Laim:Sturmläuten für ein Denkmal

Das Verwaltungsgericht entzieht der ehemaligen Glockengießerei den Schutzstatus als Industrierelikt wegen zu vieler Eingriffe in die historische Substanz. Der aktuelle Eigentümer hält sich mit seinen Plänen bedeckt

Von Andrea Schlaier, Laim

Die Entscheidung kommt für viele, die sich seit Jahren für dieses Kleinod im Viertel einsetzen, einem Sturmläuten gleich: Das Verwaltungsgericht München hat der ehemaligen "Kunst- und Glockengießerei Gebrüder Oberascher" an der Mitterhoferstraße 7 den Denkmalstatus aberkannt. Im Kern, wird im Urteil begründet, bestehe keine ausreichende historische (Bau-)Substanz mehr, die geeignet wäre, ein "körperliches Zeugnis für geschichtliche Umstände oder Entwicklungen abzulegen". Bleibt es bei der Entscheidung, "wäre ein Abbruch der ehemaligen Glockengießerei sowie ein Neubau an der Stelle grundsätzlich zulässig", schlussfolgert Thorsten Vogel, Sprecher im Planungsreferat, die baurechtlichen Konsequenzen. Außerdem hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die bereits erteilte Baugenehmigung für den künftig direkt angrenzenden Komplex an der Ecke zur Schäuffelein-/Mitterhoferstraße, ein von der Stadt betriebenes Wohnheim für Geflüchtete, vorerst nicht umgesetzt werden darf. Es mangele in der Unterkunft an Lärmschutz zum metallverarbeitenden Betrieb, der nach wie vor in der ehemaligen Glockengießerei seine Arbeit tut.

Laim: Aus der Traum: Die Glockengießerei Oberascher (links) ist ihren Denkmaltitel los. Die dazugehörige Villa (rechts) hatte ihn nie und wurde bereits abgerissen.

Aus der Traum: Die Glockengießerei Oberascher (links) ist ihren Denkmaltitel los. Die dazugehörige Villa (rechts) hatte ihn nie und wurde bereits abgerissen.

(Foto: Josef Stöger)

Die Nachrichten aus dem Verwaltungsgericht gleichen einem Paukenschlag. Seit Jahren wird in Nachbar- und Bürgerschaft um den möglichst ursprünglichen Erhalt der Anlage gerungen, in der zu Beginn des 20. Jahrhunderts prominentes Münchner Geläut gegossen wurde, vom Glockenspiel im Rathausturm bis zu mächtigen Klangkörpern im Alten Peter. Nach 1939 wurden dort nur noch sporadisch Glocken gegossen, zuletzt 1952. Bis zum Tod der Erbin Hermine Oberascher 2011 lagen Grundstück samt dazugehöriger Fabrikantenvilla in einer Hand. Inzwischen ist es aufgeteilt auf drei verschiedene Unternehmen.

Zweierlei wurde im Zusammenhang mit dem Komplex in Laim leidenschaftlich diskutiert: zum einen die Aufnahme der Glockengießerei in die Denkmalliste. Fünfmal hatte das Landesamt für Denkmalpflege dieses Ansinnen abgelehnt mit Verweis auf eine Vielzahl vergleichbarer Industrierelikte. Nach gehörigem öffentlichem Druck von Bezirksausschuss, Bevölkerung und Ortshistorikern schwenkte die Behörde 2017 um und setzte das Werkstattgebäude auf die Liste - nicht aber die benachbarte Fabrikantenvilla, die wenig später auch abgerissen wurde. Im Viertel entstand die Idee, das so geadelte Kleinod als Glockenmuseum in Szene zu setzen - ungeachtet der Tatsache, dass die Heimbau Bayern GmbH, nunmehr die Eigentümerin, etwas anderes mit ihrem Haus plant und dieses bis 2031 an einen metallverarbeitenden Betrieb vermietet hat.

Glockengießerei Laim Oberascher

Zeitenwende: Dort, wo man einst Prachtgeläut gegossen hat, wird heute Metall verarbeitet.

(Foto: Josef Stöger)

Zweiter Streitpunkt in der Diskussion um die Zukunft des Geländes ist der Neubau an der Ecke Mitterhoferstraße/ Schäuffeleinstraße, einer Geflüchtetenunterkunft mit 65 Wohnungen. Mieterin ist die Stadt München. Nachbarn und Bezirksausschuss beklagten eine zu hohe Baudichte, im April erteilte die Stadt dem Eigentümer, der Mitterhofer Projekt GmbH & Co. KG, dennoch die Baugenehmigung.

Und nun also in großem Stil Kommando zurück. Bei der 1906/07 nach Plänen von Xaver Heininger errichteten Glockengießerei, so das Urteil des Verwaltungsgerichts, handele es sich um ein Gebäude, "das in seiner historischen Substanz nicht mehr in dem Umfang erhalten ist, dass es selbst als sichtbares Identitätszeichen für historische Umstände oder Entwicklungen wahrnehmbar ist", wie es Florian Huber, Sprecher des Verwaltungsgerichts, zusammenfasst. Im Übrigen verweist er darauf, dass dem Gericht sechs sachverständige Stellungnahmen des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege (BLfD) vorgelegen haben. Aus früherer Sicht des BLfD, referiert Huber, hätten so viele Eingriffe in die historischen Substanz stattgefunden, "sodass die noch vorhandene Substanz nicht mehr als geeignet angesehen werden konnte, für das Handwerk der Glockengießerei noch ein sichtbares Zeugnis abzulegen". Dies decke sich mit dem Eindruck, den auch das Gericht bei einem Augenschein gewonnen habe.

Nicht nachvollziehbar sei für die Justiz der Gesinnungswandel des BLfD, der 2017 eingetreten sei. Bei einer erneuten Überprüfung "auf Anregung der Laimer Bürgerschaft" sei das Landesamt zu dem Ergebnis gekommen, "dass die industrie-, technik- beziehungsweise handwerksgeschichtliche Bedeutung des Bauwerks als einzige in Bayern noch erhaltene Fertigungsstätte eines bestimmten Industrie- und Handwerkszweigs die Denkmaleigenschaft begründe". Das Gericht zog einen weiteren Sachverständigen hinzu. Der kam, so Huber, zum Schluss: "...hier erinnert nichts mehr an eine Gießerei, geschweige denn an eine Glockengießerei." Aus denkmalrechtlicher Sicht gebe es keine Gründe, das Gebäude zu erhalten.

Planungsreferat und Landesamt für Denkmalpflege lassen unisono wissen, dass sie in enger gegenseitiger Abstimmung prüfen, in Berufung zu gehen. Um sich diesen Weg offen zu halten, haben sie bereits die notwendigen formaljuristischen Schritte eingeleitet.

Baustelle der ehemaligen Glockengießerei Laim, Mitterhoferstraße 7.

An die Wand der alten Glockengießerei soll eine Wohnunterkunft für Flüchtlinge gestellt werden. Der Bau wurde gerichtlich gestoppt.

(Foto: Florian Peljak)

Was den Neubau des Wohnheims für Geflüchtete angeht, hat das Verwaltungsreferat die Stopp-Taste gedrückt, weil der Bauherr keinen Lärmschutz für die Mieter vorgesehen habe. "Vor allem beanstandet das Gericht", sagt Sprecher Huber, dass Bauvorlagen und die Baugenehmigung "nicht ansatzweise" auf die sich "geradezu aufdrängende Problematik eingehe", dass die Apartments Wand an Wand zum Werkstattbetrieb in der ehemaligen Glockengießerei angrenzen und sich der dort entstehende Lärm möglicherweise übertrage. "Diesbezüglich", retourniert Thorsten Vogel vom Planungsreferat, "wird der Bauherr nachbessern und ein Lärmschutzgutachten vorlegen". Die auf Eis gelegte Baugenehmigung beziehe sich gleichwohl nicht auf die Teilbaugenehmigung für Baugrube und Keller: "In diesem Umfang kann weiter gebaut werden". Was eine Einschätzung der überraschenden Wende angeht, hält sich der Vorsitzende des Laimer Bezirksausschusses Josef Mögele (SPD) noch bedeckt: "Wir können das bisher nur zur Kenntnis nehmen. Das spielt jetzt auf einer höheren Ebene."

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