Klassik:Schön, aber brav

Klassik: Dirigent Lahav Shani bei den Proben mit den BR-Symphonikern.

Dirigent Lahav Shani bei den Proben mit den BR-Symphonikern.

(Foto: Astrid Ackermann)

Lahav Shani dirigiert das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks - wird er der kommende Philharmoniker-Chef?

Von Egbert Tholl

Folgte man der Partikularmeinung einer Münchner Zeitung, so hört man gerade mit hoher Wahrscheinlichkeit den Nachfolger von Valery Gergiev. Aber hier dirigiert er gar nicht die Münchner Philharmoniker, sondern das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Dieses Orchester hat er schon ein paar Mal dirigiert, die Philharmoniker, von einem Sammelbenefiz abgesehen, bislang einmal. Sollte Lahav Shani also wirklich die Philharmoniker übernehmen, wäre das eine Liebesheirat im Las-Vegas-Stil; dass diese zusammenkommen könnte, scheint schon deshalb fraglich, weil im Herkulessaal kein einziger Vertreter des städtischen Orchesters im Publikum zu sehen ist. Das Orakel jener Münchner Zeitung übrigens auch nicht.

Shani, geboren 1989 in Tel Aviv, verkörpert einen neuen Typ des Dirigenten, er trägt Anzug, das Hemd ist offen, er braucht keinen Taktstock, und es macht Freude, ihm beim Dirigieren zuzusehen. Nicht ganz so überzeugend ist das, was man an diesem Abend hört. Shani kann wundervolle Klanggebilde zaubern, das Orchester klingt fabelhaft schön. Aber: An diesem Abend im Herkulessaal bleibt die Emotionalität dann doch klar bemessen, was nur bei Samuel Barbers Violinkonzert sehr gut aufgeht. Denn dieses Stück ist nah am Schwulst komponiert, und es braucht schon Shani und den Gentleman-Geiger Gil Shaham, dass es nicht in einen solchen abgleitet. So aber ist es wundervoll, wenn auch überschaubar, und Shaham liefert als Zugabe noch ein Stück ("Isolation Rag"), das ihm der Komponist Scott Wheeler im Lockdown zukommen ließ.

Zuvor jedoch wirkt John Adams' "Short Ride in a Fast Machine" eher wie die Ausfahrt eines entspannten Pizzalieferservice. Und Rachmaninows "Symphonischen Tänzen" geht jede Tiefe, jeder Abgrund, jeder rhythmische Exzess ab. Wenn man dieses Stück mit dem BRSO und Mariss Jansons gehört hat, vermisst man nun viel, egal wie schön Werner Mittelbach Saxofon spielt. Das ist insgesamt zu brav.

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