Süddeutsche Zeitung

Landkreis München:Einen Bilderbogen gespannt

Die Regenschirmpoeten aus Unterschleißheim, Gewinner eines der drei Hauptpreise, beeindrucken das Publikum im Künstlerhaus mit einer berührenden Performance.

Von Udo Watter

Die Pause der Poeten war nicht unbeschwert. Im Gang vor der Toilette des Künstlerhauses standen sie zusammen und gingen noch einmal Details ihres kommenden Auftritts durch. "Wir sind alle sehr nervös", gestand Sophie Kompe, die Leiterin der Regenschirmpoeten. Während etliche andere Tassilo-Preisträger ihre Auszeichnung bereits in Empfang genommen und das Interview auf der Bühne mit den SZ-Moderatorinnen Sabine Reithmaier und Susanne Hermanski hinter sich hatten, stand der Gruppe der jungen Unterschleißheimer Dichterinnen und Dichter - Neda Bayat, Marie Berkholz, Gabriel Richter, Quirin Weber, Jannika Bauer, Bianca Schüssler, Viktoriya Tetko sowie Sophie Kompe - dieser Part im zweiten Teil des Abends noch bevor. Und zusätzlich sollten sie ja auch noch eine Kostprobe ihres lyrischen Showtalents zelebrieren, nach langer Bühnenabsenz wieder mal im Rampenlicht stehen.

Es zog sich dann auch nach der Pause noch eine Weile hin, bis die Regenschirmpoeten ihre lyrischen Schirme aufspannen respektive ihre Lippen zum Vortrag öffnen durften, und Kompe dämmerte bis dahin, dass das ein gutes Zeichen sein könnte: Je länger die Wartezeit auf die Kür, desto höher ja die Chance auf einen der drei Hauptpreise, deren Verteilung erst auf dem Festakt im Künstlerhaus offiziell bekanntgegeben wurde. Und in der Tat: Die Gruppe, die aus Schülerinnen und Schülern des Carl-Orff-Gymnasiums besteht, erhielt eine der drei mit 2000 Euro dotierten Auszeichnungen.

Auch die Performance stimmte: Begleitet von den Klängen einer Chopin-Nocturne, es spielte Marie Berkholz, trugen die Regenschirmpoeten in wechselnder Bühnenbesetzung ein längeres Gedicht vor, das, angelehnt an die schwierige Situation der Kultur während der Pandemie, metaphorisch eine Aufbruchstimmung entbreitete: Von Nacht und Dunkelheit in den leeren Sälen über das Wiederaufwogen des Geräuschmeeres spannte sich da ein bilderreicher Bogen bis zum Licht und quasi der Wiedergeburt der Kultur. "Hey, lass mal Licht rein, in den Augenschein", deklamiert Neda Bayat, später sagt Bianca Schüssler: "Die Inspiration der Dichter, kommt aus ihrer Kindheit. Der kann nicht lernen dichten, der nicht lernte Kind zu sein." Und am Ende heißt es: "Die Welt erstrahlt im Sternenstaub, der Vorhang fällt, wie buntes Laub, die Stimmung steigt, von Glück gepackt." Kompe, die selbst Poetry-Slammerin und Autorin ist, hat das Werk in Inhalt und Form vorgegeben, aber jedes der Mitglieder konnte seinen eigenen poetischen Stil mit einfließen lassen. "Sie waren sehr souverän", freute sich Kompe, "es ist ja auch unser Anspruch, dass Text und Auftritt von der Qualität her stimmen." Was Ambiente und Atmosphäre des Festakts anging, zeigten sich die jungen Preisträger geradezu euphorisiert.

Dass sich eine Gruppe in Teilen sehr unterschiedlicher junger Menschen regelmäßig trifft, um mit Wort, Sprache und Bildern zu jonglieren, ist ungewöhnlich und begeisterte nicht nur die Jury, sondern auch Kabarettist Christian Springer, der als Pate für die Poeten fungierte. Auch die zweite Patin des Abends, die Pianistin Sophie Pacini aus Aying, zeigte sich berührt von der "Tiefe, Schönheit und Unmittelbarkeit" des dichterischen Vortrags, wie sie im Gespräch mit Kompe sagte.

Dass sie dazu noch einen ziemlich coolen Anblick abgeben können, demonstrierten die jungen Unterschleißheimer nach der Veranstaltung, als sie beim Verlassen des Künstlerhauses unter dem einsetzenden Regen alle lässig ihre weißen Regenschirme aufspannten.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2021
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