Abschiedskonzert:Berauschend melancholisch

Abschiedskonzert: Die Chemie zwischen Dirigent und Orchester stimmt: Aris Alexander Blettenberg hatte den rund 60-köpfigen Klangkörper gut im Griff.

Die Chemie zwischen Dirigent und Orchester stimmt: Aris Alexander Blettenberg hatte den rund 60-köpfigen Klangkörper gut im Griff.

(Foto: Robert Haas)

Das Sinfonieorchester Garching spielt beim Abschied von Dirigent Aris Alexander Blettenberg beliebte wie anspruchsvolle Werke

Von Udo Watter, Ismaning/Garching

In den beiden Zugaben, die das Orchester gab, entfaltete sich noch mal die ganze Ambivalenz, die einem Abschied fast immer inne wohnt. Erst Brahms' Ungarischer Tanz Nr. 1: Mitreißend, sehnsuchtsvoll, rhythmisch vielfältig, bei allem berauschendem Schwung ein Hauch melancholisch. Und dann, nachdem das Publikum in der Waldorfschule Ismaning nicht nur kräftig geklatscht, sondern auch mit den Füßen getrampelt hatte, setzte das Garchinger Sinfonieorchester mit Jacques Offenbachs "Barkarole" noch einen besonders anrührenden Schlusspunkt - auch wenn man sie oft gehört hat, es gibt nur wenige Melodien, die sich so betörend und zauberisch in die Ohren schaukeln und schmeicheln wie diese.

Den Takt gab hier Aris Alexander Blettenberg schon mit einer Art goldenem Dirigentenstab vor, den er zum Abschluss seines mehr als dreijährigen Engagements gerade erst von den Mitgliedern des Laienorchesters inklusive eines edel bestickten Kissens überreicht bekommen hatte. Am Ende noch mal Applaus, Umarmungen, Emotionen.

Konfuzius wird der Satz zugeschrieben: "Nicht weinen, dass sie vorüber, sondern lächeln, dass sie gewesen." Er meinte die schönen Zeiten. Nun ist es nicht so, dass beim Garchinger Sinfonieorchester die fetten Jahre vorbei sind mit dem Fortgang des jungen, im Übrigen sehr schlanken Dirigenten Aris Alexander Blettenberg. Aber es waren eben Zeiten, in denen sich das Orchester, - das sich aus Studenten, Mitarbeitern der Garchinger Forschungsinstitute sowie Mitspielern aus München sowie dem nördlichen Umland rekrutiert, - und der junge Dirigent gegenseitig so befruchtet hatten, dass das Scheiden schmerzhaft ausfallen musste.

Dass er das 1985 gegründete Ensemble, das bei Konzerten immer wieder Profis verstärken, auf ein neues, für ein Laienorchester sehr respektables Niveau gehoben hat, war auch in Ismaning vor mehr oder weniger ausverkauftem Haus zu hören. Das Programm war durchaus ambitioniert: Mit vier Stücken aus Griegs "Peer Gynt Suite", darunter "Morgenstimmung" und "Tanz in der Halle des Bergkönigs" eröffnete das Garchinger Sinfonieorchester am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, das nicht zuletzt wegen der verlängerten Sanierungsarbeiten am Bürgerhaus der Stadt nach Ismaning ausgewichen war, den Abend. Kompositionen, die keine geringen Anforderungen in puncto Klangkultur, Homogenität, Intonation und Phrasierungssicherheit stellen. Teilweise gelang dies, gerade den Violinen und Bratschen, nur suboptimal - man war gleich ein bisschen froh, als bei der "Morgenstimmung" die Sonne, in schöne naturalistische Klangfarben gekleidet, nach ungefähr einer Minute aufging. Dass das Orchester unterschiedlich gut besetzt ist und bei den Bläsern (Flöten, Klarinetten oder Hörner) generell ein höheres Niveau herrscht, zeigt sich immer wieder. Jenseits dieser Einschränkungen hatte Blettenberg seinen Klangkörper gut und mit unaufgeregter Gestik im Griff.

Dass das Niveau freilich auch gleich steigt, wenn das Orchester in einen Dialog mit einem versierten Solisten tritt, zeigte sich anschließend beim Vortrag von Camille Saint-Saëns' "Havanaise" und "Introduction et rondo capriccioso" mit dem Violinisten Christian Zahlten. Der aus einer Münchner Musikerfamilie stammende junge Geiger präsentierte sich sensibel und ohne große Pose bei der "Havanaise", und schnörkellos virtuos bei "Introduction et rondo capriccioso", einem effektvollen Bravourstück, das der französische Komponist Ende des 19. Jahrhunderts für den berühmten spanischen Geiger Pablo de Sarasate geschrieben hatte.

Nach der Pause erklangen drei von Brahms' "Ungarischen Tänzen", darunter auch die Nummer eins sowie Tschaikowskys "Nussknacker-Suite". Auch dieses Werk ist mit seinen raffinierten kompositorischen Einfällen, seinem Abwechslungsreichtum und tänzerischem Zauber seit jeher ein Publikumsliebling. Nicht alles gelang perfekt, intonatorisch und rhythmisch war hie und da Luft nach oben, aber es war gut zu beobachten, wie Blettenberg dennoch das Ensemble im Griff hatte, wie geschmeidig der Klangkörper (re)agierte. Auch agogische Feinheiten glückten immer wieder, manch Innehalten und manch Übergang hatte die homogene Finesse eines weichen Klavieranschlags.

Mit Gabiz Reichert wird nun ein Studienkollege Blettenbergs von der Münchner Musikhochschule das Orchester übernehmen. Das auf den 10. Juli terminierte Sommerkonzert des Ensembles wird dann schon unter seiner Ägide stattfinden. Auf Abschied folgt Anfang.

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