Landgericht München II:Waldfest-Besuch mit brutalem Ausgang

Mit 1,6 Promille geht ein 28-Jähriger auf einem Waldfest am Tegernsee auf sein Opfer los. Wegen versuchten Mordes musste er sich vor Gericht verantworten - und kam mit einer überraschend milden Strafe davon.

Von Christian Rost

Gemessen am Tatvorwurf fiel die Strafe überraschend milde aus: Ein 28-Jähriger ist am Landgericht München II wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der Spieleentwickler hatte am 13. August 2013 nach dem Besuch eines Waldfestes am Tegernsee grundlos einen an einer Bushaltestelle wartenden Schüler attackiert. Das 26-jährige Opfer konnte sich nur mit knapper Not vor dem mit einer schweren Eisenstange bewaffneten Angreifer retten.

Der Angeklagte aus Fischbachau hatte auf dem Waldfest im Gmunder Ortsteil Ostin durchgemacht. Als er sich morgens gegen 5.20 Uhr mit dem Wachmann eines Sicherheitsdienstes anlegte und dessen Brille beschädigte, hatte Maximilian E. einen Blutalkoholwert von etwa 1,6 Promille. Dennoch konnte er vor dem Security-Mann flüchten und sich hinter einem Bushäuschen verstecken. Vom Betriebsgelände einer Metallbaufirma hatte er sich unterwegs eine Eisenstange gegriffen.

Während E. mit dem eineinhalb Meter langen und rund neun Kilogramm schweren Bauteil eines Gerüstaufzugs in der Hand auf seine Verfolger wartete, stand vor dem Bushäuschen ein Paar: Der 26-jährige Schüler aus Waakirchen und seine Begleiterin warteten auf ein Taxi. Unvermittelt stürmte Maximilian E. auf den Schüler zu und versuchte, auf ihn einzuschlagen.

Das Opfer konnte sich gerade noch zur Seite drehen

Dem ersten Schlag konnte der junge Mann ausweichen, den zweiten gerade noch mit der Hand abwehren. Beim dritten Schlag wurde es knapp: Das Opfer stolperte und fiel rücklings auf den Boden. E. holte erneut aus und zielte laut Anklage auf den Kopf des Waakirchners. Im letzten Moment konnte sich dieser zur Seite drehen; die Eisenstange traf den Asphalt und glitt E. aus der Hand. Der Schüler nutzte das, packte den Betrunkenen und drückte ihn gegen einen Zaun, bis Passanten eingriffen und eine Polizeistreife eintraf. Das Opfer hatte Glück, es erlitt zwar Prellungen an der rechten Hand und starke Schmerzen, blieb ansonsten aber unverletzt.

Staatsanwalt Thomas Lanz ging von einem gezielten versuchten Tötungsdelikt aus, wobei der Alkohol seiner Ansicht nach weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten in relevantem Maße beeinträchtigt habe. Für Verteidiger Adam Ahmed indessen war zum Tatzeitpunkt die Mischung aus Alkohol und Panik ausschlaggebend für das Verhalten von Maximilian E.

Er habe an einer Alkohol-Psychose und damit vorübergehend an einer krankhaften seelischen Störung gelitten, führte der Anwalt als strafmildernde Gründe an. Wie der Angeklagte selbst sagte, habe er bereits bei früheren Gelegenheiten nach Alkoholkonsum extreme Angstzustände erlitten. Als er sich hinter dem Bushäuschen versteckte, habe er gedacht, er würde verfolgt und der Schüler wolle ihn an seiner weiteren Flucht hindern.

Staatsanwalt forderte sieben Jahre Haft

Der Verteidiger ging außerdem davon aus, dass Maximilian E. nach seinem letzten Schlagversuch die Stange absichtlich weggeworfen hatte. Wegen dieses strafbefreienden Rücktritts forderte Ahmed einen Freispruch. Der Staatsanwalt verwies allerdings auf die Aussage des Schülers, wonach die Stange E. unbeabsichtigt aus der Hand geflogen sei und er anschließend noch gedroht habe: "Ich bring dich um!" Für den Ankläger konnte deshalb keine Rede von einem freiwilligen Rücktritt vom Mordversuch sein: Er forderte sieben Jahre Haft.

Die erste Strafkammer blieb beim Strafmaß dann doch deutlich unter dieser Forderung und sogar am unteren Rand dessen, was bei einem Mordversuch unter strafmildernden Gesichtspunkten überhaupt möglich ist: Bei drei bis 15 Jahren Haft liegt der Rahmen, und wenn sich keine Milderungsgründe finden, lautet das Strafmaß üblicherweise lebenslang. In diesem Fall sah die Kammer aber einen fehlgeschlagenen Versuch und eine verminderte Schuldfähigkeit bei Maximilian E., der zudem einem Täter-Opfer-Ausgleich zugestimmt habe.

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