Laim:Kleckern oder Klotzen

Laim: Fontänen aus 885 computergesteuerten Düsen: Der begehbare Wasserpavillon des renommierten dänischen Künstlers Jeppe Hein bei den Pasing Arcaden hat 700 000 Euro gekostet.

Fontänen aus 885 computergesteuerten Düsen: Der begehbare Wasserpavillon des renommierten dänischen Künstlers Jeppe Hein bei den Pasing Arcaden hat 700 000 Euro gekostet.

(Foto: Catherina Hess)

Die Laimer wollen auf dem Anger einerseits einen Brunnen wie jenen vor den Pasing Arcaden, streiten dann aber darüber, ob der Platz durch eine zusätzliche Bank mit Lehne schon übermöbliert wirken könnte

Von Andrea Schlaier, Laim

Das mit dem Geschmack, zumal dem guten, ist eine heikle Sache. Die eine schwört auf praktische Ästhetik, der anderen kann's gar nicht minimalistisch genug sein. Freundinnen der maximalen Reduktion fühlen sich auf dem Laimer Anger wohl bestens aufgehoben. Die im Jahre 2000 künstlich angelegte vermeintliche Quartiersmitte spreizt sich als teilbegrüntes Plateau zwischen das Kulturhäuschen Interim und eine Konditorei. Vorne, hinten und zu den Seiten der freien Fläche ziehen sich kantige Betonbänder, die im Sommer besonders als Sitzmöbel für die Dauer eines zu schleckenden Eises dienen. Vereinzelt an den Rändern wartende lehnenfreie Bänke bleiben hingegen oft leer.

Der Laimer Bezirksausschuss macht sich gerade wieder einmal sehr konkret Gedanken, mit welchen Ausstattungsideen er seine Bürger auf dem Anger erfreuen könnte. Brunnen, Trinkwasser-Stele, Bank mit Lehne? Die Suche nach einer Lösung gestaltet sich nicht nur stilistisch anspruchsvoll. Idee Nummer eins stammt von der hiesigen SPD-Fraktion: "Sitzbank mit Lehne in unmittelbarer Nähe zum Bücherschrank", schreibt sie in ihrem Antrag. Die Literaturbox steht erst seit Juli nahe der Agnes-Bernauer-Straße und erfreut sich großer Beliebtheit. Aber den Nutzern fehle es an einer Sitzgelegenheit nebenan, um kurz mal durch die Seiten zu blättern oder einfach die Einkäufe abzustellen, bevor sie zu einem Schmöker greifen, führen die Unterstützer ins Feld. CSU-Fraktionssprecherin Anette Zöllner, ihres Zeichens Architektin, gehört nicht dazu: "Ich persönlich will nicht, dass der Laimer Anger übermöbliert ist." Man müsse auch Rücksicht nehmen auf die vielen Veranstaltungen, die regelmäßig auf dem Areal stattfinden - zurzeit läuft hier ein Christbaumverkauf. Parteifreund Alexander Schöttl sucht den Kompromiss: Die Bank am Rand müsse halt zur Gestaltung des Angers passen, "also vielleicht eine ohne Lehne". Lisbeth Haas (Grüne) lacht ostentativ und kopfschüttelnd auf: "Die Senioren brauchen was zum Anlehnen, die setzen sich da sonst nie drauf." SPD-lerinnen melden sich der Reihe nach mit Unverständnis zu Wort, wie man denn gegen ein solches einzelnes Möbelstück opponieren könne. Eine Viertelstunde geht es munter hin und her, bevor man gegen die Stimme von Anette Zöllner beschließt: Die Bank kommt, plus Lehne; das städtische Gartenbaureferat solle diese Gestaltung mit dem Anger-Architekten abstimmen.

Dramaturgisch ist diese Abstimmung einige Tagesordnungspunkte vor der nächsten geschaltet. Und hier geht es um Idee Nummer zwei für den Anger: Einen Brunnen, so was in der Art, wie sie es in Pasing vor den Arcaden haben. Die Vision hatte SPD-Fraktionssprecherin Martha Mertens bereits in der Oktobersitzung ins Spiel gebracht. Und am besten, so hatte das Gremium im Oktober in einen Antrag an die Stadt gefasst, ein Brunnen mit Trinkwasserqualität. Von Übermöblierung ist zu fortgeschrittener Sitzungsstunde keine Rede mehr. Anette Zöllner missfällt diesmal etwas anderes: "Ich bin mit der Kostenseite nicht einverstanden." Und auch ökologisch sei ihr die Idee suspekt: "Wir werden immer wieder ermahnt, Trinkwasser zu sparen, und jetzt würden wir die Leute auch noch ermutigen, damit zu spielen." Jutta Hofbauer (Grüne) bemüht das Erinnerungsvermögen des Bezirksausschusses: Unser Ansatz war damals ein Springbrunnen, und dann haben wir nachgeschoben, dass der mit Trinkwasser gespeist sein solle." Die Runde solle doch erst klären, was sie wolle. Das geschieht dann auch: Ein Brunnen zum Spielen und gleichzeitig die Möglichkeit, einen Trinkwasserspender aufzustellen, wird gewünscht. Mit einer Gegenstimme - von Anette Zöllner - wird das beschlossen.

Dass Wünschen nicht nur schwierig, sondern auch teuer ist, zeigt sich im einsetzenden Schriftwechsel der Laimer mit der Stadtverwaltung. Denn nach wie vor ist nicht ganz klar, wie nach den neuen Förderregularien fürs Budget der Bezirksausschüsse die Errichtung neuer Trinkwasserspender abgerechnet werden soll. Die Anschaffung selbst liegt nach Schätzungen der Verwaltung zwischen 22 000 und 30 000 Euro, der jährliche Unterhalt bei knapp 10 000 Euro. Letzteren, so schiebt das Direktorium in einer E-Mail an die Laimer am Sitzungstag nach, müssten diese nicht aus ihrer Tasche zahlen. Von einem Brunnen Marke Pasing ist da noch gar nicht die Rede. Jedenfalls: Den Trinkwasserspender haben die Laimer jetzt schon mal per Antrag bestellt, den Brunnen auch und, ach ja, die Bank mit Lehne ebenfalls. Über Geschmacksfragen werden sie sich wieder austauschen, sobald die Möbel zur Musterung anstehen.

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