Laim:Aus dem Rahmen

Lokalbaukommission bedauert erteilte Baugenehmigung in Gartenstadtsiedlung. Damals gab's noch kein Schutzkonzept

Von Andrea Schlaier, Laim

Zwitschern die Vögel hier lauter? Und sind die blütenschweren Sträucher, die über die Zäune hängen, hier grüner als anderswo in der Stadt? Oder wirkt die Welt in der kleinen Queristraße und Geßlerstraße nur heiler, weil die am Wegesrand der Reihe nach aufgefädelten 30er-Jahre-Häuschen alle gleich klein, ähnlich adrett und uneitel daherkommen? Cornelius Mager, Chef der städtischen Lokalbaukommission (LBK), hat unlängst in der Süddeutschen Zeitung bekundet, dieses "relativ intakte Siedlungsgebiet, so gut es geht", erhalten zu wollen. Die Stadt hat für die Rettung solch homogener Gartenstadt-Strukturen ein Instrument ersonnen: die Rahmenplanung. Die Queristraße liegt mitten im Laimer Testgebiet, einem von insgesamt dreien der Stadt, in denen das Verfahren erprobt wird. Doch bevor es richtig greift, droht die Idee in den Augen der Nachbarn, zerschossen zu werden - durch einen genehmigten Neubau, Hausnummer 12, der die bisher geltenden Maßstäbe sprengt. Für eine Umkehr ist es Mager zufolge zu spät. Seine Behörde "bedauert natürlich diese Entscheidung", sie sei aber rechtlich gebunden, weil der Bau bereits genehmigt worden sei, bevor der Stadtrat das neue Instrument des Rahmenplans für sich entdeckt hatte.

Über 80 Jahre alt ist die sogenannte Reichskleinheimsiedlung, in der die Queristraße liegt, inmitten des Rahmenplan-Gebiets, das von der Willibald- über die Camerloher-, Rushaimer- und Senftenauerstraße im südlichen Laim reicht. Einfamilien- oder Doppelhäuschen mit einem Vollgeschoss und steilem Satteldach stehen in Reih und Glied. "In den letzten Jahren entstandene Neubauten passen sich in die Siedlung ein." Christine Perner-Neidhardt erläutert das. Sie ist eine Anwohnerin, die den Widerstand gegen das geplante Bauvorhaben an der Queristraße 12 mit organisiert. Dort soll ein extrem "voluminöses" Dreifamilienhaus entstehen, mit zwei Vollgeschossen plus Mansardendach-Appartement und extrem flacher Dachneigung, dessen Traufhöhe ein Geschoss höher liegt als die umliegenden Gebäude. Jede der drei Wohneinheiten sei für sich alleine deutlich größer als ein durchschnittliches Siedlungshäuschen. Für Perner-Neidhardt ein "Fremdkörper, der den Charakter der Siedlung eindeutig zerstört". Es sei ganz und gar unverständlich, auf welcher Basis die Baugenehmigung für das Grundstück erteilt worden sei, auf dem bis März noch ein altes 30er-Jahre-Häuschen gestanden habe. Die Primus Concept Unternehmensgruppe hat das Grundstück nach eigenen Angaben im April 2018 erworben. Die Baugenehmigung, so ein Sprecher, habe dabei vorgelegen und sei Voraussetzung für den Kauf gewesen.

Laim: Christine Perner-Neidhardt (im hellen Mantel) und ihre Mitstreiter protestieren gegen einen überdimensionierten Neubau an der Laimer Queristraße 12 in ihrer homogenen Kleinhäuser-Siedlung.

Christine Perner-Neidhardt (im hellen Mantel) und ihre Mitstreiter protestieren gegen einen überdimensionierten Neubau an der Laimer Queristraße 12 in ihrer homogenen Kleinhäuser-Siedlung.

(Foto: Robert Haas)

"Das Bauvorhaben musste auf der Grundlage eines rechtskräftigen Vorbescheids aus dem Jahr 2013 im Jahr 2016 genehmigt werden", bestätigt LBK-Chef Mager auf Anfrage. "Im Jahr 2018 gab es dazu noch mal eine Tektur, die aber das Volumen des Baukörpers nicht mehr verändert hat." Seine Behörde sei durch den Vorbescheid gebunden gewesen.

Perner-Neidhardt und einige Anwohner fragen sich und den Laimer Bezirksausschuss (BA), in dessen Sitzung sie unlängst um Unterstützung baten, wie durch einen solchen Verstoß gegen den baulichen Rhythmus in der Gegend überhaupt noch ein Rahmenplan zum Schutz der Siedlungsstruktur angewendet werden könne? Das städtebauliche Instrument zielt darauf ab, die Ensemblewirkung zu wahren, sowohl was den An-, Um- als auch einen Neubau in den Straßenzügen angeht. Geschosszahl, Dachneigung und Situierung des Baus auf dem Grundstück - zusammenhängendes Grün soll nicht durchbrochen werden - sind wesentliche Eckpfeiler.

Mager widerspricht den Kritikern nicht. Im Gegenteil. Das genehmigte Haus sei "im Quartier selbst" ohne Vorbild. Doch als seine Mitarbeiter die vorgelegten Pläne 2012/2013 beurteilten, seien noch andere städtebauliche Prämissen gesetzt gewesen: "Die Lokalbaukommission hat sich vom Gedanken der Nachverdichtung leiten lassen." Denn zu diesem Zeitpunkt habe es weder die Beschlüsse des Stadtrats zur Gartenstadt und auch noch nicht die Rahmenplanungen für den Bereich der Reichskleinheimsiedlung gegeben. "Heute würde eine solche Genehmigung vermutlich nicht mehr erteilt werden."

Laim: Zweierlei Maß? Robert Voringer ringt seit Jahren darum, sein Haus umbauen und aufstocken zu dürfen.

Zweierlei Maß? Robert Voringer ringt seit Jahren darum, sein Haus umbauen und aufstocken zu dürfen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Zur bitteren Erkenntnis, gewährtes Baurecht nachträglich nicht verweigern zu können, sehen Kritiker ein systemimmanentes Problem im Rahmenplan. Dessen konsequente Umsetzung sei juristisch schließlich nicht bindend. Vielmehr soll die LBK als Genehmigungsbehörde Bauherren nachdrücklich beraten, sich an die Richtlinien zu halten. Erst im zweiten Schritt sollen Bauvorhaben mit Paragraf 34 des Baugesetzbuches abgeglichen werden, der Bezug nimmt auf Maß und Umfeld. Grob gesagt: Wenn in der Nähe kein vergleichbar großes Haus ist, darf auch nicht größer gebaut werden. In Laim fürchten sie nun, dass der künftige Dreistöcker im Sinne des Paragrafen 34 zur neuen Referenzgröße im Viertel gerät und eine Kettenreaktion aus ähnlichen Architekturen auslöst. Ensemble ade. "Diese Gefahr besteht nach unserer Einschätzung nicht", sagt Mager.

Robert Voringer ringt seit Jahren mit der LBK darum, seine kleine Doppelhaushälfte aufstocken zu können, die ebenfalls in der Reichskleinheimsiedlung liegt. Er scheiterte bislang aber an den Rahmenplan-Leitlinien und übt ebenfalls in der BA-Sitzung Kritik: Die Stadt messe mit zweierlei Maß, kleine Bauherren wie er müssten sich an die Regularien halten, weil sie nicht genug Geld hätten, dagegen zu klagen, "millionenschwere Investoren" hingegen bauten, wie sie wollten. Er nennt es "schreiende Ungerechtigkeit". Mager dagegen verweist im Nachgang auf unterschiedliche Zeitläufe bei Queristraße und den erst später anlaufenden Bauanträgen Voringers. Im Übrigen wäre dessen beantragtes Volumen noch über das in der Queristraße genehmigte Maß hinausgegangen, wenn man es als Doppelhaus gestattet hätte.

"Da braucht's einen Bebauungsplan" als verbindliches juristisches Instrument für sämtliche Bauherren, schlussfolgern Anwohner und Politiker in der BA-Sitzung. Doch eine Entscheidungsbefugnis hat der Bezirksausschuss nicht. "Wir können nur politisch drauf hinweisen, dass das Vorhaben überhaupt nicht in die Gegend passt", sagt BA-Chef Josef Mögele (SPD). Auch SPD-Stadträtin und BA-Mitglied Verena Dietl prognostiziert: "Wenn einmal so ein Haus steht, ist das Tor offen." Primus Concept will voraussichtlich im Juli mit dem Bau beginnen.

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