Laim:Rüffel für den Riesen-Riegel

Laim: Neuer Markstein im Westen der Stadt: Über eine Länge von 200 Metern soll sich der Bürokomplex an der Landsberger Straße erstrecken. Die Investitionssumme soll bei 150 Millionen Euro liegen. In der Stadtgestaltungskommission gingen die Meinungen zu den Plänen bereits weit auseinander. Visualisierung: KSP Architekten

Neuer Markstein im Westen der Stadt: Über eine Länge von 200 Metern soll sich der Bürokomplex an der Landsberger Straße erstrecken. Die Investitionssumme soll bei 150 Millionen Euro liegen. In der Stadtgestaltungskommission gingen die Meinungen zu den Plänen bereits weit auseinander. Visualisierung: KSP Architekten

An der Landsberger Straße entsteht anstelle der ehemaligen Tengelmann-Zentrale ein Bürokomplex für gut 2000 Menschen. Politiker im Viertel halten die Pläne für überdimensioniert und befürchten eine zusätzliche Verkehrsbelastung, da in dem Bereich noch andere Großprojekte anstehen

Von Andrea Schlaier

Dieser Akt gleicht einem kurzen städtebaulichen Luftholen: Ein Großteil der ehemaligen Tengelmann-Verwaltungszentrale an der Landsberger Straße ist bereits gefallen. Und vor der zum Komplex gehörenden einstigen Hülle des Möbelhändlers "Who's Perfect", der inzwischen ein paar Häuser weiter gezogen ist, hat sich auch schon eine Flotte aus Baggern positioniert. In den nächsten Tagen werden sie diesen Kubus, der mit fassadenhoher Street-Art vom letzten Zwischennutzungsprojekt besprüht ist, niederreißen.

Entlang der viel befahrenen Straße klafft dann eine riesige Lücke, die sich von der Nummer 350 bis zur 356 ziehen wird. Sollten die bei der Stadt eingereichten Baupläne durchgehen, wächst auf dieser Brache im Anschluss eines der größten Münchner Bürogebäude: Über eine Länge von 200 Metern ragt seine vordere Gebäudekante hoch über der Landsberger Straße auf. Schon jetzt polarisiert der für 2000 Menschen ausgerichtete Komplex.

Als die Architekten vom Büro KSP Jürgen Engel das auf 150 Millionen Euro geschätzte Projekt Anfang des Jahres in der Stadtgestaltungskommission vorstellten, gingen die Meinungen schon weit auseinander: Was die einen als "einen absoluten städtebaulichen Gewinn" priesen, nennen die anderen schieren Pragmatismus. "Man sieht dem Gebäude seine Effektivität an", hatte Architekt und Kommissionsmitglied Peter Scheller kritisiert.

Die Heidelberger Firma FOM, die in München unter anderem die Hofstatt und die Zentralen des Süddeutschen Verlags sowie von MAN entwickelt hat, plant diesen neuen Markstein im Westen der Stadt, zusammen mit einer Investmentsparte der Axa-Versicherungsgruppe. "Mark" nennt die FOM auf ihrer Homepage entsprechend das mächtige Werk, das sich wie eine Leiter parallel zwischen Landsberger Straße und Bahngleise legt. Zwischen den von Nord nach Süd verlaufenden Leitersprossen bilden sich kleine Innenhöfe; ganz im Osten öffnet sich gemäß den Plänen ein kleiner Platz mit öffentlichem Café. Das gesamte Gebäude staffelt sich von seinen Rändern auf sieben bis acht Geschosse nach oben, Spitzenwert sind 30 Meter über dem Boden.

Wer dort einmal einzieht, ist noch offen, sagt Stephan Heller, Chef der Marketingagentur Heller&Partner, die die Kommunikation für das Objekt übernommen hat. Die Nachfrage sei hoch, das Angebot nach großen, zusammenhängenden Flächen mit flexiblem Raumkonzept rar in der Stadt. "Die Liste der Mietinteressenten wächst täglich." Mit einer vorgesehenen Bruttogeschossfläche von gut 50 000 Quadratmetern zählt der Neubau aktuell zu den Top Ten der Münchner Bauentwicklungsprojekte im Gewerbebereich.

Für nicht vertretbar hält dieses Ausmaß der örtlich zuständige Bezirksausschuss Laim. Der Tenor ist einhellig: zu viel Baumasse, zu hohe Versiegelung, eine Begrünung nur in "ökologisch wertloser Form" möglich. Weil der Riegel direkt an die vordere Baulinie rücke, rage er hoch über der Landsberger Straße zu einer bedrückenden Front auf und verwandle den öffentlichen Raum in eine anonyme Straßenschlucht. "Das ist wesentlich stärker verdichtet als das Mäanderband vom Laimer Kreisel Richtung Osten", sagt der Vorsitzende des Gremiums, Josef Mögele (SPD). Die Lokalpolitiker haben sich die Pläne in kleiner Runde von den Investoren vorstellen lassen und in einem protokollarischen Positionspapier erheblichen Diskussionsbedarf aufgelistet.

Neben der schieren Baumasse kritisieren die Stadtteilpolitiker ein fehlendes Verkehrskonzept für die Anbindung der neuen Adresse, wo auch Einzelhandel über 3500 Quadratmeter Fläche Platz finden soll. Ausschließlich 500 Stellplätze seien für einen auf 2000 Mitarbeiter angelegten Stützpunkt zu wenig. Doppelt so viele müssten es sein - auch weil das Grundstück mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen sei. Etwa 700 Meter Fußweg sind es von hier zum Laimer S-Bahnhof - und keine Bushaltestelle vor der Tür. Dieses Manko sehe man auch, so Heller. Deshalb werde derzeit überlegt, ob sich nicht eine MVV-Bedarfslinie zu Arbeitsbeginn und -ende einrichten ließe.

Weiter moniert das politische Gremium im Viertel, dass der Anliefer-, Kunden und Lieferverkehr hauptsächlich über eine Parallelstraße zur Landsberger Straße und nicht auf dem Grundstück selbst abgewickelt werden soll. Ferner sei der gesamte Komplex an der äußersten vorderen Baulinie situiert, weshalb auch kein ausreichend großer Platz mehr bleibe für einen erweiterten Rad- und Gehweg.

Marketingagenturchef Heller hält dagegen, dass "Mark" weder eine Belastung für die Landsberger Straße noch deren Parallelspur auslösen werde. Dies vereitelten die drei Zufahren zum Gelände; im Westen die Tiefgaragenzufahrt und die zum oberirdischen Ladehof, an der die Stellfläche für Kleinlaster für den Lieferverkehr liege; in der Mitte zum Kurzzeitparkplatz für Kuriere mit Paketannahmestation und im Osten für den Durchgang zum Radschnellweg.

Durch die künftige Megabaustelle fürchten die Laimer Politiker zudem eine schier nicht zu bewältigende verkehrliche Dauerbelastung in der Gegend. Hier müssten zu viele Großprojekte gleichzeitig abgewickelt werden. Als da wären: die laufende Verlegung des Abwasserkanals zwischen Laimer S-Bahnhof und "Am Knie" entlang der Landsberger Straße; der in diesem Jahr anstehenden Bau der Umweltverbundröhre am Laimer Kreisel samt dreimonatiger Sperre der Röhre selbst und die kommende Verlängerung der U 5 nach Pasing. Stephan Heller verweist auf Koordinationsgespräche mit dem städtischen Baureferat. Die Vorhaben seien soweit abgestimmt, dass es nicht zu Behinderungen des Verkehrs komme.

Mit dem Bau würden die Investoren gerne in diesem Jahr noch starten, um, wie gewünscht, 2021 den neuen Komplex bezugsfertig zu haben. Noch liegt der Bauantrag bei der Lokalbaukommission zur Prüfung, weswegen, so ein Sprecher des Planungsreferates, zu keinen Details Stellung genommen werde. Kommunikator Heller gibt die Losung der Investoren aus: "Unser Ziel ist es, ein Gebäude zu bauen, dass wir auch in Absprache mit der Stadt und dem Bezirksausschuss einer vernünftigen und nachhaltigen Nutzung zuführen."

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