LaBrassBanda in München:Nippelcheck im Zirkus

LaBrassBanda in München.

Aus Zirkushalle mach Tanzclub: die LaBrassbanda in München.

(Foto: infu)

Wenn Wahnsinn und Virtuosität aufeinandertreffen: Nach fünf Sekunden verwandelt die LaBrassBanda den Münchner Circus Krone in einen Club. Frontmann Stefan Dettl führt eine Polonaise an, versucht sich als Pilates-Lehrer und spielt mit seinen Brüsten.

Von Ingrid Fuchs

Stefan Dettl erscheint nicht einfach auf der Bühne, er explodiert. Fünf Sekunden braucht der Frontmann der LaBrassBanda, höchstens, bis das Publikum auf den Rängen steht, die Arena stampft. "Tecno" zum Einstieg, tanzbarer geht nicht. Die Bläserkombo zündet gleich zu Beginn ihr Feuerwerk, dabei verzichtet sie auf technischen Firlefanz: drei Trompeten, Tuba, Posaune, Bass und zwei Schlagzeug-Sets verwandeln den Circus Krone sofort in einen Club.

Der Beat verträgt sich erstaunlich gut mit den Lederhosen, die die Bandmitglieder gerne tragen. Auch unter den Besuchern findet sich so manche Tracht, barfuß wie die Jungs da oben tanzt aber hier keiner herum, das könnte bei dem ganzen Rumgehüpfe auch gefährlich werden für die Füße. Schon nach dem zweiten Stück plärrt Dettl euphorisch ins Publikum: "Es is jetzt scho voi geil, oder?"

Er singt die Texte so rasend schnell, dass auch versierte Dialektsprecher keine Chance haben, ihm zu folgen. Zum Ausgleich erzählt er Anekdoten von denkwürdigen Auftritten, etwa inmitten einer Horde wütender Serben. Oder er erzählte die Geschichte von einer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn, die die Band angeblich nur überlebt hat, weil eine "Wurschtsemmefrau" den Musikern zentimeterdick mit Wurst belegte Semmeln zum vielen Wodka reichte.

Es ist der zweite Auftritt der LaBrassBanda auf dieser Tour im Münchner Circus Krone. Drei weitere folgen noch, jeder davon ist ausverkauft. Eine vergleichsweise kuschelige Halle ist das, wenn man bedenkt, dass die Musiker längst größere Arenen zum Tanzen bringen kann. Sicher ist: Die Blasmusik aus dem Chiemgau ist auch außerhalb Bayerns erfolgreich, das hat nicht nur mit die Teilnahme am Vorentscheid zum Eurovision Song Contest im Frühjahr gezeigt. Die fünf Musiker sind auf internationalen Festivals gefragt, an Orten, wo kein Bierzelt steht, niemand Bairisch spricht und trotzdem alle zum Mix aus Blasmusik, Balkansound und Clubbeats abgehen. Wie machen die das? Und: Wollen die das?

"Fühlt ihr euch schon rattenscharf?"

Sie wollen, oder besser: Stefan Dettl will. An diesem Abend führt er eine Polonaise quer durch die Halle, er lässt das Publikum auf die Knie gehen und mitten in der Arena ein Moshpit zum Pogen freiräumen. Mit Pilates-Übungen erklärt er südamerikanische Tänze, acht Schritte vor, acht zurück, und bitte schön mit der Hüfte wackeln. "Fühlt ihr euch schon rattenscharf?", schreit er ins Mikrofon und fordert zur Sicherheit noch mal alle auf, die Hände in die Luft zu strecken, sie langsam am Körper nach unten gleiten zu lassen - und die Nippel zu checken.

Dettl ist der Kopf der Band, der Antreiber, die Rampensau. Und er ist sich für nichts zu schade. Der Trompeter lebt in einem Bauernhaus in Truchtlaching im Chiemgau, dort hat er nicht nur ein eigenes Studio, sondern auch Platz für das Redaktionsbüro der MUH, einem Magazin für bayerische Subkultur, und einen Antiquitätenladen. Und auch zwei Biersorten in Truchtlaching sind nach ihm benannt.

Der Musiker frönt seiner Liebe zur Heimat und demonstriert gerne seine Verwurzelung - zumindest bis zu einem bestimmten Grad. Denn wenn es um den Erfolg von LaBrassBanda geht, fallen die Entscheidungen manchmal auch anders aus. Für das neue Album "Europa" wechselte die Band ihre Plattenfirma, vom kleinen Münchner Label Trikont zum Vermarktungsriesen Sony.

Die andere Frage - Warum sind die so erfolgreich? - beantwortet sich auch an diesem Abend. Zum einen sind da die unglaublich virtuosen Musiker: Posaunist Manuel Winbeck und Schlagzeuger Manuel Da Coll haben beide einen Jazz-Studiengang absolviert. Bassist Mario Schönhofer, erst vor kurzem als Ersatz für Oliver Wrage zur LaBrassBanda gestoßen, hat unzählige Auftritte mit bekannten Musikern hinter sich. Die Tuba spielt Andreas Hofmeir, mit 34 Jahren bereits Professor am renommierten Mozarteum in Salzburg.

Und dann ist da noch Stefan Dettl. Er hat sein Instrument ebenfalls studiert, eine Orchesterkarriere angefangen. Doch dann hat ihn die Idee von tanzbarer Blasmusik angefixt. Auf der Bühne wirbelt er wie ein Derwisch herum, jagt von einem Lied zum nächsten, gibt den perfekten Entertainer. Die Zugabe aus "Autobahn", "Nackert" und "Doda Hos" verschwimmt zum Finale. Und auch, wenn man weiß, dass die anderen vier Konzerte wohl nicht viel anders ablaufen, fühlt sich der Abend einzigartig an. Ein Feuerwerk bis zum letzten Ton.

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