Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Transparenz und Dichte

Fabio Martino mit den Münchner Symphonikern im Herkulessaal

Von Andreas Pernpeintner

Sicherlich ist Aaron Coplands Orchester-Suite "Appalachian Spring" kein Geheimtipp. Man durfte sie auch in der alten Konzertnormalität öfter hören - jetzt passt ihre überschaubare Besetzung hervorragend in die neue Realität und deren Mindestabstände. Phasenweise ist es erstaunlich, dass Copland für dieses Werk einen so kleinen Orchesterapparat wählte, denn bei manch ruhig geschwungener Passage könnte man sich sehr gut einen breiteren Streicherklang vorstellen.

Insgesamt aber steht der durchsichtige, reduzierte Klang der Musik gut zu Gesicht. Kompositorisch Interessantes lauert hier zwar nicht hinter jedem Taktstrich - aber wenn das Stück so exakt und mit so vorzüglichen Holzbläsern gespielt wird wie von den Münchner Symphonikern unter der Leitung ihres Chefdirigenten Kevin John Edusei im Herkulessaal, ist es wirklich hübsch. Außerdem kommt hier für manches perkussive Element das Klavier zum Einsatz, und das verkürzt die Umbaupause für das sich anschließende fünfte Klavierkonzert von Beethoven deutlich.

Der Pianist Fabio Martino betritt mit leuchtend roter Fliege und ebensolchem Kummerbund das Podium und setzt auch in seiner Interpretation gute Akzente. Dabei macht er gestisch keineswegs viel Aufhebens. Einige mitfühlende Gesichtsausdrücke und knappe rhythmische Kopfbewegungen, die mit seiner Lockenmähne dennoch wirkmächtig sind, genügen als visuelle Ausdrucksergänzung. Martinos Beethoven-Spiel lebt davon, dass Transparenz und Dichte in seiner Tongebung sehr gut austariert sind und er auf eine Weise zu phrasieren versteht, die Umrisse präzise hervortreten lässt, ohne dass er es mit der Prägnanz übertreibt. Das hat schon im ersten Satz viel Frische, und von diesen Qualitäten lebt auch der dritte Satz, dessen hintersinnige Rhythmik Martino meistens vorzüglich gelingt. Im Adagio überzeugt sein schöner Diskant, und auch sein Legato lässt keine Wünsche offen. Diese interpretatorische Akkuratesse wird von Edusei und den Symphonikern gelassen grundiert.

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Quelle:
SZ vom 24.10.2020
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