchgeführt wurde, hat die Partei erstaunlich gut abgeschnitten. Im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zum Beispiel ist die FDP auf Platz drei gelandet, nach CSU und Grünen. Warum interessieren sich junge Menschen wieder für die FDP?

Kerry Hoppe: Ich finde, die FDP hatte lange Zeit ein Kommunikationsproblem. Viele Menschen denken: Die FDP will Steuern senken. Das ist richtig, aber wir haben auch ganz, ganz viele andere Themen wie Klimapolitik zum Beispiel. Und das kommt so langsam bei den Menschen an. Außerdem fühlen sich viele junge Menschen von unserer Aufbruchsstimmung angesprochen: Wir wollen, dass du dein Leben so leben kannst, wie du es möchtest. Wir wollen, dass du die weltbeste Bildung bekommst. Wir möchten, wenn du ein Startup gründest, dass du die besten Chancen dazu hast. Wir wollen die Rahmenbedingungen für ein möglichst selbstbestimmtes Leben schaffen. Der Status quo im Land ist unheimlich schwerfällig. Ich glaube, diese Lust auf Reform und diese Lust auf Erneuerung, die haben viele junge Menschen in der FDP gefunden.

Bundestagswahl - Wahlparty FDP

Noch immer recht männerlastig: Die Bundes-FDP um den Parteivorsitzenden Christian Lindner (ganz rechts).

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Können Sie Beispiele für Themen nennen, die für Reformen stehen?

Das fängt bei Funklöchern in der S-Bahn an, das geht über Kita-Plätze in München bis hin zu Toiletten an Schulen.

Kann es sein, dass die FDP auch ein bisschen grüner und linker geworden ist?

Ich würde da noch einmal auf unsere Kommunikation zurückkommen: Ich glaube nicht, dass die FDP nach links gerückt ist, sondern dass wir jetzt Wert darauf legen, unser gesamtes programmatisches Spektrum abzubilden. Ich glaube, die Ziele von FDP und Grünen sind sich sehr ähnlich, aber die Wege, wie wir sie erreichen wollen, sind sehr unterschiedlich: Die FDP will keine einzelnen Konsumgüter teurer machen, sondern einen europäischen Emissionshandel. Wir wollen nicht vorschreiben, wo Kohlendioxid am besten eingespart werden kann, sondern einen festen CO₂-Deckel setzen. Unsere Devise ist: So viel Staat wie nötig, so wenig Staat wie möglich.

Eine Devise der FDP ist auch, den Klimawandel mit technischen Innovationen zu bekämpfen statt mit Verboten. Woher nehmen Sie Ihr Vertrauen in die Technik?

Wenn wir uns anschauen, mit welchen Herausforderungen wir in den vergangenen 2 000 Jahren umgeben waren, dann haben wir eigentlich immer einen Weg gefunden, damit umzugehen. Wir müssen jetzt optimistisch bleiben, wir müssen Vertrauen in die Innovationskraft unseres Landes haben. Aber wir müssen auch schauen, dass unsere Wissenschaft mit den Mitteln ausgestattet ist, die sie braucht, um weiterhin innovativ zu sein.

Was sind die Themen, die junge Menschen Ihrer Ansicht nach am meisten bewegen?

Gute Bildung ist ein wichtiges Thema - und ein Ziel, das ganz vielen jungen Menschen entgegenkommt. Jungen Menschen, welche die Uni verlassen, um eine Ausbildung zu machen, sollte ein Teil des Studiums für die Ausbildung anerkannt werden. An Realschulen und Gymnasien muss vermittelt werden: "Ein Hochschulabschluss ist nicht das Non-Plus-Ultra. Egal, was ihr beruflich macht - es ist legitim." Ein weiteres wichtiges Thema ist für Jugendliche die Infrastruktur ihres Wohnortes - vor allem der öffentliche Nahverkehr und die Internetanbindung.

Gegen wen treten Sie bei der Wahl zur stellvertretenden Landesvorsitzenden am Wochenende an?

Ich habe einen Konkurrenten, Yannik Mohren aus Unterfranken, der sich eher auf klassische FDP-Themen, wie Wirtschafts- oder Steuerpolitik, konzentriert. Er ist ein guter Kandidat, wir machen beide gute, aber unterschiedliche Angebote. Und für was stehen Sie mit Ihrer Kandidatur?

Ich stehe einerseits für thematische Diversität. Meine Themen sind Kita-Plätze, frühkindliche Bildung, häusliche Gewalt und psychische Gesundheit. Und andererseits stehe ich für eine intensive Mitgliedereinbindung. In meiner jetzigen Position als programmatische Beisitzerin ist es mein Job, 2000 Mitglieder zu ermutigen, ihre Anträge und Ideen einzubringen.

Und wie viele andere Frauen bewerben sich neben Ihnen für einen Posten im Vorstand?

Wir haben im geschäftsführenden Landesvorstand nur eine weibliche Kandidatin - und das bin ich. Drei weitere Frauen haben sich als Beisitzerinnen beworben. Würden wir alle gewählt werden, wären vier von 13 Posten mit Frauen besetzt. Das ist noch keine zufriedenstellende Quote.

. Woran liegt das? Es ist nicht so attraktiv, wenn ich zu einem Stammtisch komme und ich bin die einzige Frau und werde angeschaut wie ein Ufo. Wir müssen schauen, dass wir vielfältiger werden. Wir müssen schauen, dass wir weibliche Rednerinnen sichtbarer machen und Frauenstammtische organisieren. FDP-Mitglieder werden von außen immer noch als Besserverdiener-BWL-Justusse wahrgenommen. Das entspricht aber nicht mehr der Realität.

Was hat das Besserverdiener-Image damit zu tun, dass es wenige junge Frauen in der Partei gibt?

Man sieht es bei den Grünen: Die haben einen ganz klaren Fokus auf Klimaschutz- und Sozialpolitik. Das sind Themen, die vor allem Frauen ansprechen. Männer interessieren sich eher für Steuern und Finanzen. Wir müssen uns einfach thematisch breiter aufstellen, sodass für jeden etwas dabei ist. Bei unserem letzten Bundeskongress haben wir acht Stunden über Steuerpolitik gesprochen - für einen Antrag, den wir am Ende abgelehnt haben.

Wieso haben Sie sich für die FDP entschieden?

Ich bin tatsächlich ein kleiner Außenpolitik-Fanatiker. Ich habe Verwandte in der Bundeswehr, ich habe selbst einen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr geleistet und mache jetzt neben dem Studium eine Ausbildung als Reserveoffizierin. Ich bin für ein klares Bekenntnis zur Nato, für eine bessere Ausstattung der Bundeswehr, und dafür, dass wir über große Ideen wie eine europäische Armee diskutieren.

Und warum haben Sie sich für die Bundeswehr entschieden?

Ich wollte tatsächlich mal etwas machen, in dem ich richtig schlecht bin. Ich war nie der Outdoor-Typ, der campen gegangen ist oder lange Wanderungen gemacht hat. Die Schule war nie eine richtige Herausforderung für mich. Deshalb bin ich zur Bundeswehr gegangen. Das war zwischendurch sehr, sehr anstrengend und sehr, sehr hart. Aber es war eine tolle Erfahrung, weil du so verstanden hast, dass du zu wesentlich mehr fähig bist als du für möglich hältst. Das ist eine Erfahrung, die mich bis heute begleitet und mit der ich mich auch neuen Aufgaben in der Politik stelle.

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