Süddeutsche Zeitung

Laim:Rechtsradikale hetzen im Bezirksausschuss

  • Bei einer Sitzung in Laim kommt es zu bisher nicht dagewesenen gezielten Störungen durch Rechtsextreme.
  • Auf Geschichten von angeblich bedrohten Anwohner folgen radikale Redebeiträge aus dem Publikum und Politiker werden beschimpft.
  • Offenbar handelt es sich um eine neue Strategie der rechten Szene, um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.

Von Dominik Hutter und Andrea Schlaier

Es beginnt mit dem Bericht einer Laimerin, die nach eigenen Angaben schon zweimal nachts von einem Ausländer bis vor die Haustür verfolgt wurde. Eine andere fordert einen Sicherheitsdienst für ihr Wohngebiet - weil 700 Flüchtlinge in ein ehemaliges Autohaus an der Landsberger Straße ziehen sollen. Und schon entbrennt eine Debatte über steigende Kriminalität, bedrohte Anwohner und Frauen, die sich nachts nicht mehr auf die Straße trauen. Die Stimmung wird von radikalen Redebeiträgen aus dem Publikum immer mehr angeheizt, Politiker werden beschimpft, die ganze Veranstaltung zum "Schmieren-Theater" erklärt.

Was am Dienstagabend in der Sitzung des Laimer Bezirksausschusses geschah, zeigt nicht nur, dass die Stimmung beim Thema Flüchtlinge zu kippen droht. Für Miriam Heigl von der Fachstelle für Demokratie ist die tumultartige Debatte auch ein Paradebeispiel für eine Strategie, mit der Rechtsradikale in die Mitte der Gesellschaft drängen. Und der man in Laim offenbar nichts entgegensetzen konnte. Denn in der Diskussion mischten maßgeblich polizeibekannte Rechtsradikale mit. Inkognito und nach einem wohldurchdachten Schema - Heigl spricht vom "Charakter einer gezielten Veranstaltungsstörung".

In der rechten Szene gebe es Schulungen, wie man durch bewusstes Aufhetzen eine Versammlung auf die eigene Seite zieht. Das Ziel: "In der Mitte andocken". Dafür wäre es kontraproduktiv, mit rechtsradikalen Transparenten vor der Tür zu demonstrieren. Es gehe darum, "Tendenzen zu befeuern, die ohnehin schon da sind", berichtet Heigl. Also die zu bestätigen, die diffuse Ängste haben oder ins Schema Wutbürger/besorgte Bürger passen. Besonders hilfreich dabei: "Ich-Botschaften, die reine Ängste enthalten." Und Berichte, die man möglichst nicht widerlegen kann.

Was gegen rechte Störer hilft

Wer könne schon einen seriösen Kommentar über die persönlichen Erlebnisse anderer abgeben, über einen angeblichen sexuellen Übergriff etwa? Aus Sicht Heigls war die Laimer Sitzung ein besonders krasser Vorfall - ob es ein Einzelfall war, muss sich erst noch zeigen. Im Juli, in der Bürgerversammlung in Milbertshofen, hätten die Veranstaltungsleiter noch verhindern können, dass ein Pegida-Aktivist eine Präsentation vorführt.

Was aber hätten die Laimer Stadtteilpolitiker tun können, um den Rechten das Wasser abzugraben? Die Fachstelle hat dafür eine Broschüre herausgegeben. So sei es hilfreich, das Publikum rechtzeitig auf die Anwesenheit von Rechtsradikalen aufmerksam zu machen - falls man sie denn erkennt. In Laim waren eigentlich alle vorgewarnt: Schon Tage vorher hatte die Polizei Plakate entfernt, die mit "Nein zum geplanten Asylantenheim" überschrieben waren und zum Besuch der Bezirksausschusssitzung aufforderten. Vom Staatsschutz bis zum Oberbürgermeister waren deshalb alle im Bilde.

Der Laimer Bezirksausschuss hat, anders als die Kollegen aus den anderen Stadtbezirken, keinen eigens geschulten Beauftragten gegen Rechtsextremismus. Der hätte möglicherweise gewusst, was in Heigls Broschüre steht: Gleich zu Beginn Regeln festlegen, deren Missachtung zum Rausschmiss führt. Keine Beleidigungen, keine Diskriminierungen, keine langen Monologe. Radikale Positionen ausbremsen. Und falls gar nichts mehr hilft: das Hausrecht anwenden.

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SZ vom 08.10.2015/mmo
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