Ladenkette Deargoods:Vegane Mode: Erfolg mit Verzicht

Ladenkette Deargoods: Mit ihrem Konzept für ihr 2012 gegründetes Unternehmen Deargoods, das auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung setzt, fährt Nicole Noli gut.

Mit ihrem Konzept für ihr 2012 gegründetes Unternehmen Deargoods, das auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung setzt, fährt Nicole Noli gut.

(Foto: Robert Haas)
  • Nicole Noli betreibt mit Deargoods ein Geschäft, das nur vegane Mode vertreibt.
  • Sie hat einen Laden in Berlin und drei in München, im September soll noch ein Geschäft in Augsburg dazu kommen.
  • Leder, Wolle und Seide gibt es nicht im Angebot. Zudem müssen die Marken umweltverträglich produzieren und die Arbeiter angemessen bezahlen.

Von Franziska Gerlach

Wer als Unternehmer wachsen will, gerade im umkämpften Modemarkt, der sieht für gewöhnlich zu, dass er bei jeder Gelegenheit vernehmbar über sein Konzept schwadroniert - und wann er gedenkt, den ersten Schritt jenseits der Münchner Stadtgrenze zu tätigen. Bei Nicole Noli und ihrer veganen Modekette läuft das anders. Ihre Filiale in Berlin hat sie ohne großes Getöse eröffnet. Und wenn sie sich auch von Anfang an vorstellen konnte, Deargoods nach und nach auszubauen, so war ihre Expansion doch nicht das Ergebnis strategischer Überlegungen. Denn, so sagt sie: "Ich lasse mich gern leiten."

Dieses Prinzip des Leitenlassens, bevorzugt vom Zufall, verfolgt Noli nun schon, seit sie Deargoods 2012 gegründet hat. Und sie fährt gut damit: Mittlerweile betreibt sie ein Geschäft in Berlin und drei in München, zwei davon befinden sich im Glockenbachviertel, seit einigen Monaten gibt es Deargoods auch in Schwabing. Vor Kurzem hat sie zudem einen Pop-up-Store - ein vorübergehendes Geschäft - an der Sendlinger Straße aufgemacht, im September soll noch ein Laden in Augsburg dazu kommen.

Die Idee vom Veganismus auf Textilien zu übertragen, das ist natürlich clever in Zeiten, da selbst Konzerne wie H & M mit Kollektionen aus zertifizierter Bio-Baumwolle werben - der Go-Green-Gedanke ist für den Konsumenten längst nichts Neues mehr. Vegane Mode dagegen klingt zumindest für den Branchenfremden spektakulär. Leder ist demnach tabu. Seide auch, denn um an die Fasern zu gelangen, werden die Raupen mit kochendem Wasser übergossen. Selbst Wolle sucht man bei Deargoods vergeblich.

Jedoch ist es für Noli nicht damit getan, lediglich fair zu den Tieren zu sein. Damit die 40-jährige Unternehmerin, Mutter und Teilhaberin der Glockenbachkneipe Rennsalon, eine Marke in das Sortiment aufnimmt, muss diese auch umweltverträglich sein und ihre Arbeiter angemessen bezahlt. Denn: "Keiner dieser drei Bereiche soll für die Mode leiden."

Wenn Noli das sagt, hat das nichts Oberlehrerhaftes. Auch nichts Gebetsmühlenartiges. Sie erläutert die Philosophie, nach der sie ihre Firma führt, mit demselben Feingefühl, mit dem sie auch ihre Läden gestaltet. Ihren Pop-up-Store an der Sendlinger Straße wird es zwar nur bis zum 30. September geben. Trotzdem hat sie keinen dieser sterilen Verkaufsräume geschaffen, deren Macher Coolness gerne mit Seelenlosigkeit verwechseln. Stattdessen hat sie Teppiche ausgerollt und hölzerne Fenstersimse einbauen lassen, auf die man sich setzen kann, wenn die Füße müde werden. Das ist hipp genug für die Jugend, aber nicht zu hipp für die Senioren der Stadt.

Es herrscht Aufklärungsbedarf

Am späten Vormittag laufen zwei Teenager schnurstracks auf einen Verkaufstisch mit geometrisch gemusterten T-Shirts zu, ein Herr durchkämmt gerade eine Stange mit Hemden aus Biobaumwolle. Etwas Konkretes sucht Sebastian Bugl nicht. "Ich wollte mal schauen, was es so gibt", sagt der 41-Jährige - und schiebt nach, dass er zwar fair einkaufen möchte, gerade bei Kleidung bislang aber nicht wusste, wo diese in München zu haben ist. Von veganer Mode hat er noch nie gehört. Eine Verkäuferin eilt herbei, sie beginnt über alternative Materialien wie Hanf, recycelte Kunststoffe und den aus Eukalyptusholz gewonnenen Faserstoff Tencel zu referieren.

Dann legt sie dem Kunden das Problem mit der Wolle dar. "80 Prozent der Wolle kommt aus Neuseeland", sagt sie. Dort würden die Schafe restlos überzüchtet. Hätten die Tiere ausgedient, würden sie zum Schlachten auf Schiffen zusammengepfercht und in den Nahen Osten transportiert - viele verdursteten schon auf der Fahrt. Bugl wirkt betroffen, das wusste er nicht.

Ein Geschäft für mehr Fairness auf der Welt

Sogar Chefin Noli hält ihr Wissen noch für ausbaufähig, denn vor Deargoods hatte die gelernte Steuerfachgehilfin, die lange als selbstständige Projektassistentin tätig war, mit Mode wenig am Hut. "Das ist ein permanentes Lernen", sagt die Frau, die Deargoods mit dem hehren Ziel gründete, für mehr Fairness in der Welt zu sorgen und den Tierschutz voranzutreiben. Inzwischen listet ihr Sortiment an die 30 Labels, viele kommen aus Deutschland, manche aus München: ThokkThokk zum Beispiel oder Glimpse, die mit ihrer Nähwerkstatt ehemalige indische Zwangsprostituierte in Arbeit bringen.

Dass sich ausgerechnet ein alternatives Modekonzept aus München am Markt behauptet, - Nolis Berliner Shop war ihr zufolge bei der Eröffnung im Herbst 2012 sogar der erste vegane Modeladen Deutschlands - mag erstaunen, wenn man der bayerischen Landeshauptstadt nicht mehr zutraut als Luxusware und Filialisten. Dabei gehört es gerade bei kleinen Labels fast schon zum guten Ton, auf eine angemessene Entlohnung in der Produktion zu achten.

Das Atelier Ansoho im Dreimühlenviertel oder das Label room to roam am Johannisplatz setzen bei den Stoffen auf umweltverträgliche Bio-Qualität, und mit Läden wie Veganista in der Maxvorstadt zum Beispiel oder Glore, Auryn und Phasenreich im Glockenbachviertel hat sich eine annehmbare Szene an Händlern etabliert.

Konkurrenzgehabe? Noli winkt ab. Auch wenn es schon vorgekommen ist, dass jemand eine Marke für sich alleine beansprucht hat. Nachvollziehen kann sie das nicht. Von einer Übersättigung des Marktes könne nämlich nicht die Rede sein, auch wenn München insgesamt schon recht gut da stehe. Es gebe "massenhaft" Leute, die auch modisch Wert legten auf Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung, im Glockenbachviertel etwa, aber auch in Haidhausen, wo Noli bisher noch nicht mit einem Laden vertreten ist.

Hätte man ihr vor fünf Jahren gesagt, dass sie einmal ein Textilunternehmen mit 14 Mitarbeitern leiten würde, hätte sie gelacht. Vor allem der Verantwortung wegen, sagt sie, habe sie nie einen Laden, niemals Angestellte haben wollen. Doch dann kam der Zufall, erzählt sie, und bescherte ihr drei Ladenlokale, die sie in hübsche Geschäfte ummodelte - und das kann in München gewiss nicht jeder von sich behaupten.

Rückschläge auf dem Weg nach oben

Es liegt wohl daran, dass Noli neben dem Glück, zur rechten Zeit an Leerständen vorbei zu radeln, freilich auch über Geschäftssinn verfügt, ambitioniert ist und risikobereit. Und dass sie zugleich die Größe hat, sich Fehler einzugestehen. Ein Laden in Essen lief überhaupt nicht, Noli hatte sich mit der Immobilie vertan, im Dezember 2015 machte sie ihn nach einem guten Jahr wieder dicht.

Der Rückschlag ist verkraftet, die Ideen sprudeln wieder. Ein Kaufhaus für grüne Mode zum Beispiel, sagt Noli, das wäre eine feine Sache für München. Neulich hat sie davon geträumt, im Obergeschoss des Pop-up-Stores an der Sendlinger Straße ein Fair Trade Café einzurichten. Es wird ein Traum bleiben. "Die Miete ist auf Dauer zu teuer", sagt sie. So sieht die Unternehmerin die Stippvisite in der frequentierten Innenstadt vor allem als Möglichkeit, Deargoods bekannter zu machen und faire Mode dorthin zu bringen, wo sie sich zuweilen noch schwer tut: ins Zentrum Münchens. Mitten ins Herz.

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