3D-Druck:"So ein Getriebe lässt sich nur drucken, nicht fräsen"

3D-Druck: Daniel Cohn, General Manager von Protolabs, bei der Eröffnung des neuen europäischen 3D-Druckzentrum in Putzbrunn.

Daniel Cohn, General Manager von Protolabs, bei der Eröffnung des neuen europäischen 3D-Druckzentrum in Putzbrunn.

(Foto: Claus Schunk)

Das amerikanische Unternehmen Protolabs fertigt in seiner neuen Fabrik in Putzbrunn Spezialteile und Prototypen vom Hüftgelenk bis zur Raumsonde. CEO Robert Bodor und Europachef Björn Klaas haben große Pläne.

Interview von Leo Kilz, Putzbrunn

Beim 3D-Druck tragen Maschinen Metall oder Plastik Schicht für Schicht auf. So werden dreidimensionale Gegenstände produziert, vom Prototypen einer Flugzeugturbine bis zu Zahnersatzprodukten entstehen komplexe Objekte nach einer digitalen Vorlage. Die US-Amerikanische Firma Protolabs betreibt dazu an weltweit neun Standorten Fertigungsstätten. Eine neue Fabrik hat sie in Putzbrunn eröffnet. Robert Bodor ist President und Chief Executive Officer von Protolabs. Björn Klaas ist als Vice President und Managing Director zuständig für Protolabs in Europa und im Mittleren Osten

SZ: Herr Bodor, Protolabs hätte nicht nur im Landkreis München sein Europaquartier beziehen können. Warum ist die Wahl auf Putzbrunn gefallen?

Robert Bodor: Wir hatten ja schon eine Niederlassung in Feldkirchen und wollten vermeiden, dass unseren Mitarbeiter eine lange Anfahrt oder einen Umzug auf sich nehmen müssen, um in die neue Fabrik zu fahren. Außerdem fühlen wir uns wohl in der Region und schätzen sie für ihre industrielle Stärke.

Björn Klaas: Auch Infrastruktur und Logistik kamen uns hier sehr gelegen. München hat sich über die letzten zehn Jahre zu einem Hotspot für 3D-Druck in Europa entwickelt, viele der großen Player in dem Geschäft haben hier ihren Sitz. Da diese Fabrik sich auf unseren Geschäftsbereich 3D-Druck fokussiert, lag der Standort nahe.

3D-Druck: Robert Bodor, President und CEO von Protolabs.

Robert Bodor, President und CEO von Protolabs.

(Foto: Claus Schunk)

Welche Rolle spielt dieser neue Standort für Protolabs?

Bodor: Ganz Europa wird von Putzbrunn aus beliefert, Großbritannien eingeschlossen. Außerdem ist Putzbrunn für den Mittleren Osten zuständig. Hier wenden wir mehrere verschiedene 3D-Druckverfahren an. Spritzguss und CNC-Bearbeitung sind anderswo unterbracht.

Medizintechnik, Automobil- und Luftfahrtindustrie sind starke Wirtschaftszweige im Landkreis. Wer zählt zu ihren Kunden oder soll bald ihr Kunde werden?

Bodor: Wir arbeiten mit Ingenieuren aus verschiedensten Industriezweigen zusammen. Die Automobil- und Luftfahrtindustrie ist insbesondere im Europageschäft wichtig. Das war bei der Standortwahl definitiv ein Faktor.

Und die Kunden? Welche Kunden haben Sie?

Bodor: Wir sprechen nur über manche Kunden, weil wir in der Prototypentwicklung darauf achten müssen, dass keine sensiblen Informationen zu Wettbewerbern unserer Kunden durchdringen.

Klaas: Große Automobilhersteller und Zulieferer, aber auch bekannte Medizintechnik- und Elektronikunternehmen zählen wir zu unseren Kunden.

Bodor: Wir arbeiten mit Unternehmen jeder Größe zusammen. Vom Startup-Gründer bis zum börsennotierten Fortune-500-Unternehmen.

3D-Druck: Björn Klaas, Vice President & Managing Director von Protolabs.

Björn Klaas, Vice President & Managing Director von Protolabs.

(Foto: Claus Schunk)

Was wird von Ihren Mitarbeitern verlangt und was können die Mitarbeiter bei Protolabs in Putzbrunn erwarten?

Bodor: Wir haben hier hohe Sicherheitsstandards und deshalb auch eine gute Sicherheitsbilanz im Unternehmen. Außerdem sind uns Weiterbildung und Aufstiegschancen sehr wichtig. Wir möchten, dass unsere Mitarbeiter lange im Unternehmen bleiben.

Klaas: Viele unserer Mitarbeiter sind Quereinsteiger. Jeder soll bei uns von jedem lernen.

Wie schwierig war es, dieses Gebäude zu planen und zu errichten? Haben Sie die Tücken der deutschen Bürokratie kennengelernt?

Klaas: Rückblickend hat es nur etwa drei Jahre gedauert von dem Moment, in dem unsere Entscheidung zu bauen gefallen war bis zur Eröffnung. Und das trotz der Corona-Pandemie, unterbrochenen Lieferketten und Arbeitskräften in Quarantäne. Da können wir uns eigentlich nicht beschweren.

Ihr Ziel ist es, den Umsatz auf über eine Milliarde Dollar zu steigern. Wie wollen Sie das schaffen?

Bodor: Zum einen möchten wir unter den Weltmarktführern im 3D-Druck bleiben. In vielen Anwendungsbereichen sind wir der schnellste Hersteller weltweit. Bauteile in nur einem Tag zu liefern, das zeichnet uns aus. Im Januar haben wir das Amsterdamer Unternehmen Hubs übernommen: Ein digitales Netzwerk an Produktionspartnern, die unsere hauseigenen Herstellungsfähigkeiten ergänzen. So wollen wir mit dem weltweit umfassendsten Angebot für digital unterstützte Auftragsfertigung die Grundlage für unser Wachstum legen.

Können Sie das Milliardenziel mit der vorrangigen Prototyp-Herstellung erreichen?

Bodor: Mit der Zeit fertigen wir immer mehr Endprodukte. Es waren die Kunden, die uns für die Herstellung fertiger Komponenten entdeckt haben und wir haben auf diese Nachfrage reagiert. Heute hat zumindest im klassischen Spritzgussverfahren mehr als die Hälfte unserer Produktion nichts mehr mit Prototypen zu tun. Und auch der 3D-Druck entwickelt sich in diese Richtung. Besonders beim Drucken mit Metall sind sehr viele fertige Teile dabei. Von uns gedruckte Komponenten sind schon mit ins Weltall geflogen.

Wird denn der 3D-Druck den Sprung von der Herstellung von Prototypen zur Massenfertigung schaffen?

Bodor: Wir glauben fest daran.

Klaas: In den letzten zehn Jahren haben wir dank neuer Technologien einige Kinderkrankheiten des 3D-Drucks hinter uns gelassen. Porsche hat vor ein paar Monaten ein neues Getriebe für ein neues Elektroauto entwickelt. Normalerweise bestanden diese Getriebe aus mindestens zehn bis 20 Teilen. Das hat Porsche mittels 3D-Druck alles in einem Teil kombiniert und 40 Prozent Gewicht gespart. So ein Getriebe lässt sich nur drucken, nicht fräsen. Insbesondere da, wo der 3D-Druck mehr ermöglicht als konventionelle Herstellungstechnologien, steht er vor dem Übergang hin zu einer ausgewachsenen Produktionstechnologie.

Prototypen und Bauteile wurden auch schon vor Protolabs gefertigt. Was ist der Unterschied zu Ihrer Produktion?

Bodor: Wir können helfen, Produkte viel schneller auf den Markt zu bringen. Johnson and Johnson hat uns zum Beispiel mitgeteilt, dass wir ihren Entwicklungsprozess um sechs Monate verkürzt haben. Außerdem arbeiten wir ohne Mindestbestellmenge. Das ist gut für kleine Startups mit geringem Budget und hat Vorteile bei Reparaturarbeiten, weil wir nicht mehr hergestellte Einzelstücke produzieren können. Unsere Kunden können ihre Produktion auch an der Nachfrage ausrichten, weil wir so flexibel in der Herstellung sind. Die Welt steuert derzeit durch die bisher größte Störung der globalen Lieferketten und die Nachfrage schwankt wie nie zuvor. Wir können uns an diese Bedingungen anpassen und entsprechend produzieren.

Zur SZ-Startseite

Forschung
:Windkraft-Technik aus dem 3D-Drucker

Im neuen Fraunhofer-Gießereitechnikum auf dem Garchinger Campus arbeiten Wissenschaftler an neuen Methoden zur Herstellung von Bauteilen. Nachhaltigkeit ist dabei ein großes Thema.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: