KZ-Gedenkstätte Dachau:"Alle Opfer gleich behandeln"

In der KZ-Gedenkstätte Dachau eröffnet ein neues Besucherzentrum. Die Leiterin Gabriele Hartmann über die Neuerungen.

Beate Wild

Die Einrichtung der KZ-Gedenkstätte Dachau im Jahr 1965 geht auf eine Initiative ehemaliger Häftlinge zurück. Am 30. April wird nun das neue Besucherzentrum eingeweiht. sueddeutsche.de sprach mit der Leiterin der Gedenkstätte, Gabriele Hammermann.

KZ-Gedenkstätte Dachau: Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Gabriele Hammermann, vor dem neuen Besucherzentrum.

Die Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau, Gabriele Hammermann, vor dem neuen Besucherzentrum.

(Foto: Foto: Toni Heigl)

sueddeutsche.de: Nach vierjähriger Bauzeit wird am Donnerstag das neue Besucherzentrum der KZ-Gedenkstätte Dachau eingeweiht. Was erwartet den Besucher?

Gabriele Hammermann: Pro Jahr kommen 800.000 Besucher zu uns, davon 400.000 aus dem Ausland. In dem neuen Besucherzentrum gibt es eine Informationsstelle, die speziell auf das internationale Publikum ausgerichtet ist. Desweiteren kann man Audio-Guides ausleihen, in der Buchhandlung findet man weiterführende Literatur in verschiedenen Sprachen und neu ist auch die Cafeteria. Bisher hatten die Besucher keine Möglichkeit, sich mit Essen und Trinken zu versorgen. Der Neubau war absolut notwendig, wir müssen uns auf die Bedürfnisse unserer Besucher einstellen.

sueddeutsche.de: Für das Besucherzentrum haben sich besonders die ehemaligen Häftlinge eingesetzt.

Hammermann: Genau, zum einen haben sie sich für die Öffnung des historischen Weges, den die Häftlinge damals beschreiten mussten, stark gemacht. Der Weg wurde 2005 in Betrieb genommen, anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau. Zum anderen haben sie sich aber auch für das Besucherzentrum und eine pädagogische Abteilung eingesetzt. Jetzt folgt noch eine Erweiterung des Parkplatzes, die aufgrund der steigenden Besucherzahlen unumgänglich ist.

sueddeutsche.de: Wieviel hat der Neubau gekostet?

Hammermann: Das Gebäude hat 3,8 Millionen Euro gekostet und die Außenanlagen zwei Millionen Euro. Insgesamt also 5,8 Millionen Euro, die durch den Freistaat Bayern und die Bundesgedenkstättenförderung finanziert worden sind.

sueddeutsche.de: Ist auch mehr Personal dazugekommen?

Hammermann: Ja, wir haben 5,5 neue Stellen dazubekommen, die wir mit zweisprachigen Dozenten besetzen. Die neuen Mitarbeiter werden geschult, im Übrigen auch beim Tourismusamt der Stadt Dachau, damit sie den Besuchern auch weiterführende Informationen zu Übernachtungsmöglichkeiten und zur Umgebung geben können. Darüber hinaus gibt es studentische Hilfskräfte, die auf 400-Euro-Basis am Empfang tätig sind.

Alle Opfergruppen gleichberechtigt behandeln

sueddeutsche.de: Das Besucherzentrum ist vom Architekturbüro Florian Nagler geplant und gebaut worden. Wieso hat man sich für diesen Entwurf entschieden?

Hammermann: Der Entwurf hat uns überzeugt, weil er sich ganz zurückhaltend in die neue Eingangssituation einfügt. Der neue Zugang ist ja offen gestaltet, es gibt kein Tor mehr, das wir am Abend abschließen. Im Besucherzentrum sollen die Gäste behutsam auf das, was sie dann in dem ehemaligen Lager sehen, vorbereitet werden. Der Entwurf signalisiert Offenheit und Transparenz.

sueddeutsche.de: Das Verhältnis zwischen der Stadt Dachau und Gedenkstätte war lange zerrüttet. Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit heute?

Hammermann: Das Miteinander funktioniert gegenwärtig sehr gut. Am 30. April wird jetzt auch das letzte Teilstück des Weges des Erinnerns eröffnet, der vom Bahnhof der Stadt zur Gedenkstätte führt. Es ist ein Projekt der Stadt Dachau. In den Broschüren dazu wird auch kritisch das Verhältnis der Dachauer zu dem Konzentrationslager beleuchtet. Es wird beispielsweise thematisiert, dass die Bevölkerung durchaus von den Transporten und Arbeitseinsätzen der Häftlinge wusste.

sueddeutsche.de: Am 1. Januar 2009 haben Sie die Leitung der KZ-Gedenkstätte Dachau übernommen. Welche Schwerpunkte haben Sie sich gesetzt?

Hammermann: Wir wollen in nächster Zeit Besucherbefragungen durchführen, um zu erfahren, mit welchen Erwartungen die Gäste kommen und welches Vorwissen sie haben. In der rekonstruierten Baracke auf dem Gelände wollen wir eine Ausstellung über die Lebensbedingungen der Häftlinge machen, basierend auf den Berichten der Zeitzeugen. Außerdem sollen an den Orten der ehemaligen Außenlager Kaufering und Mühldorf Gedenkstätten entstehen.

sueddeutsche.de: Charlotte Knobloch, die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, hat das Comité International de Dachau kritisiert, weil ihrer Meinung nach dem Gedenken an die jüdischen Opfer nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Hammermann: Aufgabe der Gedenkstätten ist es, alle Opfergruppen gleichberechtigt zu behandeln. Neben den jüdischen gab es etwa die politischen Häftlinge sowie Sinti und Roma, Berufsverbrecher, Bibelforscher, Homosexuelle. Es soll keine Gruppe dominieren, es darf selbstverständlich auch keine benachteiligt werden. Das Thema "Opferkonkurrenz" wird in den nächsten Jahren aber verstärkt diskutiert werden, in allen Gedenkstätten.

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