Es wirkt wie eine Szene aus einem Agententhriller: Die Tür im Keller des Gebäudes im Aschheimer Industriegebiet erinnert an einen Tresor, am Rand befindet sich ein Scanner. Hält man eine Karte daran, öffnet sich die Tür. In der winzigen Kabine leuchtet ein Sensor in blauem Licht. Albert Füracker hält seine Hand davor, die hintere Tür schwingt auf. Innerhalb kürzester Zeit hat der Sensor mittels Infrarottechnik das Muster der Handvenen des bayerischen Finanzministers überprüft.
Es folgen lange Gänge aus Beton, Treppen und weitere Sicherheitsschleusen, bevor der CSU-Politiker schließlich das Herzstück des Gebäudes betritt. Hinter Gittern reihen sich unzählige Rechenschränke aneinander, durch die Türen hindurch sieht man vereinzelt kleine Lichter blinken. Vor einem dieser Gitterkäfige bleibt Füracker stehen: „Das ist die Voliere für die Elster.“ Der Finanzminister meint damit freilich keinen echten Vogel, sondern das Programm, mit dem man unter anderem seine Steuererklärung digital ausfüllen und abschicken kann.
Auf den rund 350 Servern von Elster, die seit Kurzem im Rechenzentrum des IT-Dienstleisters Noris Network in Aschheim stehen, sind die Daten von 22 Millionen Nutzern gespeichert. Bislang verließ sich die Finanzverwaltung dafür lediglich auf zwei Standorte in Nürnberg, das barg jedoch Risiken. Kam es in der Gegend zu einer Krise, beispielsweise zu Überschwemmungen nach Starkregen oder zu längeren Stromausfällen, konnte auch Elster ausfallen.
Diese Gefahr will man mit dem neuen Standort minimieren, wie Füracker erläutert. Georedundanz nennt sich dieses Prinzip: An jedem der Zentren sind die Datenbestände identisch. Selbst wenn in Nürnberg etwas passiere, so der Minister, habe man immer noch Aschheim. „Unser geliebtester Vogel muss funktionieren.“
Elster sei mittlerweile zum Synonym für Steuerverwaltung geworden und ein Beispiel für gelungene Digitalisierung: „Wir sind als Freistaat viel digitaler unterwegs, als manche behaupten“, so Füracker. Doch die Toleranz für Probleme sei gegenüber staatlichen Programmen gering: Die Nutzer würden ständige Verfügbarkeit und Performance erwarten. „Wenn mal eine Stunde lang die Elster nicht fliegt, nimmt man es gleich als Beleg, dass die Digitalisierung nicht funktioniert.“
Dabei leistet das System bereits heute viel, wie Paul König sagt, Präsident des Bayerischen Landesamts für Steuern. Am Sonntag etwa, dem letzten Tag vor Ablauf der Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2023, seien über Elster rund 405 000 der Formulare eingegangen – normalerweise liege der Durchschnitt bei circa 100 000 pro Tag. Die Komplexität der Technik, die auch solche Anstürme bewältigen müsse, werde oft unterschätzt, sagt Füracker. „Der Laie schaltet das Programm an und es muss laufen.“ Was dahinter stecke, wüssten die wenigsten.
Eineinhalb Jahre lang habe man die Infrastruktur von Elster umbauen müssen, um den neuen Standort einzurichten. 3,5 Kilometer Kabel wurden laut König verlegt, 350 Server aufgebaut, sie wiegen zusammen etwa 17,5 Tonnen. Damit die Technik unter optimalen Bedingungen läuft, wird das Rechenzentrum aktuell konstant auf eine Temperatur von 21 Grad gekühlt.
Mehrere Schutzzonen sichern die Rechner vor unbefugten Eindringlingen. In den inneren Bereich gelangt man nur mithilfe des Handvenenscanners, den Füracker selbst getestet hat. Bei der Eingangskontrolle wird das Muster der Venen gescannt, die Daten werden auf eine Chipkarte geladen. An der Sicherheitsschleuse wird überprüft, ob das Muster mit den auf der Karte gespeicherten Informationen übereinstimmt. „Das funktioniert ähnlich wie ein Fingerabdruck, aber zuverlässiger“, sagt Joachim Astel, einer der Gründer von Noris Network. „Wir tun alles, damit die Sicherheit gewährleistet ist.“