Süddeutsche Zeitung

Agrar-Subventionen:Das Feld ist schlecht bestellt

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Nur die Hälfte seiner Einnahmen erwirtschaftet ein Bauer selbst. Die andere Hälfte kommt aus Fördertöpfen. Auch wenn sie keine "Almosenempfänger" sein wollen, wehren sich die Landwirte gegen Pläne der EU, die Agrarsubventionen zu kürzen.

Von Christina Hertel

Vor drei Jahren hat Wilhelm Zeidler einen neuen Stall für seine Kühe gebaut. Für eine Dreiviertel Million, sagt er. "Damals stand ich vor der Wahl: entweder aufgeben oder investieren." Der Ayinger Landwirt entschied sich für letzteres. Jetzt melkt ein Roboter seine 60 Kühe und er muss nicht mehr jeden Tag um halb sechs am Morgen aus dem Bett. Doch der Landwirt macht sich Sorgen. Der Grund: Bald könnte er weniger Geld zur Verfügung haben, um seine Schulden abzubezahlen. Von 2021 an will die EU-Kommission die Agrarsubventionen um etwa fünf Prozent kürzen. Für ihn bedeutet das einen Verlust von etwa 1200 Euro im Jahr. Den Kredit für den neuen Stall müsse er trotzdem jeden Monat bedienen, beim Futter könne er auch nicht sparen. Bleibt nur ein Kostenpunkt, bei dem er den Rotstift ansetzen könne: bei sich selbst.

Für kaum etwas gibt die Europäische Union so viel aus wie für die Landwirtschaft. Rund 58 Milliarden Euro bekommen Bauern in ganz Europa jedes Jahr an Fördergeldern. Weil der Austritt Großbritanniens aus der EU eine finanzielle Lücke hinterlässt, will Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) sparen - auch bei den Geldern für die Landwirtschaft. Für Bauern wie Wilhelm Zeidler ein Problem. Denn die Landwirte sind von den Beihilfen abhängig. Ein durchschnittlicher bayerischer Bauer verdient im Jahr rund 54 600 Euro. Doch nur die Hälfte davon stammt aus eigenen Einnahmen. Die andere Hälfte kommt aus Fördertöpfen.

Zeidlers Bauernhof liegt im Ayinger Ortsteil Dürrnhaar. In der Nachbarschaft stehen noch etwa 20 weitere Häuser, man schaut auf Felder und Wald. Als Zeidler 23 Jahre alt war, übernahm er den Betrieb von seinem Vater. Heute gehören ihm 60 Milchkühe, er bewirtschaftet 30 Hektar Land - eine Fläche so groß wie 42 Fußballfelder. Sein Opa habe drei Kühe besessen, sagt Zeidler. Erst sein Vater habe den Hof so groß gemacht. Und jetzt trage er eine Verantwortung, das alles zu erhalten. Und auch wieder weiterzugeben. "Als Landwirt", sagt er, "wird man geboren. Jeden Tag in einem Büro zu sitzen, würde mich umbringen."

Lebensmittel müssten in Deutschland viel teurer sein

Das Wort Subventionen mag Zeidler nicht. Er nennt die Gelder "Ausgleichszahlungen". Weil sie aus seiner Sicht eben bloß ein Ausgleich dafür sind, dass Lebensmittel in Deutschland viel teurer sein müssten. Eine ähnliche Meinung vertritt der Bauernverband. In einer Broschüre, in dem er alle zwei Jahre die wirtschaftliche Situation von Landwirten beleuchtet, schreibt er, dass der Weizenerzeugerpreis heute immer noch auf dem Niveau der Fünfzigerjahre liege. Von einer Semmel, die durchschnittlich 30 Cent kostet, erhalte der Landwirt bloß zwei Prozent für seinen Weizen. Anton Stürzer, Kreisobmann des Bauernverbandes und Landwirt aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, findet: Die Verbraucher müssten bereit sein, für Lebensmittel mehr zu zahlen. Dann könnte man auch auf die EU-Gelder verzichten. Das wäre ihm ohnehin lieber: "Ich will nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. So fühle ich mich ja fast als Almosenempfänger." Eine anständige Arbeit müsse einen anständigen Ertrag bringen, und solange das nicht der Fall sei, brauche es eben das Geld des Staates - so sieht er das.

Doch seit Jahren gibt es an den Subventionen Kritik. Denn es gilt: Wer viel Land hat, bekommt viel Geld. In Bayern erhalten Bauern pro Hektar etwa 274 Euro. Hinzukommen eine Junglandwirteprämie und eine Zusatzprämie für die ersten Hektar. Die größten Empfänger Deutschlands liegen jedoch allesamt außerhalb des Freistaats. Zu ihnen gehören zum Beispiel die Fude und Serrahn Milchprodukte GmbH in Hamburg mit 6,3 Millionen Euro und die Spargel & Beerenfrüchte GmbH in Brandenburg mit 4,9 Millionen Euro. Am meisten bekommt das Deutsche Milchkontor in Niedersachsen. 2016 waren es fast 22 Millionen Euro. In den gesamten Landkreis München mit etwa 600 Bauernhöfen fließt mit 7,3 Millionen Euro weniger als ein Viertel von dem, was diese drei großen Betriebe zusammen erhalten.

Kürzungen könnten auch eine Chance sein

Der Neubiberger Bio-Landwirt Josef Kyrein glaubt, die Kürzungen der Agrarsubventionen könnten auch eine Chance sein. Wenn die Politik sie als Anlass dafür sähe, das gesamte System zu überarbeiten. Aus Kyreins Sicht sollten die Prämien gedeckelt und mehr Geld für Landwirte bereitgestellt werden, die sich für die Natur einsetzen. Schon jetzt erhalten Biobauern wie er öffentliche Gelder - nur ist es im Vergleich viel weniger als das, was Landwirte für ihre Flächen erhalten. In Bayern fließt nur ein Drittel der Subventionen in Förderprogramme etwa für mehr Tierwohl. Und das Geld daraus kommt auch nicht nur den Bauern zugute, sondern dem ländlichen Raum insgesamt - zum Beispiel für Landschaftspflege oder Tourismusförderung.

Kreisobmann Anton Stürzer hält wenig davon, das System grundlegend zu verändern. Immer größere Umweltauflagen, immer mehr Bürokratie bedeuten für ihn eine "schleichende Enteignung", wie er es nennt. "Ich bin ja kein freier Mensch mehr, wenn ich nicht so produzieren kann, wie ich möchte." Aus seiner Sicht werden die Anforderungen immer höher, doch das Geld immer weniger.

Stürzer beobachtet, dass sich viele Bauern im Landkreis München ein zweites Standbein aufbauen - weil es immer schwerer werde, alleine von der Landwirtschaft zu leben. Er vermietet einen Stall als Lager, spart bei Kosten für Handwerker. Lieber repariere er alles selbst. Insgesamt bewirtschaftet Stürzer 125 Hektar Feld. Fast die ganze Fläche gehöre ihm. Im Raum München wohl ein Wert von vielen Millionen Euro. Fühlt er sich trotzdem nicht reich? "Natürlich", antwortet er, "jeder Landwirt, der hier Immobilien und Grund hat, ist reich." Aber das bedeute nicht, dass das Konto voll sei. Für ihn komme nicht infrage, einen Teil zu verkaufen. "Ich bin so erzogen, dass ich daheim unseren Betrieb fortführe, arbeite und ihn dann an die nachfolgende Generation weitergebe." Eine seiner drei Töchter wolle den Hof einmal übernehmen. Dann müsse schließlich alles in einem ordnungsgemäßen Zustand sein.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2018
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