50 Jahre Ballettschule Ottobrunn:Kultur statt Kuhstall

1969 gründete die Tänzerin Edith Eder-Demharter die Einrichtung, ihre Freundin Rosmarie Theobald die Musikschule. Was unter schwierigen Bedingungen begann, ist 50 Jahre später eine feste Größe im Münchner Osten.

Von Francesco Collini, Ottobrunn

50 Jahre Ballettschule Ottobrunn: Dieses Bild zeigt eine "Nussknacker"-Aufführung von 2015 in Ottobrunn.

Dieses Bild zeigt eine "Nussknacker"-Aufführung von 2015 in Ottobrunn.

(Foto: Claus Schunk)

Der erste Unterricht fand im Keller der St.-Otto-Kirche statt, auf einem Linoleumboden, der für Ballett eigentlich nicht geeignet war. Doch hat man damit zurechtkommen müssen, sagt Edith Eder-Demharter im Rückblick auf die Anfänge der Ballettschule Ottobrunn.

Vor 50 Jahren gründete die ehemalige Solotänzerin der Bayerischen Staatsoper die Einrichtung. Rosmarie Theobald baute parallel die Musikschule auf. Mittlerweile gelten die zwei Schulen mit mehr als 1500 Schülern als Institutionen.

50 Jahre Ballettschule Ottobrunn: Zwei Frauen, zwei Schulen: RosmarieTheobald (hier im Bild, stehend) und Edith Eder-Demharter gründeten vor 50 Jahren die Musik- und die Ballettschule in Ottobrunn.

Zwei Frauen, zwei Schulen: RosmarieTheobald (hier im Bild, stehend) und Edith Eder-Demharter gründeten vor 50 Jahren die Musik- und die Ballettschule in Ottobrunn.

(Foto: Musikschule Ottobrunn)

Einfach sei es am Anfang nicht gewesen, vor allem bei den Gesprächen mit der Gemeinde habe man Überzeugungsarbeit leisten müssen, sagt Eder-Demharter: "Für die sind wir vom Himmel gefallen." Ottobrunn sei am Ende der Sechziger noch sehr ländlich geprägt gewesen, es habe "noch nach Kuhstall gerochen". Ein kulturelles Angebot gab es nicht. Das sollten zwei Frauen ändern. Rosmarie Theobald, die 1969 mit ihrem Mann und ihren sechs Kindern von München nach Ottobrunn gezogen war, stieg beim örtlichen Kulturkreis ein und leitete die Gründung der beiden Schulen ein.

800 Anmeldungen gleich zu Beginn

Um das Lehrpersonal aufzubauen, kontaktierte sie Freunde und Unbekannte, unter anderem Eder-Demharter, die vier Jahre zuvor eine Ballettschule in der Nachbargemeinde Hohenbrunn in ebenso rudimentären Verhältnissen aufgebaut hatte. Nachdem die Eröffnung der Schulen bekannt wurde, meldeten sich mehr als 800 Kinder und Jugendliche an - bei einer Gesamtbevölkerung von 13200 Einwohnern. Theobald und Eder-Demharter mussten improvisieren: Manche Unterrichtseinheiten fanden anfangs sogar in Privatwohnungen statt.

50 Jahre Ballettschule Ottobrunn: Heute leitet Marcella Weber (rechts) die Ballettschule. Links die Mitgründerin Edith Eder-Demharter.

Heute leitet Marcella Weber (rechts) die Ballettschule. Links die Mitgründerin Edith Eder-Demharter.

(Foto: Claus Schunk)

Einige Monate nach der Eröffnung zog die Ballettschule in die Grundschule III, wo sie bis 2013 geblieben ist. Auch dort war der Boden zu hart: "Ein Betonboden mit einer Schicht Linoleum drüber", erinnert sich Eder-Demharter. Die Neuerungen kamen über die Jahre: ein elastischerer Boden, die Ballettstangen, ein Spiegel. "Es war ein toller Raum. Damals war es nicht einfach, einen so großen Raum ohne Säulen zu finden", sagt Eder-Demharter.

Wenn die 79-Jährige auf ihrem Sofa sitzt, den Körper aufrichtet und Sprungbewegungen andeutet, sieht es aus, als hätte sie mit dem Tanzen nie aufgehört. Dem hat sie ihr ganzes Leben gewidmet, zunächst in der Oper, dann als Lehrerin: "Bis zu fünf Stunden am Tag", erzählt sie. Dabei musste sie sich manchmal neu erfinden. Als ihre Schülerinnen älter wurden, wollten sie neben Klassik auch Modern und Jazz tanzen. Weil die erfahrene Balletttänzerin diesen Stil aber nie praktiziert hatte, ging sie nach Unterhaching, wo eine amerikanische Tänzerin unterrichtete, um Jazz zu lernen.

Jubiläumsfeier

Den Auftakt der Feierlichkeiten zum 50-Jährigen Bestehen der Musik- und der Ballettschule Ottobrunn bildet die Veranstaltung "Mit Musik und Tanz in den Sommer". Mehr als 170 Mitwirkende der beiden Schulen werden an diesem Freitag, 12. Juli, von 19 Uhr an im Festsaal des Wolf-Ferrari-Hauses in Ottobrunn auftreten. Richtig feiern werden die beiden Schulen das Jubiläum am letzten November-Wochenende. Am 29. November findet ein gemeinsames Festakt statt. Weiter geht es am 30. November mit dem Klassiker der Ballettschule "Die Puppenfee". Am Folgetag, 1. Dezember, kommt der "Ottobrunner Advent" - ein weiterer Klassiker des Repertoires - auf die Bühne. fcol

Um die ganze Bandbreite an Kursen und Aufführungen anzubieten, war Eder-Demharter auch auf Freunde und Verwandte angewiesen. Viele Bühnenbilder wurden von Bekannten aus der Staatsoper gemacht, als Bezahlung gab es einen Kasten Bier. Die Tonbänder stellte ihr Mann Franz Eder zusammen, der auch an der Oper tätig war, als Soloposaunist. Die Kleidchen nähte ihre Mutter. "Ich hatte so ein Glück mit diesen Menschen", sagt Eder-Demharter. Über die Jahre veranstaltete die Schule verschiedene Aufführungen, vom "Nussknacker" über spanische Tänze bis zu Strawinskys "Le sacre du printemps". Der Klassiker der Ballettschule bleibt jedoch "Die Puppenfee", die 1972 im Jugendtheater in München erstmals aufgeführt wurde und heute noch zum Repertoire gehört. "Das waren meine Weiber", sagt Eder-Demharter, während sie alte Bilder anguckt. Die holt sie aus zwei dicken, roten Ordnern, in denen sie Fotos, Artikel und sonstige Erinnerungen aufbewahrt. Ihre Schülerinnen von damals nennt sie mit Vornamen und sie weiß, was sie heute machen. Die Tänzerin hat eine ganze Generation begleitet: "Einige waren 20 Jahre an meiner Schule."

Erinnerung an die Freundin und Gründerin

Die größte Zäsur in der Zeit als Schulleiterin erlebte Eder-Demharter 1983, als Rosmarie Theobald kurz vor ihrem 50. Geburtstag bei einem Autounfall starb. Seitdem trägt die Musikschule den Namen ihrer Gründerin. "Sie war die Mutter des Kulturkreises", sagt Eder-Demharter über Theobald. Die zwei Frauen waren durch eine enge Freundschaft verbunden. Einige der Kinder von Theobald besuchten die Ballettschule. "Der Unfall war eine Katastrophe", erzählt die Balletttänzerin. Doch die Schulen machten weiter. 1986 eröffneten sie das Wolf-Ferrari-Haus in Ottobrunn mit der Ballettveranstaltung "Bernarda Albas Haus". "Der Höhepunkt meiner Laufbahn als Leiterin der Schule", sagt Eder-Demharter, die bei der Aufführung noch selbst mit ihren Schülerinnen tanzte.

Anfang der Neunziger beschloss sie, dass ihre Zeit an der Schule vorbei war. Doch sie wusste schon, wer auf sie folgen sollte: ihre Schülerin und Assistentin Marcella Weber, die bis heute die Schule leitet. Direkt nach ihrem Abitur übernahm Weber 1993 die Leitung der Schule, mit nur 19 Jahren. Trotz einiger Meinungsverschiedenheiten in der Vergangenheit haben die beiden heute wieder ein enges Verhältnis: "Sie war zuverlässig und kompetent und als Solotänzerin hervorragend", sagt Eder-Demharter.

Eng geblieben ist auch das Verhältnis zur Musikschule, die heute von Robert Jobst geleitet wird. Allerdings ist die Ballettschule 2013 in die Nachbargemeinde Neubiberg umgezogen, weil sie ihre Räume in der Grundschule verloren hatte. 13 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten alles zwischen Kindertanz, Klassik und Hip-Hop. Doch die Werte sollen die selben bleiben. Wie Eder-Demharter sagt: "Disziplin, Menschlichkeit, Respekt und ein bisschen Humor."

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