Landgericht München:Zwei Männer stechen aufeinander ein - mit demselben Messer

  • Zwei Männer sind in einem Prozess vor dem Landgericht München Opfer und zugleich auch Angeklagte wegen versuchten Totschlags.
  • Im August 2017 haben die beiden in einer Wohnanlage in Berg am Laim im Streit mit einem Messer aufeinander eingestochen.
  • Beide Männer sind wegen Gewaltdelikten vorbestraft.

Aus dem Gericht von Susi Wimmer

Die beiden Männer haben die größtmögliche Distanz gewählt, die eine Anklagebank hergibt: Paruar S. links außen, Yavuz V. in der rechten Ecke. Grün sind sie sich auf keinen Fall, und doch gibt es etwas, was sie eint. Beide sind in dem Prozess vor der ersten großen Strafkammer am Landgericht München I Opfer und zugleich auch Angeklagte wegen versuchten Totschlags. Sie haben im August 2017 bei einem Streit in einer Wohnanlage in Berg am Laim mit einem Messer aufeinander eingestochen - und zwar mit ein und demselben.

Es ist ein wunderschöner Sommerabend, letzte Sonnenstrahlen fallen über die Laubbäume des kleinen Parks des Häuserkarrees an der Freisinger Straße. Eine Anwohnerin fängt die Bilder vom Balkon aus mit ihrem Handyvideo ein. Inmitten der Szene einige Männer, man sieht Geschubse und ein aufblitzendes Messer. "Ruf die Polizei", hört man die Filmerin sagen, während ihre Hand mit ewig langen Fingernägeln eine Kippe über den Balkon schnippt. "Welche Nummer?", fragt eine männliche Stimme. "110."

Die Idylle in dem Innenhof ist trügerisch. Zwar ist ein Kinderspielplatz angelegt, laut dem Angeklagten Paruar S. aber halten sich dort oft Erwachsene zum Kiffen und Trinken auf. Einer von ihnen, Johann A., soll des öfteren Opfer von Schlägen geworden sein. So auch am Abend des 7. August 2017. Wegen Geldschulden, so sieht es Staatsanwältin Nina Prantl, sei der Betrunkene von einem anderen geschlagen worden. Einige Männer gingen dazwischen, darunter Yavuz V., 33.

Der 30-jährige Paruar S., der nach eigenen Aussagen die Szene vom Fenster seiner Wohnung beobachtet hatte, wollte dem Betrunkenen zu Hilfe kommen - und griff sich aus der Küchenschublade ein langes Messer. Damit soll er so heftig auf den Schulterbereich von Yavuz V. eingestochen haben, dass die Klinge brach und zu Boden fiel.

Das Opfer hob die Klinge auf und versetzte mit einem Ausfallschritt dem Angreifer seinerseits einen Stich in den Bauch. Am Ende, so die Staatsanwältin, schleuderte Paruar S. eine Bierflasche in Richtung Kopf eines anderen Beteiligten. Beide Opfer mussten in einer Klinik behandelt werden und sind inzwischen wieder gesund.

Über seine Anwältin lässt Yavuz V. ausrichten, dass er zweimal mit dem Messer getroffen worden sei und dann "instinktiv" seine Hand mit der Klinge nach vorne bewegt habe. Paruar S. erklärt dem Gericht, dass er gar nicht wuchtig zugestochen habe und die anderen nur einschüchtern habe wollen. Er habe sich bedroht gefühlt und sei zuerst geschubst und geschlagen worden.

Opfer Yavuz V. habe er zufällig gewählt: "Er stand gerade da. Ich habe ihn mir nicht ausgesucht." Und je länger der mit 14 Jahren aus dem Irak geflüchtete Paruar S. redet, desto wirrer werden seine Aussagen. Er werde von Geheimdiensten abgehört, glaubt er. Die Männer haben übrigens noch mehr gemein: Sie kiffen und trinken gerne. Und sie sind beide wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Der Prozess geht am Donnerstag weiter.

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