Süddeutsche Zeitung

Ärger um Biomasse-Kraftwerke:Uns stinkt's!

In Gräfelfing und Garching sollen zwei neue Holz-Kraftwerke entstehen - doch viele Nachbarn laufen Sturm dagegen.

Martin Bernstein und Günther Knoll

Gräfelfing ist eine Insel der Seligen im Großraum München: eine schuldenfreie Gartenstadt im idyllischen Würmtal. In Gräfelfing gibt es eine Friedenskirche und eine Friedenstraße. Und ein Kiesunternehmen namens Glück. Doch da beginnt der Unfrieden: Besagte Firma Glück hat nämlich 2009 die Biowärme Gräfelfing GmbH gegründet. Deren Ziel ist es, "die von der Firma Glück hergestellten Hackschnitzel aus der Landschaftspflege selbst zu verwerten sowie das Kieswerk, die Glück-Siedlung sowie die Gräfelfinger Bürgerinnen und Bürger und Gewerbebetriebe mit Wärme und Strom zu versorgen".

Ein Holzhackschnitzel-Heizkraftwerk soll gebaut werden samt Fernwärmenetz für Gräfelfing, für etwa 13Millionen Euro. Modern, klimaschonend und umweltverträglich finden das Bürgermeister Christoph Göbel (CSU) und nahezu alle Gemeinderäte. Doch ein Teil der Gräfelfinger, die eigentlich schon von Oktober 2011 an mit sauberer, lokal produzierter Energie beglückt werden sollten, läuft Sturm gegen das Projekt. Wut-Bürger, die prinzipiell gegen alles sind? Das sagen die Befürworter des Projekts über die Kritiker. Die wiederum unterstellen dem Betreiber und der Gemeinde, nicht mit offenen Karten zu spielen.

Ein Bürgerbegehren wird initiiert, die Gemeinde fordert die Unterzeichner per Annonce zur Rücknahme der Unterschriften auf, die Übergabe der Listen im Rathaus gerät zur öffentlichen Verbalschlacht, ein geplanter Runder Tisch scheitert in letzter Minute. Glück und Frieden - das war einmal. Immerhin 1164 von 13.000 Gräfelfingern haben mit ihrer Unterschrift einen Bürgerentscheid erzwungen. Weil sie Schadstoffemissionen befürchten und sich weder von den Antragsunterlagen der Betreiber noch von Gutachtern beruhigen lassen wollen.

Weil sie Angst davor haben, dass ihre Häuser in der Nachbarschaft des Heizkraftwerks künftig weniger wert sind. Und weil ihnen der Betreiber nicht passt: nicht das Kiesunternehmen, das traditionell und naturgemäß mit dem Abholzen von Wald zu tun hat, und noch weniger der 40-Prozent-Partner Eon, den sich die Biowärme GmbH ins Boot geholt hat. Also einen großen Energiekonzern - während die Nachbargemeinden Gauting, Krailling und Planegg im "Regionalwerk Würmtal" lieber mit den Münchner Stadtwerken kooperieren.

Ärger über Bio-Kraftwerke gibt es beileibe nicht nur im Würmtal. Auch Garching zum Beispiel setzt auf die Energiewende - und muss dafür doch erst einmal auf Heizöl zurückgreifen. Denn bereits seit vergangenem Oktober werden die ersten Kunden mit Fernwärme beliefert, die eigentlich eine Geothermieanlage und ein Biomasse-Heizwerk erzeugen sollen. Beide sind aber noch nicht in Betrieb; es gab Probleme mit der Bankfinanzierung. Der Betreiber, die Energiewende Garching, zu der sich die Stadt, Eon und die Firma AR Recycling zusammengetan haben, ist aber zuversichtlich, dass das Werk in Hochbrück im Oktober dieses Jahres in Betrieb geht.

Verfeuert werden soll dort vor allem Bauholz, anfänglich nur zur Wärmegewinnung, später soll auch Strom produziert werden. Den Nachbarkommunen freilich, die um die Sauberkeit der Luft bangen und Anlieferverkehr fürchten, wäre am liebsten, dass dies überhaupt nie geschieht. Vor allem Unterschleißheim traut der Sache gar nicht. Die Stadt lässt nahe Hochbrück eine eigene Kontrollmessstelle errichten, um ausgehend vom jetzigen Zustand der Luft den Ausstoß des neuen Garchinger Werks besser beurteilen zu können.

Das hätten sich auch die Planegger gewünscht. Denn insbesondere im Ortsteil Martinsried gibt es massive Vorbehalte gegen die Kraftwerkspläne nebenan im Würmtal. Doch anders als die Gräfelfinger, die am 27. Februar in einem Bürgerentscheid das letzte Wort über das Biomasse-Heizkraftwerk sprechen dürfen, sind die Planegger nur Zaungäste.

Vielleicht wäre ein Blick nach Sauerlach hilfreich, das 2008 den Energiepreis des Landkreises München erhielt. Der will bis zum Jahr 2050 etwa 60 Prozent der Energie einsparen und den Rest aus regenerativen Quellen in der Region gewinnen. Sauerlach hat 2001 die Zukunft-Energie-Sauerlach-GmbH (ZES) gegründet. Sie betreibt ein Biomasse-Heizkraftwerk mit Nahwärmeversorgung. Die Sauerlacher haben damit offenbar keine Probleme - "es gab einfach keine Ängste hier", sagt ZES-Geschäftsführer Walter Gigl. Vielleicht weil man von Anfang an Umweltverbände und Agenda-Gruppen mit einbezogen hat. Jetzt schauen immer mal wieder Besucher aus dem Würmtal vorbei: Befürworter und Gegner des Gräfelfinger Projekts. Doch von dem, was sie dort sehen, hören und riechen, fühlen sich am Ende stets beide Seiten bestätigt.

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SZ vom 11.02.2011/tob
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