Lästige Erklärerei:Leben mit drei Eltern

Für die neunjährige Nina ist der Alltag mit zwei Müttern und einem Vater unkompliziert

Von Silke Lode

Nina mag ihre Eltern. Mama, Papa und "TT", so nennt sie Theresa, ihre andere Mutter. Nina (Namen geändert) lebt mit ihrem kleinen Bruder Jonas, Mama und "TT" zusammen, bei ihrem Vater übernachtet sie meist einmal pro Woche. "Drei Eltern zu haben, ist manchmal gut", sagt sie. Mit Papa zum Beispiel unternehmen Nina und Jonas viel, "da gehen wir nicht nur auf den Spielplatz oder spazieren, sondern öfters zum Schwimmen. Vielleicht, weil wir nicht so oft bei ihm sind - er will immer gerne richtig was machen." Auch wenn es um ganz banale Dinge geht wie die Frage, ob sie nochmal runter in den Hof gehen kann, sagt oft einer von drei Elternteilen ja - und die Nein-Sager geben nach.

Drei Eltern zu haben, hat in Ninas Augen manchmal aber auch ganz entscheidende Nachteile. "Als ich neulich ins Fußball-Trainingslager wollte, musste ich drei Leute überreden!", erzählt sie - und der Neunjährigen ist deutlich anzumerken, dass sie solche Situationen auch nerven.

Als Ninas leibliche Mutter sich für ein Kind entschied, spielte "TT" in ihrem Leben noch keine Rolle. Auch ohne feste Partnerin wollte sie ein Kind. Sie wünschte sich einen schwulen Papa, zu dem auf jeden Fall Kontakt bestehen sollte - und so kam es dann auch. Nach einer Samenspende wurde sie schwanger, sechs Monate nach Ninas Geburt lernte sie "TT" kennen.

"In meiner Wahrnehmung war TT immer da", sagt Nina. Dass ihre andere Mama erst einen ganz festen Platz in ihrem Leben und ihrer Wohnung hatte, als sie schon drei war, weiß sie nur noch aus Erzählungen. Erinnern kann sie sich allerdings gut daran, dass es dann nicht mehr lange dauerte, bis ständig Erklärungen gefragt waren. "Schon im Kindergarten hab ich oft erzählt, dass ich jetzt halt zwei Mütter habe." Wieder und wieder hat sie den anderen Kindern gesagt, dass die beiden sich mochten und geheiratet haben. "Irgendwann habe ich denen gesagt: Ne Leute, jetzt nicht nochmal, ich hab' das schon so oft erklärt."

In der Grundschule ging die Fragerei weiter. Einmal hat Nina deshalb ein Buch mit in die Morgenrunde genommen, das erklärt, welche Wege es für zwei Frauen gibt, die gemeinsam Mütter werden wollen. Während die Lehrer von Ninas Initiative begeistert waren, blieben die Kinder skeptisch: "Die haben es immer noch nicht kapiert", meint Nina. In solchen Momenten hadert sie manchmal mit ihrer Familienkonstellation. "Wenn man nur Mama oder Papa hat, fällt das viel weniger auf. Wenn ich schon wieder erzählen soll, wie das geht mit zwei Mamas, ist das der kleine Moment in dem ich mich frage: Wie oft noch?"

Der Alltag aber ist völlig unkompliziert. Nina geht in die dritte Klasse, spielt in einem Mädchenverein Fußball, mag ihre Klavierstunden, quält sich durch die Überei und ärgert sich über ihr Leben mit zwei Müttern vor allem dann, wenn gleich zwei Erwachsene der Meinung sind, dass es für kurze Hosen doch viel zu kalt sei. Bis auf die Sache mit den drei Eltern und der dadurch automatisch größeren Familie fällt ihr nicht viel ein, was das Leben einer Regenbogenfamilie irgendwie anders macht.

Natürlich kennt sie auch andere Regenbogenkinder - über ihre Mütter und deren Freunde. Aber für Nina zählt das nicht so recht. Für sie war viel wichtiger, als ein Kind in die erste Klasse an ihrer Grundschule kam, das auch zwei Mütter hatte. "Endlich!", war Ninas erster Gedanke. "Sonst kommt es einem schon so vor, dass niemand, niemand, niemand das so hat", sagt sie, und fügt ein erleichtertes "Uff..." an: "Jetzt bin ich nicht mehr die einzige, die Sachen erklären muss."

Geschichten von 36 Regenbogenkindern haben Uli Streib-Brzič und Stephanie Gerlach in den Büchern "Und was sagen die Kinder dazu? (Zehn Jahre später!)" (2005 und 2015, Querverlag) gesammelt.

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