Landkreis:SPD und Grüne sind Sieger, aber nicht Gewinner

Obwohl beide Parteien zulegen, wird die CSU erneut stärkste Kraft und holt ihr Abgeordneter Florian Hahn zum vierten Mal das Direktmandat. Am meisten jubeln die Sozialdemokraten, auch wenn ihr Kandidat im Gegensatz zu Anton Hofreiter den Sprung nach Berlin verpasst

Von Iris Hilberth und Martin Mühlfenzl, Landkreis

Korbinian Rüger, Florian Schardt und Ramona Greiner stehen im Paulaner am Nockherberg in der ersten Reihe. Um Punkt 18 Uhr, als die Wahlprognosen der Fernsehsender über den Bildschirm laufen, reißen die Spitzenleute der Kreis-SPD inmitten anderer Parteimitglieder die Arme nach oben, schreien ihre Freude heraus. Rüger, der Direktkandidat, Kreis-Parteichef Schardt und Wahlkampfmanagerin Greiner fühlen sich in diesem Moment wie die klaren Sieger. "Die SPD ist zurück", sagen Rüger und Schardt kurz nach diesem für sie emotionalen Moment.

Die SPD hat die Bundestagswahl gewonnen, im Landkreis München aber bleibt die CSU klar stärkste Kraft. Ihr Bundestagsabgeordneter Florian Hahn gewinnt, wenn auch mit Verlusten, ein viertes Mal das Direktmandat und schneidet mit seinem persönlichen Ergebnis wie schon 2017 deutlich besser ab als seine Partei: 39,0 Prozent zu 32,5 Prozent (alle Zahlen Stand 23.10 Uhr). Die Grünen liegen sowohl bei den Zweit- als auch den Erststimmen knapp vor der SPD: Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kommt auf 20,4 Prozent, seine Partei auf 18,6 Prozent. SPD-Kandidat Rüger liegt mit 15,3 Prozent fast gleich mit Bela Bach, der SPD-Kandidatin von 2017 (16,3 Prozent). Bei den Zweitstimmen legt die SPD auf 17,3 Prozent zu.

Landkreis: Selten sieht man Sozialdemokraten so jubeln: Florian Schardt, Korbinian Rüger und Ramona Greiner (v. l.) am Münchner Nockherberg.

Selten sieht man Sozialdemokraten so jubeln: Florian Schardt, Korbinian Rüger und Ramona Greiner (v. l.) am Münchner Nockherberg.

(Foto: Claus Schunk)

Dennoch jubelt Rüger angesichts des Erfolgs seiner Partei im Bund wie ein Sieger. "Man muss schon überlegen, wo wir herkamen, wie wir in diesen Wahlkampf gestartet sind im Mai", sagt der 32-jährige Planegger. "Olaf Scholz war ja schon Kanzlerkandidat und wurde ausgelacht, auch ich wurde an den Infoständen ausgelacht." Aber zuletzt habe er gemerkt, dass etwas in Bewegung geraten sei: "Die Stimmung, die ich im Wahlkampf erlebt habe, spiegelt sich auch in unserem Ergebnis wieder. Jetzt ist das Kanzleramt in greifbarer Nähe." Schardt ist "einfach nur froh", wie er sagt. "Korbinian hat das fantastisch gemacht, das ganze Team hat das fantastisch gemacht", sagt der SPD-Kreischef, der gesteht, vor dem Wahltag Unsicherheit verspürt zu haben. "Ich hatte etwas Muffensausen, dass diese erneute Rote-Socken-Kampagne verfängt und die Leute es sich in der Wahlkabine noch einmal anders überlegen." Rüger ist mit seinem Erststimmenergebnis zufrieden. Der Wahlkampf habe nach dem Rückzug von Bela Bach mit einem "Kaltstart" begonnen. "Aber ich bin auch mit meinem persönlichen Ergebnis im Landkreis zufrieden. Noch vor kurzer Zeit kannte ja keiner meinen Namen." Jetzt, so Rüger, agiere der Unterbezirk geeint, "und das ist eine gute Basis für die Zukunft und da bin ich dabei".

Ein Sieger steht am Sonntag bereits vor der Auszählung fest: Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter aus Unterhaching war ja über die Landesliste seiner Partei auf Platz zwei abgesichert. Trotz der starken Stimmengewinne fällt die Freude bei seinen Parteifreunden in der Münchner Muffathalle ein wenig verhalten aus. Man sich noch mehr erhofft. "Es ist auf jeden Fall das beste Ergebnis, das wir je hatten", sagt Markus Büchler, der Landtagsabgeordnete aus Oberschleißheim. Wenig später äußert sich Hofreiter in einem Telefonat aus Berlin ähnlich: "Es ist das Beste, was wir je erreicht haben, jetzt müssen wir auch das Beste daraus machen und unsere Themen auf Augenhöhe verhandeln." Hofreiter verweist auf den Klimaschutz und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Auch Büchler unterstreicht noch einmal das positive Resultat der Grünen. Er sei seit 30 Jahren in der Partei, solche Zahlen habe man sich damals nicht zu erträumen gewagt. "Das ist Rückenwind für uns und unsere Themen." Er sehe das Ergebnis daher mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

So hat Ihr Wahlkreis abgestimmt

Die Bundestagswahl bei Ihnen zu Hause: Geben Sie Ihren Ort ein und erfahren Sie in der großen SZ-Datenanalyse, welche Partei wie abgeschnitten hat und wer Sie künftig im Bundestag vertritt.

Hier geht's zur Datenanalyse

Ja, man habe sich mehr gewünscht, das gibt auch Grünen-Kreisvorsitzender Volker Leib nach den ersten Hochrechnungen zu, die kurz nach 18 Uhr über den großen Bildschirm flimmern. "Das ist das unterste Ende dessen, was wir uns erhofft hatten", sagt er. Christoph Nadler, der Fraktionschef in Kreistag, spendet ebenso eher zurückhaltenden Applaus. Es wird klar: Das sind nicht die Zahlen, mit denen die Grünen geliebäugelt haben. Gleichwohl will man sich die Laune bei Linsen mit Kürbis und Süßkartoffeln nicht verderben lassen.

Deutlich zugelegt hat auch der eigene Kandidat in München-Land. Aber vom Direktmandat ist Anton Hofreiter am Ende doch zu weit entfernt. "Vor acht Jahren war die CSU noch bei über 50 Prozent. Ich kann also zufrieden sein", sagt Hofreiter. Auch Leib hat nach eigenen Worten nicht erwartet, dass ihr prominenter Kandidat CSU-Mann Florian Hahn überholen könnte. "Nicht diesmal", sagt Volker Leib und zeigt eine Grafik, auf der sich die Kurven von Grün und Schwarz seit mehreren Wahlen annähern. Ein "Erdrutschsieg" sei nicht zu erwarten gewesen. Aber in vier Jahren könnten sich die Kurven kreuzen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: