La Fiorentina:Klare Verhältnisse

La Fiorentina: La Fiorentina: Schlicht und gut.

La Fiorentina: Schlicht und gut.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Eine Küche, die den Traum vom Abend am Mittelmeer Wirklichkeit werden lässt: Die Trattoria "La Fiorentina" ist der vielleicht authentischste Italiener Münchens.

Matthias Weitz

Es gibt kaum eine Länderfreundschaft, die so vorbelastet ist wie die transalpinen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien. Deswegen sollte man mit ein paar Vorurteilen aufräumen - gerade in München, das sich ja bekanntermaßen als nördlichste Stadt Italiens versteht, was nicht zuletzt an der enormen Dichte italienischer Lokale liegt, in denen viele dieser Vorurteile gepflegt und zementiert werden.

Um das La Fiorentina im Klinikviertel am Goetheplatz zu verstehen, reichen schon zwei. Erstens stimmen Italiener keineswegs beim Anblick eines deutschen Gastes eine Belcanto-Arie an, sie begurren auch nicht jede Dame mit einem süßlichen "Signorina" und halten ihre Gäste auch nicht durchweg für Gourmets, denen man Komplimente für ihren hervorragenden Geschmack machen muss. Auf der anderen Seite behandeln Italiener ihre Gäste auch nicht wie Wühltischkundschaft. Und sie betrachten Nudelbrei mit verkochter Soße keineswegs als Pasta des Tages.

Die Trattoria "La Fiorentina" ist der vielleicht authentischste Italiener Münchens. Das Ecklokal serviert florentinische Küche, also Essen aus der Toskana, einer Gegend, die sich im Kielwasser norddeutscher Künstler und Bonn-Bad-Godesberger Politiker den unverdienten Ruf als Luxuslandschaft für erfolgreiche Alt-68er eingehandelt hat. Dabei geht es in nur wenigen Münchner Lokalen so real zu wie hier.

Die Einrichtung ist schlicht, an den Wänden hängen ein paar Zeichnungen und Gemälde mit folkloristischen Motiven, die man nicht weiter bemerkt, und die Kellner beherrschen jene Mischung aus lässiger Würde und höflichem Respekt, mit denen man in mediterranen Ländern fremden Gästen begegnet. Im Sommer kann man in einem kleinen Garten recht ruhig draußen sitzen.

So angenehm real wie Ambiente und Personal ist auch die Speisekarte. Die Preise bewegen sich um die 10 Euro pro Gang, nur die Hauptgänge mit Fisch und Fleisch sind etwas teurer. Die Pizza soll ganz hervorragend sein, allerdings trumpfte bei unseren inzwischen doch häufigen Besuchen immer ein Angebot der Tageskarte auf, das man unmöglich ablehnen konnte. Überhaupt sollte man sich die Mühe machen, die expressionistische Handschrift der Tageskarte zu entziffern, denn hier finden sich die wahren Entdeckungen.

Die gebackenen Zucchiniblüten, gefüllt mit Ricotta und Schnittlauch, waren mit 11,50 Euro zwar die teuerste aller Vorspeisen, doch die perfekt goldgelbe Panade um das zarte Junggemüse mit der dezenten Füllung machten den Teller zum Pflichtprogramm. Bei den Salaten sollte man bei den Klassikern bleiben. Der gemischte Salat mit Tintenfisch (9,80 Euro) bestach durch Frische und Klarheit. Der Chicoree-Feldsalat mit Shrimps war dagegen einer der hier seltenen Ausrutscher, denn die leicht zimtig schmeckende Mayonnaisesoße erinnerte doch zu sehr an schwere Küche aus vergangenen Wirtschaftswunderjahren.

Zwischengerichte wie die Nierchen oder Kutteln in Tomatensauce waren jedoch allemal die Anreise ins Klinikviertel wert. Man sollte sich überhaupt auf die viergängige Struktur des italienischen Abendessens einlassen. Die Portionen sind zwar groß genug, dass auch Vorspeise und Nudeln allein satt machen könnten. Aber es lohnt sich, Hunger mitzubringen. Denn die Pasta, die den zweiten Gang hier dominiert, war immer frisch und fast immer ein angenehmer Ausbruch aus dem Einerlei der bekannten Nudelsoßen.

Ganz hervorragend etwa waren die Tagliolini mit Hummersoße (11 Euro). Die dünnen, langen Nudeln eigneten sich perfekt für das kleinfaserige Hummerfleisch, die Tomatensauce war derart fein auf das Schalentier abgeschmeckt, dass das Gemüsearoma den dezenten Hummergeschmack nicht überlagerte. Doch die wahre Stärke der Küche zeigte sich bei den einfachsten Gerichten. Die Pappardelle mit Butter, Salbei und Parmesan (8,00 Euro) klingen zum Beispiel nach spartanischem Minimalismus auf dem Teller. Das Ergebnis war jedoch eine wunderbar ausbalancierte Andeutung einer Soße, die den frischen Nudeln selbst jene Hauptrolle zuwies, die ihnen sonst oft von Soßen verwehrt bleibt.

Auch bei den Hauptgerichten liegt die Stärke in der Qualität der Zutaten und der perfekten Konsistenz. Man sollte sich auch bei Fisch und Fleisch daran gewöhnen, ohne Kartoffeln, Nudeln oder Reis auszukommen. Die Kohlehydrate gab es ja schon im zweiten Gang. Deswegen war die Bistecca alla Fiorentina (5,80 Euro pro hundert Gramm), ein fast rohes T-Bone-Steak ganz ohne nennenswerte Beilagen, ein überragendes Rindfleischerlebnis.

Wer es etwas weniger deftig mag, der sollte die Kalbs-Piccatine wählen, die man wahlweise in Zitronen-, Kapern- oder Weißweinsoße mit Gemüsebeilage bestellen kann (15,80 Euro). Ähnlich klare Verhältnisse herrschen beim Fischgericht, das täglich wechselt. Die Sardellen in Zitronensauce mit Bohnen (5,80 Euro pro 100 Gramm) erinnerten jedenfalls, wie es sich für ein italienisches Lokal dann letztlich doch gehört, an goldene Abende am Mittelmeer.

Seit mehr als 25 Jahren hat das "La Fiorentina" schon geöffnet. Verändert hat sich in dieser Zeit nur wenig. Ein Kochbuch hat dafür gesorgt, dass man am Wochenende einen der 60 Plätze reservieren sollte. Das eine oder andere Gericht ist hinzugekommen oder von der Karte verschwunden. Ansonsten ist die Trattoria, auch das eine erfreuliche Ausnahme im Wechsel kulinarischer Moden, eine der verlässlichsten Säulen der Münchner Gastronomie geblieben.

La FIORENTINA, Goethestraße 41, Telefon 53 41 85. Geöffnet montags bis freitags von 11.30 bis 23 Uhr, samstags von 12 bis 15 und von 18 bis 23 Uhr. Sonntags Ruhetag.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: