Süddeutsche Zeitung

Abbruch:Weiß-blauer Stumpen

Der Unterföhringer Maibaum ist seit Donnerstag nur noch acht Meter hoch

Von Sabine Wejsada, Unterföhring

Am Ende steht nichts mehr als ein trostloses weiß-blaues Stangerl. Knapp acht Meter sind vom vorher weithin sichtbaren Unterföhringer Maibaum am Nordrand des Bürgerhaus-Platzes übrig geblieben. Am Donnerstag in der Früh wurde der Baum gekappt - aus Sicherheitsgründen. Ein Gutachter hatte den Baum vor ein paar Wochen untersucht und dabei festgestellt, dass der gut 28 Meter hohe Stamm wegen beginnender Kernfäule und zahlreicher Trocknungsrisse nicht mehr ausreichend stabil ist und brechen könnte, wenn ein heftiger Sturm an ihm rüttelt. Mit der Vorsichtsmaßnahme sollen Unfälle vermieden werden. Erst am 1. Mai dieses Jahres war in Treuchtlingen die Spitze eines Maibaums abgebrochen und hatte eine Frau erschlagen.

Franz Klietsch, Chef des Gebirgstrachten-Erhaltungsvereins Edelweiß, kann gar nicht hinschauen, als zwei Mitarbeiter von Feuerwehr und Bauhof mit Säge und Beil im Drehleiter-Korb neben dem Baum hinaufgefahren werden. "Das ist schon mein dritter Maibaum, aber so etwas ist uns noch nie passiert", sagt er und verfolgt die Arbeiten. Erst 2016 ist der Unterföhringer Maibaum von den Trachtlern hergerichtet und aufgestellt worden - und jetzt das. "Aber die Sicherheit geht nun einmal vor, nicht dass irgendwann etwas passiert", sagt Klietsch.

Unterdessen sperrt die Ismaninger Polizei den Bereich um den Maibaum ab, ein großes Kranfahrzeug hat sich in Stellung gebracht. Oberhalb der ersten zwei Reihen von Schildern haben die Arbeiter im Drehleiter-Korb die Ziegelei- und Bauern-Tafel am Baum abgeschraubt. Das ist die Höhe, bis zu welcher der Stamm neben dem Marktdach am Schluss gekappt sein muss. Dann hebt sich der Korb, der mit Haken und Schlinge versehene Ausleger des auf dem Gehsteig stehenden Krans ebenfalls. Nun wird das oberste Drittel des Maibaums gekappt. Die schwindelfreien Männer im Korb legen die Schlinge um den Stamm und hängen sie wieder ein. Sägespäne fliegen durch die Luft und dann knackt es laut. Die Maibaumspitze samt Gockel hängt am Haken, schwingt bedrohlich durch die Luft und schwebt zu Boden, wo sie weitere Bauhofmitarbeiter in Empfang nehmen, bevor sie die Zunft-Tafeln vorsichtig entfernen. Der Vorgang wiederholt sich ein zweites Mal, bevor der Mann mit der Säge erneut mit dem Drehleiter-Korb hinaufgehoben wird. Er schrägt den Stamm oben noch ab, damit sich dort kein Regenwasser sammeln kann. Nach einer Stunde ist die von zahlreichen Schaulustigen beobachtete Arbeit vorbei.

Der einst prächtige Maibaum ist gestutzt. Die 24 abgeschraubten Tafeln werden im Bauhof eingelagert, nur vier, die Rathaus, Feuerwehr, Schule und Kirche zeigen, hängen noch am Stamm. Die Stücke des Baums sollen zersägt werden. Das eingekürzte Brauchtumssymbol ist gerade einmal so hoch wie das Marktdach vor dem Bürgerhaus und wird sogar von den daneben stehenden Fahnenstangen überragt. Warum man den Baum nicht gleich ganz entfernt hat? Franz Klietsch und Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer (Parteifreie Wählerschaft) schauen sich an. Da müsse man noch einmal reden, sagen sie. Genau wie darüber, ob 2019 ein neuer, großer Maibaum in Unterföhring aufgestellt werden soll.

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Quelle:
SZ vom 18.05.2018
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