Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Tanzend leicht

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Pianistin Lauren Zhang im Herkulessaal

Von David Renke, München

Das Beeindruckendste an Pianistin Lauren Zhang ist vielleicht nicht, dass sie sich bei ihrem Konzert im Herkulessaal an die anspruchsvollsten Werke der Klavierliteratur wagt, sondern die Leichtigkeit, wie ihr diese von der Hand gehen. Ohne übertriebene Gestik gelingt es ihr, die großkonzipierte Klangarchitektur der b-Moll-Sonate von Sergej Rachmaninow vielschichtig und mit starker Erzählkraft auszuleuchten.

Da, wo die Partitur ihr die Freiheit gibt, Klanglandschaften zu gestalten und Gedanken zu formulieren, liegt die Stärke der gerade einmal Achtzehnjährigen. Den weitläufigen Gestus der großen Akkordgriffe stellt sie opulent, gerne auch mit süffigem Klang vor. Hier fühlt sich Zhang deutlich besser aufgehoben als in der strengen Kontrapunktik der c-Moll-Toccata von Johann Sebastian Bach, die sie zu Beginn des Programms spielt. Zwar ist auch hier alles wunderbar transparent durchmusiziert, jede Stimme klar herausgearbeitet, aber ein Mehrwert will sich bei dieser Interpretation nicht einstellen; zumal Zhang mit ihrem weichen Anschlag eher die Nähe zur nachfolgenden Spätromantik sucht, als einen scharfen Gegensatz herauszuarbeiten.

Weit mutiger ist Zhang bei den subtil flirrenden Klaviergedichten "Gaspard de la Nuit" von Maurice Ravel. Fein verwebt sie die teils diffusen Klänge und überführt sie geschickt in sanfte gold-schimmernde Läufe. Der langsame Mittelsatz wird zur atmosphärisch dichten Meditation, eine fahle Beobachtung, die sich als Antipode zu den beiden hochvirtuosen Ecksätzen versteht. Ähnliches gelingt ihr auch beim zweiten Ravel des Abends, "La Valse". Diese Version für Soloklavier ist durchsichtiger als die für zwei Klaviere, dennoch aber mit gleichem Überwältigungspotenzial. Tatsächlich kann auch Zhang die Brachialgewalt, mit der Ravel hier den Wiener Walzer zu seinem vorläufigen Ende zwingt, zwar nicht vollkommen befreit herüberbringen, dennoch ist ihr behände strukturiertes Finale von überraschender Eindrücklichkeit. Sicherlich auch, weil sie zuvor bereits die Walzerseligkeit allzu gespenstisch fröhlich tanzen lässt.

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Quelle:
SZ vom 19.02.2020
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