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Lärmschutz am Flughafen:Die Letzten könnten die Ersten sein

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Beim Lärmschutz am Flughafen hinkt die Staatsregierung hinterher. Es gibt nicht einmal einen Entwurf für einen Lärmschutzbereich, von der Erarbeitung einer entsprechenden Verordnung ganz zu schweigen. Für die Anwohner ist das indes nicht schlecht.

Von Christian Sebald, München

Der Lärm der Flugzeuge am Münchner Airport nervt die Bevölkerung in den Landkreisen Freising und Erding gewaltig. Manch einen macht er regelrecht krank. Und es gibt keinen, der sich nicht dringend einen deutlich besseren Lärmschutz wünscht. Dabei haben die Anwohner die Landtags-Grünen an ihrer Seite. Abgeordnete wie der Naturschützer Christian Magerl und der Verkehrspolitiker Norbert Ganserer prangern immer wieder an, dass Freistaat und Flughafen zu wenig für den Lärmschutz täten. Dabei berufen sie sich auf das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, das der Bund im Jahr 2007 erlassen hat.

Nach dem Gesetz, das die Juristen FluLärmG abkürzen, müssen rund um alle Flughäfen in Deutschland so genannte Lärmschutzbereiche ausgewiesen werden. Haus- und Grundbesitzer in diesen Zonen haben Anspruch darauf, dass ihnen Lärmschutzmaßnahmen finanziert werden, schalldichte Fenster zum Beispiel, Dachdämmungen und anderes mehr. Das Gesetz enthält auch einen Zeitplan für seinen Vollzug. Bis 2009 sollten die Lärmschutzbereiche festgelegt sein, in den sechs Jahren darauf, also bis spätestens 2015, sollte die Bevölkerung in ihnen wirksam vor Fluglärm geschützt werden. An den meisten Flughäfen in Deutschland hat sich denn auch viel getan. An fast allen sind Lärmschutzbereiche ausgewiesen worden, der Schallschutz wurde auf Vordermann gebracht.

Es gibt nicht mal einen Entwurf

Nur in Bayern hinken sie hinterher - vor allem am Münchner Airport, der nach Frankfurt am Main ja der zweitgrößte Flughafen Deutschlands ist. Dort gibt es noch nicht einmal einen Entwurf für einen Lärmschutzbereich, geschweige denn, dass die entsprechende Verordnung in Arbeit wäre, das hat jetzt eine Anfrage der Bundestags-Grünen an die Bundesregierung zu Tage gefördert. Für die Grünen ist das ein Skandal sondergleichen. Sie fordern, dass die Staatsregierung schleunigst ihre gesetzliche Pflicht erfülle und sich für den Schutz der lärmgeplagten Anwohner engagiere.

Die Beteuerung der Staatsregierung, man werde den neuen Bereich natürlich sofort ausweisen und den Schallschutz der Anlieger garantieren, wenn man mit dem Bau der dritten Startbahn beginne, lassen die Grünen nicht gelten. Nicht nur, dass für sie fraglich ist, ob die Startbahn überhaupt kommt. Selbst wenn das der Fall wäre, dauerte es noch Jahre. Wichtig sei aber, dass man jetzt etwas tue, so die Forderung der Grünen.

Mehr ist nicht drin

Aber so einfach ist die Sache nicht. Das sagt Herbert Knur, der Chef der Fluglärmkommission am Münchner Airport. Der frühere Bürgermeister des fluglärmgeplagten Berglern (Kreis Erding) ist über jeden Verdacht erhaben, ein allzu inniger Freund des Flughafens zu sein. Er ist ein erbitterter Gegner der dritten Startbahn. Im Streit um das Milliardenprojekt hat der frühere CSU-Mann sogar seiner Partei die Gefolgschaft aufgekündigt. Natürlich hat Knur das FluLärmG genau darauf abgeklopft, ob es etwas für mehr Lärmschutz hergibt. Sein Fazit: derzeit nichts.

Zum einen lässt es das FluLärmG durchaus zu, dass die Staatsregierung mit der Ausweisung des Lärmschutzbereichs so lange wartet, bis der Bau der dritten Startbahn anläuft. Zum anderen - und das ist für die Anwohner sehr viel wichtiger - hat Knur analysieren lassen, welche Verbesserungen die sofortige Einrichtung des Lärmschutzbereichs brächte. Das Ergebnis war ernüchternd, sagt er. Mit den Maßnahmen, die Staatsregierung und Flughafen bisher getroffen haben, hätten sie die Anforderungen des Gesetzes übererfüllt. Mehr sei momentan nicht drin. Deshalb hat Knur auch beschlossen, keinen Wirbel darum zu veranstalten, dass die Staatsregierung beim FluLärmG formal hinterherhinkt.

Eine ganz andere Frage freilich ist, ob der aktuelle Lärmschutz den Anwohnern ausreicht. Das ist ganz offenkundig nicht der Fall. Warum sonst sollte der Widerstand gegen die dritte Startbahn ungebrochen sein.

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Quelle:
SZ vom 29.09.2014
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